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SCHULE"Die Beamten müssten entamtet werden"

Den Kampf angestellter Lehrer um gleiche Bezahlung unterstützt Schulleiter Pit Rulff. Dass mehr Geld die Qualität der Arbeit verbessert, hält er nicht für ausgemacht. Die Ungleichbehandlung müsse dennoch aufhören - schon damit der Beruf attraktiv bleibt.

Mit einem zweistündigen Warnstreik unterstrich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vergangene Woche ihre Forderung, angestellte Lehrer genauso zu bezahlen wie ihre verbeamteten Kollegen. Bild: DPA
Interview von Susanne Memarnia

taz: Herr Rulff, Sie leiten das Oberstufenzentrum Druck- und Medientechnik in Wittenau. Wie sieht das Verhältnis von Angestellten und Beamten an Ihrer Schule aus?

Pit Rulff: An meiner Schule arbeiten 80 Beschäftigte, davon 70 Lehrkräfte. 60 Prozent sind Angestellte, 40 Prozent Beamte. Das liegt zum einen daran, dass wir ganz viele „Quereinsteiger“ haben, die aus der Wirtschaft kommen und nicht auf Lehramt studiert haben. Sie sind sehr qualifiziert, erfüllen aber in der Regel nicht die Kriterien für eine Verbeamtung. Zum anderen sind über 30 Lehrkräfte erst nach 2003 eingestellt worden.

Wie groß sind denn die Gehaltsunterschiede zwischen Beamten und Angestellten?

Ich möchte da vorwegschicken, dass ich das ganze Problem aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler sehe. Denen ist es völlig egal, ob da ein Angestellter oder Beamter vor ihnen steht – Hauptsache, es kommt was rüber für den Unterricht und sie lernen was. Und meine Lehrer machen alle guten Unterricht, egal welche Voraussetzungen sie haben. Ich habe nämlich Tarifgruppen vom einfachen Gesellen bis hin zum Oberstudiendirektor. Darum ist es an dieser Schule auch nur das Problem einer Minderheit, ob jemand Beamter ist oder Angestellter. In Deutschland erfolgt die Bezahlung und tarifliche Eingruppierung im öffentlichen Dienst nicht nach der erbrachten Leistung, sondern nach dem Schein in der Tasche. Somit werden ähnliche Tätigkeiten unterschiedlich bezahlt.

Von außen betrachtet kann man den Eindruck haben, die Lehrer jammerten auf hohem Niveau. Ist da nicht was dran?

Das ist eine Frage des Vergleichsmaßstabs. Lehrkräfte bekommen kein schlechtes Gehalt, aber es ist auch ein Beruf, für den man lange ausgebildet worden ist. In der Regel kann man nicht anfangen, bevor man 27 bis 29 ist.

Der Beamten-Streit

Im Jahr 2003 stellte der Senat die Verbeamtung von Lehrern ein. Seitdem kämpfen die angestellten Pädagogen um Gleichstellung mit ihren Beamten-Kollegen.

Etliche nahmen bislang den Umweg über andere Länder: ein Jahr Lehrer in Brandenburg - Verbeamtung - Rückkehr nach Berlin als Beamter. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will die "Drehtür-Verbeamtung" nun stoppen. (sug)

Sagen Sie doch mal konkret: Was ist das Allerniedrigste, was ein Lehrer in Ihrer Schule verdient?

Wir haben einen Laborpraktiker, der bekommt 2.100 brutto. Er hält die Computernetzwerke und die Labore in Schuss und arbeitet 40 Stunden.

Pit Rulff

62, ist Leiter des Oberstufenzentrums (OSZ) Druck- und Medientechnik und Vorsitzender der Vereinigung der Berufsschulen.

Also unterrichtet er nicht, sondern ist eine Art moderner Hausmeister. Dann ist er auch kein Lehrer, oder?

Ein Lehrer für Fachpraxis gibt 32 Unterrichtsstunden und erhält als Einstiegsgehalt auch 2.100 Euro. Die heute neu eingestellten Studienräte verdienen 4.400 Euro brutto – inklusive der Zulage nach Erfahrungsstufe 5, die der Senat auf Druck der KollegInnen und der GEW zugestanden hat. Ich unterstütze die Forderung der jungen Kollegen, die sagen: Diese Zulage muss jetzt in einem Tarifvertrag festgeschrieben werden, das kann nicht nur aus Gnade bezahlt werden. Unter anderem darum geht jetzt die Auseinandersetzung.

Und wie viel verdient ein Beamter im Vergleich?

Sollte Berlin wieder verbeamten, dann ist hier das Startgehalt 3.192,90 Euro. Pro Kind gibt es einen Zuschlag von ca. 95 Euro

Geht es denn bei diesem Konflikt nur um Geld?

Es geht um die Anerkennung für qualifizierte Arbeit. Die Verantwortung für die Förderung junger Menschen ist hoch. Da muss die Eingruppierung dem entsprechen, was in anderen Bereichen gezahlt wird. Trotzdem wäre mir lieber, die jungen Kollegen würden fordern, ihre Arbeitszeit zu verringern und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Mit zwei, drei Unterrichtsstunden weniger könnte die Unterrichtsqualität steigen. Über eine höhere Bezahlung nicht automatisch.

Gibt es eigentlich Unterschiede, wie sich Angestellte und Beamte verhalten?

Im Unterricht nicht. Nur im Krankheitsfall, wo die meisten Angestellten nach sechs Wochen wieder auf den Beinen stehen wollen. Das Krankengeld ist danach doch deutlich geringer als das Gehalt. Bei Beamten gibt es das schon hin und wieder, dass einer länger als ein Jahr ausfällt. Er kriegt weiter das volle Gehalt.

Jetzt hat die Bildungssenatorin sich vorgenommen, die sogenannte Drehtürverbeamtung zu verbieten. Eine gute Idee?

Das vermindert schon die Attraktivität dieser Verbeamtung durch die Hintertür. Wenn ich als Berliner hierbleiben möchte, konnte ich bisher sagen: Ich gehe mal ein Jahr nach Hamburg und komme dann als Beamter zurück. Wenn ich nun fünf Jahre wegbleiben muss, wird das den einen oder die andere zum Umdenken bringen und er oder sie bleibt in Berlin. Ist ja auch eine spannende und lebendige Stadt.

Aber die Ungerechtigkeit heute löst dieser Vorschlag nicht.

Da fallen mir ganz andere Ungerechtigkeiten ein. Der Vorschlag hilft schon. Letztes Jahr bekam ein Lehrer aus Hessen, der seinen Beamtenstatus mitbringen konnte, 400 Euro mehr als die hiesigen Beamten, wegen der Differenz zwischen den dortigen und den hiesigen Gehältern. Das soll mit der neuen Verordnung auch abgeschafft werden.

Fragt sich, ob die SPD das durchbekommt unter Rot-Schwarz.

Das mag sein, weil die CDU immer noch am Beamtenstatus hängt. Aber das ändert nichts an der Problemlage: Der Lehrerberuf muss attraktiv bleiben, und die Freude der Berufsanfänger muss so groß sein, dass andere Sachen hintenanstehen.

Was schlagen Sie vor?

Man muss diese Ungerechtigkeiten beseitigen. Das heißt nicht, dass man alle verbeamtet. Im Gegenteil: man könnte entamten.

Entamten?

Von mir aus sofort, auch wenn ich mir mit diesem Vorschlag bei meinen Kollegen keine Freunde mache. Die folgenden Generationen werden es zu würdigen wissen. Berlin hat 2003 beschlossen, nicht mehr zu verbeamten, weil man das Problem der steigenden Pensionslasten nicht mehr stemmen oder der nächsten Generation auflasten kann. Unsere Generation muss das heute lösen. Darum stelle ich diese radikale Forderung auf. Alle müssen sich daran beteiligen, nicht nur die jungen Lehrer. Die heutigen Beamten müssten entamtet werden. Sie sollen weiter dasselbe Geld kriegen, aber ansonsten gelten auch für sie die Regularien von Angestellten.

Sind Sie Beamter?

Ja, für mich gilt diese Forderung auch. Aber weil das politisch und verfassungsrechtlich schwer gehen wird, sollten die jungen Lehrer wenigstens spüren, dass sie finanziell genauso gewertschätzt sind wie die alten. Darüber hinaus könnte man zum Beispiel die Jungen, wenn sie im Beruf anfangen, bei der Unterrichtsstundenzahl entlasten, genauso wie die Alten, eine Reihe von Jahren, bevor sie aufhören. Da sind andere Bundesländer auch attraktiver.

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8 Kommentare

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  • R
    Rudolf

    Entbeamten?

    "...Weil das politisch und verfassungsrechtlich schwer gehen wird..." - Verfassungsrechtlich geht das "Entbeamten" überhaupt nicht. Ist Pit Rulff vielleicht ein Verfassungsfeind? DANN könnte man ihn tatsächlich "entbeamten". Allerdings würde er dann nicht "wie ein Angestellter" bezahlt, sondern überhaupt nicht mehr.

