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Schlagloch UngleichheitDie Oligarchen sind über uns

Kommentar von Ilija Trojanow

Wir tun so, als hätten wir oligarchische Strukturen durch die parlamentarische Demokratie überwunden. Das ist Quatsch, wie Uli Hoeneß zeigt.

Man gibt sich gelassen, so als Oligarch: Uli Hoeneß beim Champions League Halbfinale Bayern gegen Barcelona. Bild: reuters

ULI, DU TOR“, titelte Bild am Sonntag in gewohnter Ausblendung der Realitäten. Uli Hoeneß ist kein Tor und auch kein Duzfreund des Volkes, sondern ein gerissener Geschäftsmann, der sein Vermögen gegen den einzigen Angriff zu verteidigen suchte, dem Oligarchen sich hierzulande ausgesetzt sehen: der Besteuerung.

Vermögen, Reichtum, Wohlstand – es vergeht kaum ein Tag, an dem die Medien nicht die wachsende Ungleichheit, die dubiosen Methoden, sein Geld vor dem Staat zu verstecken, die Löcher in den Säckeln einerseits, die berstenden Safes andererseits thematisieren.

Wir glauben inzwischen Bescheid zu wissen: Wer viel Knete hat, bunkert diese auf Konten in Luxemburg, Liechtenstein, der Schweiz oder auf sogenannten Offshore-Accounts (Schmuggler mit deutschem Pass haben dort angeblich 250 Milliarden Euro angehäuft). Wir erfahren, dass in Deutschland zwei Drittel der Bevölkerung so gut wie nichts besitzen, das reichste Zehntel hingegen über 61 Prozent des Gesamtvermögens verfügt.

taz

ist Schriftsteller und Weltensammler. Veröffentlichungen: "Stadt der Bücher" (mit Anja Bohnhof), München 2012, und "Die Versuchungen der Fremde: Unterwegs in Arabien, Indien und Afrika", München 2011.

Weltweit sieht es noch extremer aus: Zwei Prozent halten mehr als die Hälfte allen Vermögens. Im Jahre 2011 gab es weltweit 1.210 Dollarmilliardäre, deren kumuliertes Vermögen höher ist als das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands. Und während der massenhaften Verelendung der letzten Jahre haben die Reichsten der Reichen nur profitiert.

Die Oberkaste

Ein Duktus der folgenlosen Empörung hat sich eingebürgert, so etwa wie der gemeine Bürger über den Stau schimpft, dem er auf der Fahrt in jeden Feierabend ausgesetzt ist. Die öffentliche Debatte bleibt zahm, weil sie unter einem Tabu leidet. Wir diskutieren stets, in welchem Maß umverteilt werden soll (besonders beliebt: die Debatte um den Höchststeuersatz), nicht aber, ob Demokratie mit Vermögenskonzentration überhaupt vereinbar ist. Wir streiten uns um kosmetische Operationen, statt eine grundsätzliche Heilung anzustreben. Das beginnt schon mit der Sprache. Die sehr Reichen heißen bei uns Superreiche, selten Oligarchen.

Wir tun so, als hätten wir oligarchische Strukturen durch die parlamentarische Demokratie überwunden und verwenden das Wort nur, um im selben Atemzug demokratische Defizite zu benennen, vor allem wenn es um Russland geht. Dabei gibt es keinen Zweifel, dass es sich bei den heimischen Krösussen um Oligarchen gemäß der gängigen politikwissenschaftlichen Definition handelt (siehe das Standardwerk „Oligarchy“ von Jeffrey A. Winters): Oligarchen sind gesellschaftliche Akteure, die ihr massives Vermögen verteidigen und in politischen Einfluss ummünzen können. Die Regulative der parlamentarischen Demokratie können eine weitere Konzentration des Vermögens in den Händen einer oligarchischen Elite nicht verhindern.

