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Inklusion an der UniKein Ohr für Studierende

Eine Professorin weigert sich, ein Gerät zu benutzen, das einer gehörlosen Frau das Studium ermöglichen würde. Die SPD sieht keinen Grund, Lehrende zu verpflichten.

Nicht größer ist als ein MP3-Player: Carina Stoschek benötigt ein Gerät, um ihre Professoren hören zu können. Bild: Hamburger Abendblatt/Andreas Laible

Die Zukunft von Carina Stoschek hängt an einem Gerät, das nicht größer ist als ein MP3-Player. Stoschek studiert im vierten Semester Soziale Arbeit. Sie ist gehörlos. Um ihre Seminare und Vorlesungen trotzdem verstehen zu können, hat ihr die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) eine sogenannte Funkmikroanlage ausgeliehen. Die Dozenten tragen dieses schmale, silberne Kästchen an einer Schnur um den Hals – und Stoschek verbindet das Gegenstück mit ihrem Hörgerät. So kann sie dem Unterricht folgen.

Eigentlich ist das kein Problem für ihre Professoren und Professorinnen. Doch eine von ihnen weigert sich, das Gerät zu tragen. Stoschek kann nun an ihren Kursen nicht mehr teilnehmen. Ihre Beschwerde ist zwecklos. Denn niemand kann die Dozentin zum Tragen der Hörhilfe verpflichten.

Bereits Ende 2011 legte die Studentin eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Hochschule ein. Die Antwort, die ihr die Hochschulleitung ein Jahr später gab, ist ernüchternd. Es werde keine „weitere Möglichkeit einer rechtlichen Handhabe gesehen“, heißt es dort. Die Leitung der zuständigen Fakultät habe die Professorin „nachdrücklich aufgefordert, die Hörhilfe zu tragen, allerdings vergeblich“. Also musste Stoschek den Kurs wechseln. „Ich habe mich diskriminiert gefühlt“, sagt sie.

Die Professorin habe ihr nie erklärt, warum sie sich gegen das Gerät wehrt, sagt die Studentin. Anderen habe sie allerdings gesagt, dass sie davon Kopfschmerzen bekomme und wieder anderen, dass sie davon ein Halswirbelsäulentrauma bekäme. Dabei wiegt die Anlage nur 50 Gramm.

Der Beauftragte für die Belange behinderter und chronisch kranker Studierender, Dieter Röh, findet das Verhalten seiner Kollegin „höchst bedauerlich“. Er verweist auf den Landesaktionsplan, mit dem Hamburg seit vergangenem Dezember die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen umsetzen will. Darin steht auch „die Sensibilisierung der Mitglieder des Lehrkörpers für die Probleme von Studierenden mit Behinderung“ als erklärtes Ziel. Um die Professoren aufzuklären, empfiehlt das Papier den Universitäten die Einführung von „Fortbildungsmaßnahmen“, etwa in Form von „Informationsschriften“. Vorgeschrieben ist dies aber nicht.

Der Senat will daran auch zunächst nichts ändern. Die Umsetzung der Konventionen für behinderte Menschen stecke schließlich „noch in den Kinderschuhen“, sagt die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Ksenija Bekeris. „Da sollten wir nicht gleich über Sanktionen reden.“ Außerdem seien die Universitäten finanziell unabhängig. Die Umsetzung des Landesaktionsplans bleibe deshalb auch in ihrer eigenen Verantwortung.

Die Grünen kritisieren das. „Wenn eine Professorin ihre Pflichten verletzt, müsste dies sowohl disziplinar- als auch zivilrechtliche Konsequenzen haben“, sagt deren Bildungssprecherin Stefanie von Berg.

Der Hochschulpräsident konnte Carina Stoschek nicht helfen. „Aber dafür kann er auch nichts“, sagt sie, „denn es gibt bislang keine Regelung im Gesetz dafür.“

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8 Kommentare

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  • W
    Willi

    Ich frage mich grade, ob die Professorin wohl ein Mobiltelefon benutzt...oder zuhause ein schnurloses Telefon? Die Strahlungswerte wären ungleich höher, als bei solch einem FM-Transmitter...und selbst bei Handy und Co. ist fraglich, ob die abgestrahlte Energiemenge überhaupt Schaden auf zellulärer Ebene anrichten kann...Natürlich muss Jede_r für sich selbst entscheiden, was sich selbst so zugemutet wird. Allerdings würde ich mir wünschen, daß die Leute sich vorher auch mal informieren und nicht ihre esoterische Paranoia auch noch pflegen...Die Förderung einer Halswirbelsäulenschädigung durch ein 50g schweres Gerät ist hingegen echt ein Witz...Da hilft schon ein informierendes Gespräch mit einem z.B. Orthopäden, o.Ä.

