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Polizei bei „Augsburger Allgemeinen“Der Beschluss ist rechtlich fragwürdig

Es ist fraglich, ob im Fall der Beschlagnahme bei der „Augsburger Allgemeinen“ eine Straftat vorliegt. Sie war daher nicht verhältnismäßig.

Der Beschluss zur Durchsuchung hätte erst gar nicht von der Staatsanwaltschaft ausgestellt werden dürfen. Bild: Ulrich Wagner/Augsburger Allgemeine/dapd

FREIBURG taz | Der Beschlagnahmebeschluss des Augsburger Amtsgerichts ist rechtlich in mehrfacher Hinsicht fragwürdig. Zunächst ist schon fraglich, ob überhaupt eine Straftat vorliegt. Zwar hat der anonyme Foren-User den Augsburger Ordnungsreferenten der „Rechtsbeugung“ bezichtigt. Als Beleidigung könnte dies aber allenfalls dann strafbar sein, wenn es sich um eine Tatsachenbehauptung handelte.

Das ist aber abwegig: Ein Beamter gehört nicht zur Justiz und kann daher laut Strafgesetzbuch gar keine Rechtsbeugung begehen.

Der Vorwurf der Rechtsbeugung war also eher ein grobes Werturteil und damit von der Meinungsfreiheit geschützt. Ohne Straftat bestand aber schon gar kein Grund für eine Durchsuchung.

Selbst wenn man die Äußerung als Beleidigung klassifiziert, so ist zweifelhaft, ob die Beschlagnahme der User-Daten rechtmäßig war. Denn die Strafprozessordnung enthält ein Beschlagnahmeverbot für redaktionelle Unterlagen. Dazu dürften auch Daten wie die Registrierung in einem Online-Forum der Zeitung gehören.

Beschlagnahme-Verbot missachtet

Eine Ausnahme vom Beschlagnahme-Verbot der Zeitung besteht nur, wenn Journalisten selbst an der Tat (also der Beleidigung) beteiligt waren. Das dürfte bei der – wohl automatischen – Veröffentlichung eines Online-Kommentars fernliegen.

Und selbst wenn die Polizei gegen die Zeitung ermittelt, so ist die Beschlagnahme von redaktionellem Material laut Strafprozessordnung auch dann nur ausnahmsweise möglich.

Zum einen muss die Beschlagnahme die einzige Möglichkeit sein, den Sachverhalt aufzuklären; das kann man wohl annehmen. Zum anderen muss die Polizeiaktion aber mit Blick auf das Rechtsgut der Pressefreiheit verhältnismäßig sein. Daran ist nun wirklich sehr zu zweifeln.

Unverhältnismäßig und rechtswidrig

Die Durchsuchung und Beschlagnahme war dann also unverhältnismäßig und rechtswidrig.

Gegen den Durchsuchungsbeschluss kann die Augsburger Allgemeine auch nachträglich Rechtsschutz verlangen. Wegen der erlittenen Stigmatisierung und des Eingriffs in Grundrechte besteht hier ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Augsburger Beamte hat schon früher Klarnamen von Online-Usern verlangt, daher besteht Wiederholungsgefahr.

Wenn die Zeitung vor den bayerischen Gerichten mit ihrer Klage keinen Erfolg hat, könnte sie notfalls mit einer Verfassungsbeschwerde auch das Bundesverfassungsgericht einschalten.

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9 Kommentare

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  • MH
    Marco Hoffmann

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    allerdings nur wenn sie "eine ihrem Wesen nach richterliche Tätigkeit ausüben" ( BGHSt 34 , 146) , also nicht nur Verwaltungsrecht anwenden.

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    ( 02. 02. 2013 02: 41 UHR von Christian Rath)

     

    Als juristischem Laien erschließt sich mir nicht, warum die Anwendung von Verwaltungsrecht nicht dem Wesen nach eine richterliche Tätigkeit ist, bei der Rechtsvorschriften aus Gesetzen auf Einzelfälle angewandt werden, zumal die Rechtswirksamkeit (?) der verwaltungsrechtlichen Beurteilung doch z.B. im Falle der Leistungsabteilung der Arge de facto Dienstbefehlen für das Finanzamt und dem pfändenden Hauptzollamt gleichkommt und "echte" Herichtsverfahen zur Sache keine "aufschiebende Wirkung" haben - das Prinzip der einstweiligen Erschießung.

