piwik no script img

Kolumne Das TuchErbarmungslose Nacktfotos

Kübra Gümüsay
Kolumne
von Kübra Gümüsay

Handys und Laptops, Skype und verschickte Fotos sind mittlerweile ein fester Bestandteil unserer Familientreffen. Hauptfigur ist dabei ein zweijähriger Junge.

M it meinen beiden kleinen Fingern versuche ich hastig, mein Handy zu bedienen. Der Rest meiner Hand ist schmutzig und fettig. Ich stehe in der Küche und verzweifle gerade mal wieder an einem türkischen Teiggericht. Über Skype rufe ich meine Oma in Deutschland an. „Oma, ich kriege die Börek nicht hin!“ Eigentlich kann ich ja backen, aber die Hefe! Die Hefe will nicht, wie ich will. In England gibt es eben nicht so tolle Feuchthefe wie in Deutschland, rede ich mir ein. Und frage verzweifelt: „Ich kann das doch, ne, Oma?“

Sie beruhigt mich und diktiert mir schnell ein Börek-Rezept ohne Hefe. „Was ist los?“, fragt mein Opa besorgt im Hintergrund. Das Übliche, will ich antworten. Ich rufe in der nächsten Stunde noch vier Mal an, dann sind die Börek endlich fertig.

Und?“, fragt mich meine Tante wenige Minuten später über WhatsApp, dieses kostenlose Kurznachrichten/Chatding, über das neuerdings jeder mit einem Smartphone kommuniziert. „Haben die Börek geklappt?“ „Woher weißt du das?“, frage ich. Meine Oma hat mit meiner Mutter telefoniert und die hat gerade eben mit meiner Tante gesprochen. „Geht so“, schreibe ich meiner Tante und schicke ihr Bilder von den versalzenen Börek.

Bild: privat
KÜBRA GÜMÜSAY

ist Bloggerin, Journalistin und taz-Kolumnistin.

„Ruf uns mal über Skype an“, schreibt mir mein Vater am Abend über WhatsApp und schickt mir gleichzeitig Bilder. Die Familie hat sich heute bei meiner Oma versammelt. Ich schalte die Kamera ein. Alle grinsen und ich, auf dem Handy-Bildschirm, wandere von Hand zu Hand. „Zeig mal die Börek“, werde ich aufgefordert und schwenke mit der Kamera über die vielen Reste. „MashAllah, sehr gut“, sagt mein Onkel lachend. Er kann es noch immer nicht glauben, dass ausgerechnet ich freiwillig einen Fuß in die Küche setze.

Weit weg und doch nah dran

Handys und Laptops sind mittlerweile ein fester Bestandteil unserer Familientreffen. Denn es fehlt immer wer. Mal bin ich es, mal meine Schwester in Heidelberg, mein Bruder in Karlsruhe oder der große Rest unserer Familie in der Türkei. Geburten, Krankenhausbesuche, Geburtstage, Hochzeiten, Ausflüge – alles wird festgehalten und verschickt.

Dabei war es vor ein paar Jahren für mich noch undenkbar, dass meine Mutter je ein Handy besitzen würde. Wenn sie mal mit dem Handy meines Vaters telefonieren musste, dann nur mit Kopfhörern oder per Lautsprecher – sie wollte ihren Kopf nicht direkt den Strahlen aussetzen. Heute tippt sie vorsichtig auf ihrem Handy und chattet mit meinen Tanten. Sie haben eine eigene WhatsApp-Gruppe gegründet: „die Schwägerinnenschwestern“.

Es ist schön, weit weg und doch nah dran und dabei zu sein, die Familie mitzuerleben. Als schaute ich der eigenen Familie in einem interaktiven Film zu. Mit zeitweise direkter Teilnahme am Leben. Meistens aber als Zuschauer. Hauptfigur ist derzeit vor allem mein zweijähriger Cousin. Seine Bilder – ob nun grinsend hinter Spielzeug oder nackig im Bad – werden erbarmungslos herumgeschickt. Er ist in unserer Familie quasi das, was das Katzenbild im Internet ist.

Ab und an sehen wir uns auch in echt. Meine Tante und ich umarmten uns innig. Dann trat sie einen Schritt zurück und schaute mich an. „Warum antwortest du deiner Tante so selten auf WhatsApp?“, fragte sie mich. „Och Tantchen“, sagte ich sie wieder fest umarmend. „Lass mich mal in die Küche, Börek backen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Kübra Gümüsay
Jahrgang 1988. Autorin des Bestsellers "Sprache und Sein" (Hanser Berlin, 2020). Bis 2013 Kolumnistin der Taz. Schreibt über Sprache, Diskurskultur, Feminismus und Antirassismus.
Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • I
    ion

    Jetzt wurde mir ganz "warm um´s Herz", .... beim Anblick der "Bilder von den versalzenen Börek", .... hm(?!), ist Frau Gümüsay ‘verliebt’?

