Kriegsverbrechen in Bangladesch: Kollaborateur zum Tode verurteilt
Ein Islamist soll im Unabhängigkeitskrieg von Bangladesch 1971 mit Pakistan kollaboriert und Kriegsverbrechen begangen haben. Nun wurde er zum Tode verurteilt.
BERLIN taz | In Bangladesch hat ein nationales Kriegsverbrecher-Tribunal am Montag einen muslimischen Gelehrten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord im Unabhängigkeitskrieg des Landes im Jahr 1971 zum Tode verurteilt. Wegen des großen Interesses an dem Urteil musste die Urteilsverkündung in einen größeren Saal verlegt werden, der ebenfalls schnell überfüllt war. Premierministerin Sheikh Hasina sprach von einem „besonderen Tag“ und dem „Beginn einer neuen Reise für die Nation“.
Das wegen mehrerer Skandale kontrovers diskutierte Tribunal befand Abul Kalam Azad, ein ehemaliges Mitglied der islamistischen Partei Jamaat-e-Islami, des Mordes und der Vergewaltigung von Männern und Frauen der Hindu-Minderheit schuldig. Außerdem sah das Tribunal es als erwiesen an, dass Azad einen Angriff auf ein Hindu-Dorf geleitet hatte, mit der Absicht „die Hindu-Gemeinschaft als Ganze oder zum Teil zu zerstören“. Es sprach ihn des Völkermords schuldig.
Von den acht Anklagepunkten wurde Azad von einem freigesprochen und in vier Punkten zum Tode verurteilt. Auf eine Haftstrafe in den drei weiteren Punkten verzichtete das Tribunal. Azad selbst war nicht anwesend, da er kurz vor seiner Festnahme nach Pakistan geflohen sein soll. Sollte er sich innerhalb eines Monats stellen, darf er das Urteil anfechten. Sein Pflichtverteidiger kündigte an, keine Revision zu beantragen.
Politisch motiviert?
Bangladesch wurde 1971 nach einem neunmonatigen Krieg von Pakistan unabhängig. Während des Krieges beging das pakistanische Militär gemeinsam mit bengalischen Kollaborateuren insbesondere gegen Hindus eine Vielzahl von Menschenrechtsverstößen, darunter Massaker an der Zivilbevölkerung, Vergewaltigungen, Entführungen und Folter.
Die Zahl der Opfer ist umstritten: Während die pakistanische Regierung von 26.000 zivilen Opfern spricht, gibt die bangladeschische Regierung die Zahl der Opfer mit drei Millionen an. Internationale Medien gehen von etwa einer halben Million Toten aus. Azad war damals teil einer Miliz von Kollaborateuren, die insbesondere gegen Hindus und Unterstützer der bengalischen Nationalisten vorging.
Die jetzige Regierungspartei Awami League, die von der Tochter des Staatsgründers Sheikh Mujibur Rahman angeführt wird, hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, Kollaborateure und Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Mehrere Politiker der islamistischen Partei Jamaat-e-Islami, die sich 1971 gegen die Unabhängigkeit ausgesprochen hatte, sind angeklagt, sowie zwei Politiker der zweiten großen Volkspartei des Landes, BNP. Beide Parteien bezeichnen die Prozesse als politisch motiviert, was von der Regierung dementiert wird.
Mehrere Skandale
Das Kriegsverbrecher-Tribunal in Bangladesch ist eines der ersten seiner Art, das ohne Unterstützung der UN aufgestellt wurde. Prozessbeobachter gehen davon aus, dass hier ein wichtiger Präzedenzfall geschaffen werden könnte – wenn der Prozess internationalen Standards genügt.
Genau das wurde aber in mehreren Skandalen in den vergangenen Monaten in Zweifel gezogen. So berichtete die Verteidigung in einem weiteren Fall davon, dass einer ihrer Zeugen vor den Toren des Gerichts entführt wurde. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte, dass die Regierung nichts getan habe, um die Entführung aufzuklären.
Im Dezember trat der Vorsitzende eines zweiten Tribunals zurück, nachdem das Magazin The Economist berichtete, dass es im Besitz von Skype-Gesprächen und E-Mail-Korrespondenz war, die der Mann mit einem bengalischen Rechtsexperten in Belgien geführt hatte. Die Korrespondenz werfe wichtige Fragen über die Durchführung der Prozesse auf.
Klage-Drohung gegen Journalisten
Teile der Gespräche wurden in einer bengalischen Zeitung als Transkript und in Youtube-Videos veröffentlicht, deren Echtheit nicht dementiert wurde. Darin sprechen die Männer darüber, dass die Regierung schon im Dezember 2012 eine erste Verurteilung gefordert hatte, aber das Urteil „nicht nur im Sinne der Menschen von Bangladesch“ formuliert werden könne, sondern auch „internationalen Standards entsprechen müsse“ und deshalb mehr Zeit brauche.
Dem Chefredakteur der Zeitung, die die Transkripte der Gespräche veröffentlichte, wurde //www.amnesty.org/en/news/bangladesh-journalist-faces-sedition-charges-2013-01-08:mit einer Anklage wegen Aufwiegelung gedroht und das Tribunal verbot die Berichterstattung über die Inhalte der Korrespondenz.
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