     

    Ich dachte immer, Rechtsbeugung sei Rechtsmissbrauch, also Anwendung entgegen des Willens des Gesetzgebers, wobei dieser sich aus der Zusammenschau mit anderen geltenden Gesetzen, deren historischer Entwicklung auch in extranationalem Kontext (z.B. punitivitätsvorstellungen) und zur Erkenntnis hierzu auch der Protokolle und Drucksachen der Bundestagslesungen zusammensetzt, also keinesfalls mt einer bundesratsmehrheit verwechselt werden darf.

  • CR
    Christian Rath

    Der Satz "Ein Beamter gehört nicht zur Justiz und kann daher laut Strafgesetzbuch gar keine Rechtsbeugung begehen" ist zurecht kritisiert werden. Laut  339 StGB können auch Amtsträger eine Rechtsbeugung begehen - allerdings nur wenn sie "eine ihrem Wesen nach richterliche Tätigkeit ausüben" (BGHSt 34,146), also nicht nur Verwaltungsrecht anwenden. Insofern dürfte bei Ordnungsreferent Ullrich wohl tatsächlich keine Rechtsbeugung im Sinne des StGB in Frage kommen.

     

    Eine Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft Augsburg ergab, dass sie das Online-Forum der Augsburger Allgemeinen für "ein Forum wie jedes andere auch" hält. Die dortigen Beiträge stünden nicht unter dem Schutz der Pressefreiheit. Das halte ich für zweifelhaft, denn dort diskutieren Leser einer Zeitung über Artikel einer Zeitung. Außerdem sind die Nutzerdaten im Verlagsgebäude gespeichert und wurden dann auch im Verlagsgebäude beschlagnahmt. Hätte die Zeitung sie nicht - unter Protest - freiwillig herausgegeben, hätte das Verlagsgebäude durchsucht werden müssen.

  • A
    Andrea

    Das was hier der Richter und auch die Staatsanwaltschaft getan haben, nennt man schlicht und einfach Korruption. Denn in der Mainpost steht im aktuellen Artikel:

     

    http://www.mainpost.de/ueberregional/politik/zeitgeschehen/-Redaktion-sollte-widersprechen;art16698,7272198

     

    nun sogar der offizielle Kommentar des Users drin und dieser ist sogar nach Auffassung vom Presserechtler Herrn Weberling absolut von der Meinungsfreiheit gedeckt und sogar sachlich zutreffend!! Und um ehrlich zu sein: ich schließe mich der Meinung von Herrn Weberling und dieses Users an, den es hier getroffen hat!!

     

    Und mit dieser versuchten Zensur dieses Beitrages hat sich dieser Ordnungsdezernent Herr Ullrich verraten!! Und laut dem gestrigen Bericht der Mainpost und laut dem Bericht hier soll dass ja nicht das erste Mal gewesen sein, dass dieser Ordnungsdezernent so etwas versucht hat.

     

    Und auch nach den weiteren Ausführungen von Herrn Weberling glaube ich: entweder war dieser Richter, der diesen Beschlus erlassen hat, ein blutiger Berufsanfänger oder aber er hat bewusst unser Grundgesetz Artikel 5 GG (Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit) und sogar unser Bundesdatenschutzgesetz gebrochen.

     

    Wenn dem so wäre, dann wäre es so, dass Ullrich entweder sowohl die Polizei als auch die Justiz korrumpiert und zu seinem Werkzeug gemacht hätte oder aber dieser Ordnungsdezernent wurde angestiftet zu dieser Tat. Beides ist strafbar!!

     

    Die Korruption würde wegen der §§ 332 und 334 StGB

     

    http://dejure.org/gesetze/StGB/332.html (Bestechlichkeit passiv)

     

    http://dejure.org/gesetze/StGB/334.html (Bestechung aktiv)

     

    für beide Seiten im Gefängnis enden. Denn beide Versionen sind mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren bewehrt! Und dem eventuellen Anstifter von diesem Ordnungsdezernenten Ullrich würde über § 26 StGB (der Anstifter wird gleich einem Täter bestraft)

     

    http://dejure.org/gesetze/StGB/26.html

     

    in Verbindung mit § 334 StGB das Gleiche blühen.

     

    Tja und damit muss nun dieser Ordnungsdezernent sofort abtreten. Denn er ist Wiederholungstäter und überführt!! Abführen!!

