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Niedersachsen-DerbyTriumph des Schwächeren

Die Fußballer von Hannover 96 besiegen deutlich überlegene Wolfsburger mit 2:1. Denen hat der jüngste Trainerwechsel zwar Stabilität gebracht - aber die nötige Sicherheit vor dem Tor fehlt noch.

Hart umkämpftes Derby: Der Wolfsburger Alexander Madlung im Kopfballduell mit den Hannoveranern Johan Djourou und Ron-Robert Zieler.

HANNOVER taz | Die Zettel mit den vielen Daten und Fakten, die kurz nach dem Abpfiff im Kellergeschoss des Stadions verteilt wurden, fanden reißenden Absatz. Alle Beteiligten, die das etwas verrückte Niedersachsenderby der Fußball-Bundesliga gerade mitgestaltet hatten, suchten nach einer Erklärung. Mit 2:1 (2:0) und ganz viel Glück hatte Hannover 96 den VfL Wolfsburg bezwungen.

„Wenn man so kämpft wie wir, dann hat man sich auch drei Punkte verdient“, fand 96-Profi Jan Schlaudraff, gab aber auch zu, dass der Heimsieg für sein Team sehr schmeichelhaft war. Trotz einer drückenden und ab der 34. Minute (Rote Karte für Sebastien Pocognoli) auch nummerischen Überlegenheit hatten es die Wolfsburger nicht verstanden, sich für ihren starken Auftritt zu belohnen.

25 Torschüsse hatten die Spieler des VfL Wolfsburg abgegeben – Hannover 96 brachte es auf ganze vier Torschüsse, von denen zwei den Weg ins Ziel fanden. Nach einem naiven Zögern des Wolfsburger Verteidigers Simon Kjaer hatte sich Hannovers Angreifer Mohammed Abdellaoue den Ball geschnappt und schon in der 3. Spielminute das 1:0 erzielt.

Auch das merkwürdige 2:0 (38.) von Mame Diouf, der seinen mit der Schulter erzielten Treffer per Kopfball an den Pfosten eingeleitet hatte, war von erheblicher Situationskomik begleitet.

Angesichts dieser entscheidenden Tore, denen die Wolfsburger nur das 1:2 (46.) des eingewechselten Alexander Madlung entgegenzusetzen hatten, war einem Mann die Rückkehr an seinen früheren Arbeitsplatz gründlich verdorben worden. „Wir sind an der brutalen Effizienz des Gegners gescheitert“, sagte der neue Wolfsburger Trainer Dieter Hecking, der im August 2009 in Hannover entlassen worden war und über den 1. FC Nürnberg den Weg zurück nach Niedersachsen gefunden hat.

Der Verdacht, dass die schlechtere Mannschaft leidenschaftlicher gespielt und deshalb gewonnen haben könnte, hatte wohl auch mit einem folgenschweren Zweikampf in der ersten Halbzeit zu tun.

Die Verantwortlichen von Hannover 96 waren vor dem Spiel noch mächtig stolz, mit dem Linksverteidiger Pocognoli einen frechen und cleveren Mann von Standard Lüttich gekauft zu haben. Die Spieler von Hannover 96 wussten nach dem Startelf-Debüt des kleinen Belgiers, dass er ihnen vorerst nicht helfen kann. Mit einer Mischung aus Kopfballversuch und Kung-Fu-Tritt hatte Pocognoli den Wolfsburger Fagner gestoppt. Die dafür fällige Rote Karte verdarb ihm den Einstand gründlich.

Die darauf folgende Unterzahl aber weckte im Team des Gastgebers einen besonderen Ehrgeiz. „2:0 führen und das in Unterzahl – wir haben das als Herausforderung gesehen, die Spaß macht“, sagte 96-Trainer Mirko Slomka.

Im Kreis jener Hauptdarsteller, die geschlagen und ratlos die Heimreise antreten mussten, schlug vor allem Wolfsburgs neuer Geschäftsführer Klaus Allofs sehr leise Töne an. „Eine Mannschaft, die vollkommen überlegen war, hat hier heute keinen Punkt geholt“, flüsterte Allofs, dessen neuer Arbeitgeber den derzeit schlechtesten Nordklub in der Bundesliga finanziert.

Allofs hatte mit seiner Einschätzung recht, dass sich das VfL-Team unter der Regie von Hecking zwar stabilisiert, aber noch nicht die nötige Sicherheit gefunden hat. Vor dem Tor des Gegners, das in diesem Fall 96-Schlussmann Ron-Robert Zieler mit viel Glück und Geschick gehütet hatte, treffen die Wolfsburger meistens die falsche Entscheidung.

Und weil der erneut überragende Diego ihnen nicht mit einem seiner Geniestreiche aushelfen konnte, hatte mit Hannover 96 die schlechtere Mannschaft das bessere Ende für sich.

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