    Oder waren ’s die "Erbarmungslose(-n) Nacktfotos"!?

     

    @ tommy (08.01.2013 18:31):

    "@till";

    Hoppla, ihr moniiit∞r scheint sehr schlecht eingestellt zu sein, die Person nennt sich “Tilli”, Sie wissen schon: “Das volle (Spül-i-) Programm”.

     

    @ schweigende Mehrheit:

    Dann ist die “Bäckerblume” (cf.u.) also auch ‘Qualitätsjournalismus’?! Und die Apo·thekerzeitung ein Intellektuellen-Revoluzzerblatt aus Kuba.

     

    @ Sara

    "OK, diese Kolumne ist mal wieder absolut überflüssig, (....).";

    Nein(!), Gümüsays Elaborate sind (fast) kostenfreier Blindtext, falls Sie verstehen, .... .

     

    @ Tilli (08.01.2013 12:22),

    "Hass";

    ¡¿Sie scherzen!? Behalten Sie bitte weiterhin einfach die Finger ganz ruhig im Spüli! Und autosuggestieren Sie: „Alles ist gut, ich bin gar nicht blond.“

     

    @ Bastian,

    "(....) und beleidigend (....)";

    .... ist der abstruse Konditionierungs-Output, der hier (in der taz!), immer wieder von Frau Gümüsay Gassi geführt wird.

     

    @ HP Remmler,

    "Burka (....) und skypen... ";

    Hat das was mit dem ‘Schwarzschild-Effekt’ (cf. ‘analoge’ Fotografie) zu tun? Einfach länger belichten, oder-oder?

     

     

    ♲ (09.01.2013 00:34), ....

  • ES
    Elif Söz (free minds münster)

    :)

     

    Die Gruppe, die einst tradierte Normen und gesellschaftliche Verhältnisse radikal in Frage stellte und neue mutige Lebenskonzepte wie freie Liebe probierte, zieht den Hardcore-Anachronismus des 7. Jahrhunderts groß und fördert ihn. Unfassbar.

     

    Eine gemeine Frage: Sind das die Folgen des chronischen Kiffens? Oder hat die Taz Redaktion beschlossen, dass der Segen doch in vergangenen längst tradierten Gesellschaftsverhältnissen liegt. Reaktionär ist noch ein Euphemismus, um diesen Sachverhalt hier zu beschreiben... Ich warte schon auf den Tag, wo die taz kleine moderne Pilgerreisen nach Mekka in ihr Angebot aufnimmt. Das dauert wohl nicht mehr lange. Oder abgeschirmte Steinigungsveranstaltungen für die moderne islamische Community wäre doch auch schön, damit die ihre Religion der Barmherzigkeit praktizieren kann und nicht weiter so rabiat unterdrückt und ausgegrenzt wird. Islamophobie macht die neu definierte, muslimische Rasse ja krank. Das muss man gesetzlich verhindern... :P

    P.S. Ich bin wirklich sehr gespannt, ob ihr je aus eurem tiefschlaf erwacht.

  • B
    bub

    ... ach der Bastian... mensch aber auch,

    gibbet dich noch in real ;-), ?

  • T
    tommy

    @Sara

     

    Mag sein, dass ich in meinem "rassistischen" Kommentar Frau Gümüsays Artikel überinterpretiert habe. Die Vermutung, dass der Artikel einen Subtext der Sorte "Islamische Familien haben einen so tollen Familienzusammenhalt" hat, erscheint mir aber nach Frau Gümüsays allgemeinem Auftreten (die Kolumne heißt schließlich "das Tuch", nimmt also bewusst auf Frau Gümüsays islamischen Glauben Bezug) und ihren bisherigen Artikeln (in denen ja zuweilen auch lobende Worte für eine Gruppe wie Milli Görus gefunden werden, deren christliches Äquivalent wohl kaum von der taz gut geheißen würde) als nicht ganz abwegig. Eine andere Interpretation dieses ansonsten banalen und sinnlosen Artikels ergibt sich mir nicht.

     

    @till

     

    Leuten wie Ihnen tut ein Realitätscheck in den Kommentarspalten der taz ab und zu ganz gut, damit Sie sehen, dass Ihre Ansichten bei weitem nicht gesellschaftlicher Konsens sind.

  • T
    tommy

    @Schweigende Mehrheit

     

    Welche Denkanstöße erhalten Sie denn von Frau Gümüsays Kolumnen? Zieht man mal den Islamfaktor ab, bleibt da m.E. nicht viel als weitgehend belanglose (und nicht überprüfbare) Geschichtchen aus dem Privatleben einer jungen Frau, die sich selbst viel zu wichtig nimmt.

  • SM
    schweigende Mehrheit

    Ah, super, da haben sich ja gleich wieder die ganzen Pöbler zu Wort gemeldet. Hat was von Masochismus, daß ich bei der Kolumne doch immer wieder in die Kommentare schaue, um die Menschheit in ihrer ganzen Widerlichkeit zu sehen.