  • FJ
    Frank Jermann

    Es handelt sich um einen sicherlich interessanten Fall, den ich aber nicht annähernd so eindeutig sehe, wie Christian Rath.

     

    Ob der Vorwurf der „Rechtsbeugung“ nun eine Beleidigung ist oder nicht, sei ebenso dahingestellt wie die Meinung, dass ein Ordnungsreferent kein Recht spricht. Im engeren Sinne macht er das natürlich nicht (so wie beispielsweise ein Richter) — jedoch wendet er Rechtsvorschriften an, die er dann wohl auch beugen kann.

     

    Eindeutig falsch ist Christian Raths Aussage, dass ein Beamter nicht zur Justiz gehört und daher laut Strafgesetzbuch gar keine Rechtsbeugung begehen könne.

     

    Zudem: Fällt der Betrieb eines öffentlichen Internet-Forums unter das Presserecht, nur weil ein Verlag dieses Forum betreibt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mütter und Väter der Pressefreiheit das im Sinne hatten.

     

    Festzuhalten bleibt, dass die Kultur der anonymen Rabauken im Internet weiterhin weit verbreitet ist und manch ein Internetbenutzer damit nicht so umgeht, wie ich es mir wünsche: gelassen und verhältnismässig.

     

    Wie anders will man sonst vernünftig auf all den Unsinn reagieren, dem man bei der Nutzung dieses Mediums ausgesetzt ist, Herr Ulrich? Ich bin froh dass Sie nicht mein „Ordnungsreferent“ sind.

     

    -Frank

  • DK
    Don Krypton

    Moin.

     

    Gehen wir mal davon aus, dass tatsächlich eine Straftat vorliegt (was hier zweifelhaft ist, aber bitte...), kommt man selbstverständlich irgendwann in die Verhältnismäßigkeitsprüfung.

     

    Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit scheitert schon viel früher, als hier dargestellt - nämlich bei der Geeignetheit. Hier wird geprüft, ob die Maßnahme dem gewünschten Ziel dienlich ist.

     

    Man könnte natürlich anhand des in der Diskussion genutzten Namens versuchen, den tatsächlichen Nutzer zu identifizieren. Aber da jeder Nutzer sich einen willkürlichen Alibinamen zulegen kann, dürfte dieser Versuch scheitern - ein einfaches "Nein, das war ich nicht, da hat jemand meinen Namen genutzt!" würde reichen.

     

    Bliebe noch die Möglichkeit, den User anhand seiner IP-Adresse identifizieren zu wollen. Wenn ich mich recht entsinne, fand die Diskussion im Oktober statt. Also liegen auf den Servern des Providers keine Daten mehr vor, die auf die IP des Nutzers hinweisen. Selbst, wenn diese Daten noch vorlägen, reicht es aus, wenn mehrere Personen Zugriff auf diesen Rechner haben.

     

    Demnach wäre die Durchsuchung nicht geeignet und die Maßnahme damit rechtswidrig gewesen. Ich kann nicht nachvollziehen, wie eine Richterin einen solch hanebüchenen Durchsuchungsbeschluss erlassen und damit die Polizei mit überflüssiger Arbeit belasten konnte. Und mich würde mal interessieren, ob das auch so geschehen wäre, wenn ich als normaler Bürger so beleidigt worden wäre.

  • M
    Mikki

    Ich teile die Meinung des Autors uneingeschränkt, nur eine Korrektur: Täter einer Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB können nicht nur Angehörige der Justiz sein, sondern u.a. auch Beamte, nämlich "Amtsträger" im Sinne dieser Vorschrift.

  • K
    komtator

    Warum spricht bei dieser Wahl "der Mittel" eigentlich keiner von Staatsterror.

    - oder sollen wir erst darüber sprechen, wenn wieder menschen in Viehwagons gepfercht werden?

     

    Das ist eine Ausdruck von Staatsterror - der nirgendwo verfolgt wird -

    bestenfalls "das Vorgehen" wird verfolgt -

    führt dann __vielleicht__ zu dem Urteil, "das Vorgehen war rechtswidrig" -

    und das war es -

    Diese Bayrische Behörde ist staatlich abgesegneter Terrror!

  • CT
    CSU total

    Lächerlich, dieses linke Gezeter!

    In Nord-Korea beschwert sich doch auch keiner über sowas.

     

    gez.

    Dr. csu. See Hofa

  • K
    k.xx.y

    Chinese Democracy.