Kommentar Gipfel in Chile: Merkels Mantra
Die eher linksliberalen Regierungen in Lateinamerika stehen unter Druck – wegen des neokoloniale Gebarens der EU, allen voran Deutschlands.
Auf Augenhöhe“ wolle man Lateinamerika begegnen, versichert Angela Merkel. In der Tat: Die Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Partnerschaft waren noch nie so günstig wie heute. Doch dazu kommt es nicht – wegen Europa. So bekräftigte die Kanzlerin beim Gipfeltreffen zwischen der EU und der Lateinamerika-Karibik-Gemeinschaft Celac in Chile vor allem das Mantra von mehr Wettbewerbsfähigkeit durch Schulden-, sprich: Sozialabbau.
Im Gegensatz zur EU mit ihrer hausgemachten Dauerkrise setzt das vorwiegend Mitte-links-regierte Südamerika auf sozialen Ausgleich. Rohstoffeinkünfte füllen die Kassen, doch die Volkswirtschaften wachsen auch dank gezielt gestärkter Binnennachfrage. Brasiliens Präsidentin Rousseff kritisiert Merkels Austeritätspolitik immer wieder, selbst Chiles rechtsliberaler Präsident Piñera fordert nun eine Beziehung mit „weniger Abhängigkeit und mehr Symmetrie“.
Besonders deutlich wird der neokoloniale Konsens der tonangebenden EU-Politiker- und Technokratenkaste in der Handelspolitik. Fast unter Dach und Fach sind die Freihandelsabkommen mit den schwächeren Partnern Peru und Kolumbien oder in Zentralamerika.
leitet das Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in São Paulo.
Ihnen wurden Vorzugsbedingungen für EU-Multis aufgedrängt und dabei die Bemühungen konterkariert, die Finanzmärkte stärker zu kontrollieren. Brasilien, Argentinien, Venezuela und Bolivien weisen hingegen die EU-Forderungen nach einseitiger Marktöffnung selbstbewusst zurück.
Dem Stillstand auf Regierungsebene setzten in Santiago um die 400 Basisgruppen eine zukunftsweisende Agenda entgegen, für eine Agrarwende und gegen die umweltzerstörerische EU-Rohstoff-Offensive. Merkels Europa sieht dagegen ziemlich alt aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands