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Die WahrheitBaibai, Pengyoumen (I)

Im Jahr des Drachen: Bevor nun diese Kolumnenreihe in zwei Wochen endgültig zu Ende geht und Ihnen an dieser Stelle keiner mehr ...

B evor nun diese Kolumnenreihe in zwei Wochen endgültig zu Ende geht und Ihnen an dieser Stelle keiner mehr die chinesische Welt erklären wird, will ich mich noch einmal einer letzten Mammutfrage zuwenden, die alle sogenannten China-Watcher umtreibt: Was soll bloß aus China werden?

Wenn man China-Supererklärer Helmut Schmidt glauben will, auf keinen Fall ein irgendwie demokratisches Gebilde. „Die Chinesen und die Leute in Singapur und eine Menge anderer Völker … sind bereit, die Industrialisierung [vom Westen] zu übernehmen, aber sie sind nicht bereit, die Demokratie zu übernehmen, und sie sind nicht bereit, die Menschenrechte zu übernehmen“, erzählte er neulich seinem alten Semi-Diktatorenkumpel Lee Kuan Yew. Denn diese Dinge seien, so Super-Schmidt an anderer Stelle, „der chinesischen Zivilisation bisher nicht inhärent“.

Das allerdings sind gewagte Thesen, denen die Realität im Wege steht. So stellte vor ein paar Wochen ein Kommentator in der chinesischen Global Times fest, dass junge Chinesen allerorten Dinge aus dem Westen übernähmen: „Der westliche Einfluss ist überall in China spürbar, von Hollywood-Filmen und Sitcoms über die Popularität der englischen Sprache bis hin zu Bluejeans.

privat
CHRISTIAN Y. SCHMIDT

ist Kolumnist der Wahrheit. Seine Geschichten sind auch als Buch erschienen.

Speziell junge Leute übernehmen schnell einen westlichen Lebensstil …“ Und diese Übernahmen bleiben nicht auf bloße Attitüden beschränkt. So will die neue Mittelklasse zusehends auch mitbestimmen, was im Land passiert. Das zeigte sich im vergangenen Jahr sehr deutlich, als im Juli in der Provinz Sichuan und im Oktober in der ostchinesischen Stadt Ningbo Massendemonstrationen zwei große Industrieprojekte stoppten, weil die Anwohner ihre Umwelt gefährdet sahen.

Es ist wohl eher so: Menschen, die in einer Konsumgesellschaft leben, die sich immer weniger von einer Konsumgesellschaft unterscheidet, wie sie sich im Gefolge des Kapitalismus zuerst im Westen entwickelt hat, entwickeln auch dieselben Bedürfnisse und Wünsche. Oder wie es ein anderer Supererklärer gesagt hat: Es ist das Sein, das das Bewusstsein bestimmt.

Wer aber glaubt, etwas sei einer Zivilisation oder Kultur „inhärent“, der kann nicht erklären, warum einst Affen von den Bäumen stiegen, um heute auf Smartphones „Angry Birds“ zu spielen. Immerhin hat Helmut Schmidt „bisher“ gesagt.

Ob allerdings das Ergebnis dieses Wunsches nach mehr Teilhabe an den Entscheidungen der Regierenden auch ein demokratisches System nach westlichem Vorbild sein wird, ist eine andere Frage. Schließlich wissen inzwischen nicht wenige Chinesen, dass auch im Westen Joe Sixpack, Juan Pérez und Maija Meikälainen nicht viel zu sagen haben. „Die [westliche] Demokratie“, so schrieb neulich ein anderer Kommentator der Global Times ganz richtig, „verspricht allen Menschen in der Welt die gleichen Rechte, doch das ist nur eine Illusion.“

Man sollte es also den Chinesen selbst überlassen, sich ihre Form der Demokratie zu erkämpfen. Es könnte ja sein, dass am Ende wir im Westen auch etwas davon haben.

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7 Kommentare

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  • B
    Besserwessi

    kommentar 1 verursacht Bauchschmerzen?

    Nee, so issie halt, so wurde sie real SOZIALISiert

  • C
    CYS

    @anke: Pengyou ist chinesisch und heisst Freundin bzw. Freund. Pengyoumen ist der Plural.

     

    Und Joe Sixpack, Juan Pérez und Maija Meikälainen sind die Geschwister von Otto Normalverbraucher in den USA, Spanien und Finnland.

  • JY
    John Yeh

    wie schade, daß die kolumne bald endet, ist nämlich ein echtes highlight. weiterhin viel glück und alles gute

  • PN
    Pengyoumen, nicht Peng-You.Man!

    Selbst wenn man nur oberflächliche Chinesischkenntnisse hat, verursacht der erste Kommentar in seiner schamlos vorgetragenen Ignoranz Bauchschmerzen. Nun gut, es tut mir sehr Leid, so herablassend herüberzukommen, und ich bitte, dies nicht als persönlichen Angriff zu werten, daher eine kurze Erklärung: der Titel der jetzigen Kolumne ist nun mal auf Chnesisch. In chinesischer Schrift würde da folgendes stehen "拜拜,朋友们!". Baibai brauche ich ja wohl nicht zu erklären. Pengyoumen 朋友们 bedeutet einfach "Freunde". Pengyou 朋友 ist der Freund, die Freundin, und das men 们 zeigt den Plural an. So einfach ist das.

  • B
    Besserwessi

    Ein supa duppa Artikel !

    Besserwessi ringt um besserwisserische Worte.

     

    “Es ist das Sein, das das Bewusstsein bestimmt.”

     

    Wie waer’s mit:“Es ist die Werbung, die das Bewusstsein bestimmt.”!?

     

    Ich sehe den Marlboro Mann schon durch die Wueste Gobi reiten!

     

    Eine Flage bitte:Was kommt eigentlich nach dem Lauswulf aus China?

  • D
    dieter

    Lieber Christian Y. Schmidt,

     

    "Bevor nun diese Kolumnenreihe in zwei Wochen endgültig zu Ende geht" oh nein, das kann nicht wahr sein!! In Zukunft gibt's also auch in der TAZ nur noch Berichterstattung von Journalisten die China vor allem mit eurozentristischen Blick betrachten, oder? Ein Jammer!

  • A
    anke

    Und wer ist nun der Peng-You-Man, Herr Schmidt? Ihr Namensvetter Helmut kann es nicht sein. Der hat zwar offenbar einen Knall (Peng), sonst würde er sich ja wohl kaum zu der seltsamen Behauptung versteigen, er könne die (nicht vorhandene) Bereitschaft ganzer Völker zur Demokratie erkennen - von Hamburg aus und durch den Qualm seiner Mentholzigaretten hindurch! Sie, Herr Schmidt, haben allerdings bisher nicht einmal den geringsten Grund zur Annahme gegeben, Sie wären wenigstens Waffennarr. Und außer Marx (der eine Zeit lang immerhin richtig reingehauen hat) sagt mir keiner der im Text namentlich Benannten etwas. An der Stelle, das muss der Neid ihnen lassen, scheinen mir die jungen Chinesen ja echt was voraus zu haben. Was also hat es auf sich mit dem Pengyouman? Zwei Kolumnen bleiben uns noch für eine Aufklärung, richtig? Ich hoffe sehr, Sie nutzen sie.