Chemie, Staudämme, Deiche: Den Flüssen geht es schlecht
Deutschlands Flüsse sind größtenteils in einem schlechtem Zustand. Eine EU-Richtlinie ändert das nur langsam.
BERLIN taz | Zu viel Chemie, begradigte Ufer ohne Pflanzen, Verunreinigungen durch Tagebaue – nur knapp 10 Prozent der Flüsse in Deutschland sind in einem guten ökologischen Zustand und erfüllen die 32000L0060:DE:HTML:Wasserrahmenrichtlinie. „Es ist absehbar, dass auch bis 2027 nicht alle Flüsse in einem guten ökologischen Zustand sind“, sagt Volker Mohaupt, Fachgebietsleiter Binnengewässer beim Umweltbundesamt (UBA). Dann könne die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten.
Die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union ist im Jahr 2000 in Kraft getreten. Sie soll dazu führen, dass die Gewässer gesünder werden – weniger Chemikalien, weniger Nährstoffe, zurück zu einem einigermaßen natürlichen Zustand. Doch die Zwischenbilanz ist durchwachsen: „Auch in zwei Jahren werden voraussichtlich nur 18 Prozent der Flüsse in einem guten Zustand sein“, sagt Till Hopf vom Naturschutzbund Nabu. Und das auch nur dann, wenn alle geplanten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden.
Der Zustand der Flüsse ist regional unterschiedlich: So bescheinigen die UBA-Wissenschaftler etwa den Flüssen im südlichen Voralpenland überwiegend eine ordentliche Qualität: 57 Prozent der Gewässer bekommen hier ein „gut“. Bei weiteren 35 Prozent sei der Zustand mäßig und damit immerhin nicht mehr weit von einer guten Qualität entfernt. Bei sandig-lehmigen Tieflandflüssen, die vor allem in der Nordhälfte Deutschlands verbreitet sind, sieht das UBA nur 2 Prozent der Gewässer in einem guten Zustand.
Die Vereinten Nationen haben Regierungen und Unternehmen zu mehr Zusammenarbeit ermahnt, um sauberes Trinkwasser für alle zu garantieren. "Dies ist ein entscheidender Moment für globale Zusammenarbeit", sagte der Vorsitzende des Programms UN-Wasser, Michel Jarraud, zum Auftakt der zentralen UN-Konferenz zum 20. Weltwassertag am Freitag in Den Haag. Weltweit haben nach UN-Angaben rund 900 Millionen Menschen kein sauberes Trinkwasser. Auf der Konferenz in den Niederlanden beraten Vertreter von Regierungen, Unternehmen und der Vereinten Nationen über Maßnahmen zur Sicherung des Trinkwassers. (dpa)
Deiche sind ein Problem
„Das liegt daran, dass der Nutzungsanspruch im Flachland deutlich höher ist als im Mittel- und Hochgebirge“, sagt Mohaupt. Während sich etwa ein verunreinigter Bachlauf verhältnismäßig einfach in ein ökologisches Gewässer verwandeln lasse, bedeute das bei großen Flüssen einen „Riesenaufwand“. Deiche und Begradigungen, das Abschneiden von Auen und Begrenzungen in den Flüssen wie Wehre gehörten zu den größten Problemen.
Ähnlich sieht es Hopf: „Hauptprobleme sind Veränderungen in der Struktur der Gewässer, wie etwa Begradigungen, und Einflüsse durch die Landwirtschaft.“ Düngemittel, die in die Flüsse gewaschen werden, führten zu stärkerem Algenwachstum, was den Sauerstoff verknappe und damit auch den Raum für Lebewesen.
Das Bundesverkehrsministerium hat sich zuletzt des Problems der Wehre und Staudämme angenommen: 250 Staustufen will es in den nächsten Jahren mit Fischtreppen ausstatten. „Das löst aber nur einen Teil des Problems“, sagt Hopf. Nicht nur weil es den Fischen zwar das Wandern flussaufwärts erleichtere, es aber flussabwärts nicht unbedingt etwas nütze, sondern auch weil Sand und Kies weiterhin aufgehalten würden.
Insgesamt gibt es 127.000 Kilometer Fließgewässer in Deutschland. 7.350 Kilometer Flüsse und Kanäle sind nach Angaben des Verkehrsministeriums Wasserstraßen. Etwa 10 Prozent der Güter werden mit Binnenschiffen transportiert. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil bis 2015 auf 14 Prozent steigern.
Leser*innenkommentare
Manfred Gerber
Gast
Die Wasserrahmenrichtlinie schreibt eindeutig vor, wie man in Gebieten, die den Eintrag landwirtschaftlicher Emissionen begünstigen, vorgehen soll.
Bspw. das Verbot von Pestizideinsatz auf Äckern die an Entwässerungsgräben liegen oder durch Drainageleitungen entwässert werden.
Die größtenteils für Wasserorganismen und Amphibien stark toxischen PSM landen nach einem Regenschauer direkt im Oberflächenwasser und werden dort nicht abgebaut.
Bsp. Südpfalz: 2009 Grasfrösche weg, Erdkröte stark dezimiert, 2010 Schlangen ebenfalls ausgestorben, Kaulquappen mutieren, Entwicklungsrate Metamorphose < 5 %, 2011, 2012 dto. 2013 Erdkröten ausgestorben.
Das Wasser der Entwässerungsgräben fließt danach in ein Naturschutzgebiet. Dort sieht es nicht besser aus.
Die Landwirtschaftsminister und ihre Behörden wurden seit 2009 ständig informiert. Die Lösung: der Bürger zahlt einen Wasserpfennig ???
Ministerin Höfken hat wohl besseres zu tun, als sich um europäischen Gesetze zu kümmern.
Erbärmlich wenn man mit anschauen muss, wie alles den Bach runter geht.