Neueröffnung: Design trifft Handwerk
Am Samstag eröffnete Bremens erster „Co-Working Space“. Das Einmalige: Nicht nur Freelancer sind bei „Kalle“ gern gesehen, sondern auch private Bastler
„DIY Shop“ steht groß an der hinteren Wand der Lagerhalle in der Neustädter Kornstraße, über einem Regal mit Kissen, Etuis, Postkarten, Buntstiften. DIY, also do it yourself, das war schon einmal angesagt, in den 60er- und 70er-Jahren. Kreative Neigung und ökonomische Motive bildeten die Basis. In Selbsthilfewerkstätten standen Material und Expertise zur Verfügung. Und heute liegt Selbermachen wieder schwer im Trend.
Saskia Behrens erklärt: „Im Digitalzeitalter wollen die Menschen wieder etwas in den Händen haben, etwas Eigenes.“ Sie selbst sei nach der Ausbildung direkt im Erwerbsleben gelandet, vor dem Rechner. Das Bedürfnis, die Resultate der eigenen Arbeit anfassen zu können, kann sie nun am eigenen Arbeitsplatz realisieren: Mit Ramona Breyer lud sie am Samstagnachmittag zur Eröffnung von „Kalle“, kurz für: „Kreative Halle“, ein.
„Co-Working Spaces“ sind an sich nichts Neues: In Berlin und Hamburg treffen sich Kreative und Freiberufler dort schon seit Längerem. Das ist geselliger als ein eigenes Büro und wegen flexibler Nutzungszeiten auch billiger, und die berüchtigten Synergie-Effekte sind ebenfalls Teil der Kalkulation. In einer internationalen Umfrage gaben 42 Prozent der Nutzer an, dank Co-Working ein höheres Einkommen zu erzielen.
Kornstr. 283, 28201 Bremen.
Dienstag bis Donnerstag, 13-18 Uhr, Samstag, 12-16 Uhr und nach Absprache.
„Kalle Buntmarkt": 28. April, 15-18 Uhr.
„Kalle“ aber ist ein „Co-Working Space“, wie es ihn nicht nur in Bremen bislang nicht gab. Wo sich das Konzept bislang vor allem an Profis wandte, sollen jene in der Kreativhalle auch auf unkommerzielle Bastler treffen. Das Angebot: Zur Miete plus Materialkosten können sich hier Freiberufler und Privatpersonen allein oder in Gruppen Dingen widmen, für die zu Hause kein Platz oder keine Ausrüstung vorhanden ist, vom Siebdruck über Näharbeiten bis zum Möbelbau.
Material und Werkzeug von der Nähmaschine bis zum Bleistiftanspitzer stehen ebenso zur Verfügung wie hilfreiche Literatur, die Hofnachbarn von Transferdruck helfen mit Rat und Tat. Im DIY-Shop können auch Passivbastler einkaufen, im Ausschank gibt es handgebrühten Kaffee. Das muffige Odeur von Häkelkursen und „Marmeladentauschbörsen“ soll hier freilich nicht Einzug halten. „Design meets Handwerk“, formuliert Behrens den Anspruch von „Kalle“.
Die „Kalle“-Gründerinnen arbeiten zusammen in der von Behrens geführten Werbeagentur Schorse. Weil die beiden 30-Jährigen keine Lust mehr hatten, ihr Geschäft von daheim aus zu betreiben, mieteten sie sich in der Lagerhalle ein, die sich wegen ihrer Größe aber nur unterhalten lässt, wenn die Miete durch mehrere Konten geteilt wird. Die „Ideenlotsen“, die Freiberufler und Selbstständige in der Kreativwirtschaft beraten, fanden die Idee jedenfalls so gut, dass sie „Kalle“ in ihr Förderprogramm „Business as usual“ aufnahmen. Mit regelmäßigen Coachings werden Breyer und Behrens nun ein Jahr lang begleitet.
Ob es in Bremen überhaupt einen Bedarf an „Kalle“ gibt, können auch die beiden Betreiberinnen nicht prognostizieren. Behrens und Breyer sind aber optimistisch. Im Freundes- und Bekanntenkreis sei die Idee auf viel Zustimmung gestoßen, Testläufe vor der Eröffnung seien zur allseitigen Zufriedenheit verlaufen. Und auch die Eröffnung war gut besucht, angeregt wurde über Sinn und Aussichten diskutiert, das Konzept gedanklich auf mögliche Nutzung abgeklopft.
7,50 Euro kostet eine Bastelstunde, Profis zahlen 12,50 Euro, Tages- und 5-Tages-Karten gibt es auch. „Da gibt es aber auch Verhandlungsspielraum“, erklärt Breyer. Auch sonst ist „Kalle“ im Fluss. Eine Konzertanfrage bei der Eröffnung brachte Saskia Behrens auf die spontane Idee, „Kalle“ auch für Konzerte zu öffnen. Flexibilität war schließlich schon immer eine Primärtugend der Kreativwirtschaft.
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