  • L
    Lehrer

    Es gibt ganz klar schöne Momente in der Schule, aber bei allem Idealismus: Machen wir uns nichts vor, der Lehrerjob ist ein typischer Verschleiß- und Burnout-Job.

    Jeder ist zur Schule gegangen, mag sein; wer aber nicht Lehrer ist, kann sich nicht vorstellen, was da an Arbeit, Frust, Papierkram, Ärger, Stress und ozeantiefer Erschöpfung dranhängt.

    Aber die Verbeamtung stellt trotz allem noch einigermaßen einen Anreiz für die Leute mit gutem Studienabschluss dar Lehrer zu werden (Es wird ja nur eingestellt, wer gute Noten hat!). Für mäßigeres Angestelltengehalt kriegt man nicht mehr unbedingt die Besten, daran schon mal gedacht? Gerade in naturwissenschaftlichen "Mangelfächern" hat man schon heute nicht immer genug Leute.

    Außerdem: Klar gibt es ein paar wenige faule Dödel, aber gibt es die unter Angestellten woanders wohl nicht? Die sind nach 20Jahren oder so doch auch kaum mehr zu kündigen, oder?!

    "Billiglehrer", die vielleicht nur bleiben, bis sie was Besseres kriegen, und Arbeitkämpfe (Beamte haben Streikverbot!)- wollen wir das?

  • J
    jonas

    die frage is doch, ob ich als junglehrer in berlin arbeiten sollte.

     

    kaputte sozialstruktur in vielen kiezen. höhere stundenzahl als in vielen anderen bundesländern. marode schulgebäude. kein geld für lernmaterialien. unausgebildete rektorInnen, die autoktratisch tun, was sie wollen.

     

    Es geht nicht nur ums geld.

     

    Und das für ne "spannende und lebendige Stadt"? Von der ich wenig mitbekomme, weil ich als berufsanfänger viel zu tun habe?

  • GB
    Grete B.

    Zynismus und Dreistigkeit, damit kommt man weiter.

    Somit wäre ein Schulleiter, der per se als ehrenhafte Person gelten sollte unter seinesgleichen, den Gierigen, die anderen predigen, den Gürtel enger zu schnallen.

    Das kennen wir auch aus der Wirtschaft, Ackermann lässt grüßen. Irgendwie peinlich für das Berliner Schulwesen!

  • TL
    Tim Leuther

    In meiner Schulzeit hab ich so viele faule Lehrer getroffen. Ich glaube die Beamtung ist der Grund dafür. Da es keinen richtigen Grund gibt Sie zu verbeamten, wie bei Polizisten oder Entscheidungsträgern in der Verwaltung, sollte man es nicht tun.

     

    @Rulff lügt!

     

    Er will Wasser für alle, weil nur dann es was bringt fr den Haushalt und für die Stimmung unter den jungen Lehrern

  • RL
    Rulff lügt!

    Es gibt - anders als Herr Rulff wider bessseres Wissen hier daherschwindelt - nicht das geringste rechtliche Hindernis, das ihn daran hindert, sich noch heute hinzusetzen und um seine Entlassung als Beamter zu ersuchen und zwar bei gleichzeitiger Übernahme in ein Arbeitsverhältnis nach Maßgabe der einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen.

     

    Rulff könnte spätestens am 1. März seinen Job als Arbeitnehmer wahrnehmen, satt als Beamter - wenn er denn wollte.

     

    Natürlich wird er sich hüten, seinen gesetzlich geschützten Anspruch auf Wein auf Lebenszeit aufzugeben und das Wasser, das er anderen predigt, selber zu trinken.

  • H
    hmmm

    Sehr guter Bericht. Endlich mal werden die Beamtenprivilegien zum Thema.

    Nur sollte man auch darauf hinweisen, dass brutto/netto für Beamte und Angestellte etwas ganz anderes bedeutet.

    Beamte zahlen keine Sozialabgaben.

    Kennen keine drohende Arbeitslosigkeit, sind oft Privatpatient, bekommen im Schnitt über 200 % mehr Altersruhegeld......

    SPD sollte mal klar sagen das sie gegen diese Privilegien sind und bekommen dadurch allein schon 10 % mehr Stimmen.

  • HL
    Heike Lindenborn

    Kinder zu unterrichten macht Freude. Da aber ein Großteil der Schüler/innen ohnehin jetzt schon weiß, daß er/sie entweder auf die Arbeitslosigkeit bezw. auf angeblich minderwertige Jobs zusteuert, wird es immer schwerer, sie zu motivieren. Dieses Problem halte ich für weitaus gravierender!