     

    Ich gehöre übrigens zur schweigenden Mehrheit, die Ihre Kolumne sehr gerne liest, weil sie mir immer wieder Denkanstöße gibt, und weil sie sehr schön geschrieben ist - eine Qualität, die man bei journalistischen Texten leider nicht oft findet.

  • S
    Sara

    OK, diese Kolumne ist mal wieder absolut überflüssig, weil ohne Witz, ohne Inhalt, ohne Aussage, ohne irgendetwas, das einen Grund liefert, zwei Minuten meiner Zeit damit vertrödelt zu haben. Aber diese rassistischen Kommentare sind es ebenfalls. Denn auch die türkische Kultur war (abgesehen von der Erwähnung des Böreks) kein Thema in dieser Kolumne.

  • T
    Tilli

    Ich würde mir eine Bezahlversion der Taz wünschen, in der die Kommentarfunktion einfach nicht vorhanden ist. Es ist schade, dass ich gerade in der Taz, bei der ich mich ja doch aufgehoben fühle, immer wieder so viel Hass begegne.

    Die Zustände in deutschen ArbeitsEinrichtungen müssen so mies sein, dass man dort am liebsten eine Zeitung liest die man verabscheut, um dann mal so richtig lospoltern zu können.

    naja ich hab's mir nochmal überlegt, wahrscheinlich ist die Kommentarfunktion der einzige Ort an dem der bucklige von heute mal so richtig Dampf ablassen kann. ist doch schön, solange er sich nur dort traut. Ich muss einfach lernen keine Kommentare mehr zu lesen.

  • B
    Bastian

    Meine Güte!

    Die Kommentare hier auf taz.de sind unendlich peinlich und beleidigend, wie ich finde...

  • HR
    HP Remmler

    Ich wusste gar nicht, dass ich die "Bäckerblume" abonniert habe.

     

    Am Rande eine Idee für eine Karikatur - ich kann leider nicht zeichnen. Betrifft auch gar nicht die Autorin, aber trotzdem:

     

    Zwei muslimische Frauen, die von ihrem Glauben bzw. ihren Männern bzw. von deren Glauben zum Tragen der Burka genötigt werden, sitzen vor ihren Laptops und skypen...

  • EM
    El Moro

    Schöne Geschichte, Kübra. Da wird einem warm um´s Herz.

  • K
    Kasielke

    Am schlimmsten finde ich, dass die ganzen ausgedienten Mobiltelefone (es gibt ja mind. alle zwei Jahre ein neues) und Computer irgendwann als Elektronikschrott nach Afrika geschippert werden, wo dann meist Kinder und Jugendliche die seltenen Erden wieder herausbrennen um in ihrem kurzen Erdendasein (verätzte Lungen sollen ja die Lebenserwartung einschränken) nicht ganz so sehr hungern zu müssen.

    Aber wen kümmert's? Hauptsache uns geht's gut!

    In Frau Gümüsays Familie scheint jedenfalls kein großer Zusammenhalt zu herrschen wenn sich die Mitglieder räumlich so weit voneinander entfernen und sich dann selbst betrügen, indem sie die Kommunikation mit Maschinen als gleichwertigen Ersatz für wirklichen menschlichen Kontakt erachten.

    "...Es ist schön, weit weg und doch nah dran und dabei zu sein, die Familie mitzuerleben. Als schaute ich der eigenen Familie in einem interaktiven Film zu. Mit zeitweise direkter Teilnahme am Leben. ..."

    Armseliger geht's nicht! Da hab ich als einer von hier bzw. als einer von welchen, die von hier sind ein anderes Ideal von Familie.

    Ist wohl wirklich nur das Klischeebild von einer türkischen Großfamilie und ihren engen Familienbanden, dem man aufgesessen ist.

  • WW
    willy, weißer "Nichtmuslim"

    Geburten, Hochzeiten, Beschneidungen...

  • T
    tommy

    Man hat verstanden: bei türkischen Familien ist die Welt eben noch in Ordnung und es herrscht in der Großfamilie ein toller Zusammenhalt. Bei den verkommenen Deutschen, verwandten- und kinderlos und zunehmend vereinzelt, sieht das natürlich anders aus. Aber glücklicherweise schaffen sich die Teutonen, Biodeutschen, Kartoffeln etc. ja selber ab. Religiös geprägte Menschen mit Familiensinn sind evolutionär eben im Vorteil.

    Aber den ganzen Technikkram finde ich schon etwas dekadent. Weiß Frau Gümüsay, dass in Handies Koltan verarbeitet wird, das von Zwangsarbeitern im Kongo unter schlimmen Bedingungen gefördert wird? So richtig korrekt finde ich das nicht, aber gut, sie und ihre Verwandten machen ja auch viele Flugreisen (Klimaschutz ist ja egal, das wird Allah schon richten).

  • T
    thomas

    Miefig, piefig, spießig.