: Mit Hartmetall zum Erfolg
VIERSCHANZENTOURNEE Andreas Kofler war schon abgestürzt aus der Elite. Jetzt kann er sich als Überflieger feiern lassen
ANDREAS KOFLER
AUS BISCHOFSHOFEN KATHRIN ZEILMANN
Gregor Schlierenzauer blieb in der Niederlage fair. Es war längst klar, dass er, der hoch gehandelte Favorit, die Vierschanzentournee auch in diesem Jahr nicht gewinnen würde. Unten stand er also und drückte die Daumen für seinen österreichischen Teamkollegen Andreas Kofler, der zum Gesamtsieg segelte. Die Vierschanzentournee ist kein gutes Pflaster für Favoriten. Schlierenzauer weiß das. Schon seit drei Jahren reist er als Siegkandidat an, um die Bischofshofener Schanze als bezwungener Athlet zu verlassen. Vielmehr, so scheint es, verhilft die Bühne in Südbayern und Österreich den Männern aus Reihe zwei zum großen Erfolg. Im Vorwinter hatte sich Schlierenzauers Teamkollege Wolfgang Loitzl in eine Art Rausch gesprungen, mit Ende zwanzig seine ersten Weltcupsiege überhaupt gefeiert – und eben den Tourneegesamtsieg. Und in diesem Winter also nun der 25 Jahre alte Kofler, dessen beste Zeit der Karriere schon fast vier Jahre zurückliegt.
„In dieser Saison war es eigentlich mein erstes Ziel, wieder in die Nationalmannschaft hineinzuspringen“, sinnierte Kofler über seinen Aufstieg zum Tourneesieger. Aber eine Schanze ist eine manchmal wundersame Sportstätte, die neben bösen Abstürzen eben auch überraschende Höhenflüge ermöglicht. Kofler hatte in Willingen 2006 seinen bis zum Tourneestart einzigen Weltcupsieg gefeiert. Er war in diesem Winter damals so gut in Form, dass er auch kurz vor dem Olympiatitel in Turin stand. Teamkollege Thomas Morgenstern schnappte ihm aber Gold um die Winzigkeit von 0,1 Punkten weg. Kofler hatte zwar eine Silbermedaille, aber es war eben „nur“ der zweite Platz hinter dem strahlenden Morgenstern.
Viel schlimmer kam es aber vor genau einem Jahr. Bischofshofen, Abschluss der Vierschanzentournee: Andreas Kofler wird in der Qualifikation nur 55., verpasst die Wettkampfteilnahme. Kofler kehrt nach Innsbruck zurück, dorthin, wo er im nahen Stubaital aufgewachsen ist. Sein ehemaliger Jugendtrainer Markus Maurberger kümmert sich um ihn, auf kleinen Schanzen üben sie die Sprungtechnik ganz neu ein.
„Er ist dort aufgefangen worden“, sagt Cheftrainer Alexander Pointner. Und: „Der Kofi ist auch menschlich gereift.“ Kofler hat gemerkt, dass er sein Leben selbst in die Hand nehmen muss. Er ist in eine eigene Wohnung gezogen und gibt nun unumwunden zu, dass die Organisation eines eigenen Haushalts gar nicht einmal so leicht sei – aber eben helfe, auf eigenen Füßen zu stehen, sein Leben selbst zu organisieren. „Er steht sowohl privat als auch im Sport mit beiden Beinen fest auf der Bühne des Lebens“, kann ihn Pointner nun loben. Kofler weiß, was ihm gut tut, wie er optimale Bedingungen für seinen Schanzensport schafft. Heavy-Metal-Musik auf den Kopfhörern findet er wichtig, um die nötige Spannung für den Wettkampf zu erzeugen. In einem Buch von Paulo Coelho liest er nach, um wertvolle Gedanken zu gewinnen, die er weiterspinnt für seine persönliche Situation.
Kofler trainierte hart, ließ sich in die „zweite Liga“, den Intercontinental-Cup, versetzen, um seinen Status als Kaderspringer zu bewahren. Pointner erwähnt das lobend, weil er darin Koflers Liebe zum Skispringen erkennt, die auch geblieben ist, als es schlecht gelaufen ist auf der Schanze.
„Nach den schweren Jahren gewinnen Erfolge eine andere Bedeutung“, sagt Kofler nun. Er habe jede Sekunde in Bischofshofen genossen, auch jene, als es schwierig wurde im Wettkampf und als Simon Ammann und Janne Ahonen mit ihren weiten Sätzen im ersten Durchgang ihn als Tourneeführenden offensiv angegriffen hatten. Er wusste ja in dem Moment, dass er sich auf seine eigene Stärke verlassen konnte, dass er es immer noch selbst in der Hand hatte, den größten Erfolg seiner Karriere zu feiern. „Dieser Triumph ist für mich eine echte Befreiung“, sagte Kofler, bevor er eintauchte in den Rummel, den die Tourneebühne für ihren Sieger bereithält: Siegerehrung, Interviews, die Übergabe des Autos als Preis für den Gewinner, Ovationen der Fans.
Gregor Schlierenzauer hatte das Stadion da längst verlassen, hoffend auf die nächste Chance im nächsten Winter.
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