    Ich finde es bedenklich, daß solch ein ignorantes, intolerantes Verhalten von seiten der Professorin von einigen gebilligt wird und sie (die Prof.) sich da offenbar auch ziemlich beratungsresistent zeigt...traurig...vielleicht frage ich sie mal per eMail, was da ihre Bedenken sind. Vielleicht hat auch jemand 'nen Tipp für sie...ich denke ihre eMail-Adresse lässt sich über die Uni-Homepage herausfinden.

    ...in diesem Sinne: Frohe Ostern...

  • WB
    Wolfgang Banse

    Es muss alles unternommem werden,dass die Inklusion die in der UN Behindertenrechtskonvention verankert ist,umgesetzt werden kann.

  • H
    Hannah

    an Anna: Setzten Sie sich mal mit provisorisch schalldicht verschlossenen Ohren in einen Seminarraum. Stellen Sie sich vor, dieses ´kleine Kästchen`, um das es hier geht, liegt neben der Professorin auf dem Pult und es obliegt ihr, ob sie es nimmt, anschaltet und sie damit hörend macht, oder eben nicht! Auch viele hörgeschädigte Kinder nutzen die FM-Anlage, um am Schulunterricht teilnehmen zu können. Ohne dieses ´Teufelsding` wäre ihnen das nicht möglich. Mir, Angehörige eines hörgeschädigten Kindes, ist nicht bekannt, dass die Strahlung einer FM-Anlage gesundheitsschädlich ist. Ich weiß aber, wie sehr hörgeschädigte Menschen von ihr profitieren. Ich vermute, im vorliegenden Fall geht es primär nicht um potentiell gesundheitsgefährdende Strahlung oder um HWS-Probleme (die ein 50 Gr schweres Gerät verursachen soll). Es geht wohl um nichts anderes als um Ressentiments gegen behinderte Menschen. An HeikeN: keinesfalls alle Hörgeschädigte sprechen die Gebärdensprache; viele, ´ganz oder fast normal` sprechende Hörgeschädigte können Sprache, eben mit Hilfsmitteln wie Hörgeräten und FM-Anlage, durchaus sehr gut verstehen. Sie sind somit nicht auf einen Gebärdendolmetscher angewiesen.

  • H
    Heike_N.

    Ich kann beide verstehen, den einen, der gewisse Befürchtungen hat, einen Sender so nah am Körper zu haben und auch das Gefühl der Studentin.

     

    Was ich allerdings nicht verstehe, wenn die Professorin eine Befürchtung hat, dass sie irgendwelche körperlichen Schäden erleiden würde, gäbe es doch andere Möglichkeiten diese Barrieren abzubauen. Welche doch in der Verantworung der Schule liegen würde. Ich denke, es ist dann in der Verantwortung der Universität, dass ein Gebärdendolmetscher zu der Vorlesung ebend dieser Professorin anwesend sein muss. Denn so ist ja auch eine Verletzung des Menschenrechts auf Bildung. Dies wurde ja schon von Eltern erfolgreich eingeklagt.

  • A
    Anna

    Die Dozentin kann ich gut verstehen.

    Ich würde mir auch nicht mal eben freiwillig ein elektronisches, Signale sendendes Metallkästchen um den Hals hängen.

     

    Dass eine Studentin über den Körper der Dozentin in dieser Form verfügen will, finde ich sehr bedenklich, vor allem ausgerechnet durch eine Studentin der Sozialpädagogik.

  • H
    Hannah

    Ich rege an, der HAW-Professorin möglichst zahlreich Briefe oder Protest-E-Mails zu senden und auf diese Weise eine Änderung ihres Verhaltens einzufordern! Mit ihrer Weigerung, eine FM-Anlage zu tragen, dokumentiert sie exemplarisch die in Deutschland nach wie vor weit verbreitete Haltung, dass behinderte Menschen aussortiert gehören und in spezifischen Biotopen gehalten bleiben sollten. Eine Verwirklichung von Inklusion beinhaltet grundsätzliche Veränderungen in der Beziehung, Begegnung, Bewertung, Wahrnehmung von Behinderung, von behinderten Menschen, und daraus resultierend eine grundlegende Neuorientierung und Umgestaltung unserer aktuellen Lebensrealität! INKLUSION IST MACHBAR, HERR UND FRAU NACHBAR…

  • R
    Ratlos

    Während die "taz" sonst jedem "Strahlungs"Fanatiker mit seinen Phobien Raum zur Selbstdarstellung einräumt, verlangt sie hier, dass sich jemand einen Sender um den Hals hängt!

  • D
    Dhimitry

    Traurig, dass so etwas 2013 in Deutschland noch vorkommt. Überraschend, dass so etwas ausgerechnet bei den Sozpäds vorkommt...