taz-Initiative Hochschulwatch: Der Fresenius-Medical-Care-Hörsaal
Seit einer Woche ist hochschulwatch.de online. Die ersten Ergebnisse zeigen: Nicht nur Aldi-Süd nutzt die Uni als Werbefläche.
BERLIN taz | Vor drei Jahren geriet die Fachhochschule Würzburg in die Schlagzeilen, weil sie den Raum Z 09 umtaufte in „Aldi-Süd-Hörsaal“. Der Discount-Riese hatte im Gegenzug Geld für die Renovierung bereitgestellt.
Ein erster Blick auf die Einträge im neuen Internetportal hochschulwatch.de, das die taz gemeinsam mit der Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland und dem studentischen Dachverband fzs vor einer Woche startete, zeigt: Hörsaal-Sponsoring ist an deutschen Hochschulen ein verbreitetes Phänomen. Allein an der FH Würzburg gibt es neben dem Aldi-Hörsaal einen Sparkasse- und einen Fresenius-Medical-Care-Hörsaal sowie eine „Warema Renkhoff Aula“.
Andere Hochschulen haben nachgezogen. Besonders eifrig ist etwa die Uni Mannheim, die es auf 21 umbenannte Hörsäle bringt. Dort engagierte sich vor einigen Jahren etwa die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers mit 300.000 Euro an der Sanierung des Hauptgebäudes. Im Gegenzug erhielt das Unternehmen die Namensrechte am ehemaligen Hörsaal M003.
Für Hörsaal O135 haben 43 Unternehmen, darunter die Deutsche Bank, Bilfinger Berger und die Lufthansa, 100.000 Euro gegeben. Die Uni bedankte sich – und taufte den Raum vollkommen ironiefrei um in „Saal der starken Marken“. Erst im Herbst verkaufte die Uni Augsburg die Namensrechte zweier Hörsäle – an eine Kanzlei und ein Logistikunternehmen.
Neben Hörsaal-Umbenennungen und Sponsoring-Aktionen an Hochschulen haben die Nutzer in der ersten Woche auch Stiftungsprofessuren eingetragen. Der TU Darmstadt hat der Kosmetikhersteller Wella eine Professur für Mode und Ästhetik gestiftet. Dass ein Unternehmen geisteswissenschaftliche Forschung unterstützt, ist zumindest bemerkenswert.
Hochschulwatch.de funktioniert ähnlich wie die Online-Enzyklopädie Wikipedia: Nutzer können die Einträge zu den einzelnen Hochschulen ergänzen. Ziel ist es, die Verbindungen von Wirtschaft und Wissenschaft aufzuzeigen. Gleich am ersten Tag verzeichnete die Seite rund 30 Zugriffe pro Sekunde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“