Der Einfluss dieser Oberkaste ist historisch gesehen erstaunlich resistent gegen Angriffe von außen. Seit dem Altertum herrscht die Überzeugung vor, es wäre ungerecht, das Ungleichgewicht, das sich aus Vermögenskonzentration ergibt, zu korrigieren. Viele Ungerechtigkeiten sind erkannt, bekämpft und überwunden worden, doch beharrlich hält sich die Auffassung, es wäre falsch, gar böse, massiv konzentrierten Wohlstand zu verhindern oder zu zerschlagen. Alle anderen Formen der Ungleichheit sind infrage gestellt und viele abgeschafft worden, nicht aber die oligarchische Macht.

Die Wachhunde

Kaum wagt einmal jemand einen Vorstoß in diese Richtung, heulen die medialen Wachhunde des Vermögens auf. Der Spitzensteuersatz „greift den Reichen in die Tasche“, er sei „exorbitant“, die Diskussion „fördert den Sozialneid“. Es werden Interviews mit Experten geführt, die bei einer höheren Belastung der Vermögen den Untergang des Abendlandes vorhersehen.

Kein Wunder, sind diese doch Teil einer florierenden Branche, der Vermögensverteidigungsindustrie, bestehend aus eifrigen Buchhaltern, Rechtsanwälten, Steuerberatern und Lobbyisten. Extremes Vermögen erlaubt einem, die eigenen Kerninteressen auf umfangreiche Weise zu schützen. Michael Bloomberg, Milliardär und selbst gekaufter Bürgermeister von New York (ein oligarchischer Champion im Vergleich zu dem Regionalisten Uli Hoeneß), erklärte einmal süffisant: „Man kann jene, die mobil sind, gar nicht überbesteuern!“

Die Verhandlungssache

Massiver persönlicher Reichtum beschädigt den Gleichheitsanspruch, auf den eine halbwegs demokratische Gesellschaft nicht verzichten darf. Es gibt kaum eine extremere Form von sozialer und politischer Machtkonzentration. Materielle Ungleichheit bedingt politische Ungleichheit. Geld ist Macht, sagt der Volksmund. Der überproportionale Einfluss der Oligarchen ist uns allen bekannt, und doch wird im konventionellen Diskurs so getan, als wären wir alle gleich, weil ein jeder von uns beim Wählen eine Stimme hat.

Die enorme Ungleichheit als gesellschaftliches Problem wird mit der Schutzbehauptung weggewischt, die Privilegien der wenigen verurteilten keineswegs die Minderbemittelten zu einem Leben voller Nachteile. Selbst wer den kausalen Zusammenhang zwischen Armut und Reichtum leugnet, wird das historische Faktum nicht abstreiten können, dass materielle Ungleichheit zu sozialen Konflikten führt. Statt dies zu problematisieren, erklärt eine Armada von Analysten der Öffentlichkeit mit der Regelmäßigkeit einer Gelddruckmaschine, das Wohl der wenigen komme der Mehrheit zugute (der Trickle-Down-Effekt), eine Schutzbehauptung, die empirisch so eindeutig bewiesen ist wie die unbefleckte Empfängnis.

Wir vergessen meist, dass Eigentum Verhandlungssache ist. Der Satz „Das gehört mir“ kann jederzeit infrage gestellt werden durch ein „Sagt wer?“ oder „Wieso?“. In Krisen nehmen die Herausforderungen an das Eigentum zu. Es ist höchste Zeit, dass wir massives Vermögen grundsätzlich infrage stellen. Es gefährdet das Gemeinwohl und ist durch nichts zu rechtfertigen. Wer das Thema umgeht, ist der Vermögensverteidigungsindustrie anheimgefallen, die neben der Geldwäsche auch die Gehirnwäsche beherrscht.

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22 Kommentare

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  • B
    Blubb

    Toller Artikel, der allerdings für jeden Reformisten in der Konsequenz zu einem resignationsschwangeren Zustand führen dürfte. So ist das mit der Realität, weswegen die Waschmaschinen der Hirne auch leichtes Spiel haben.

     

    Was müsste sich denn alles ändern, um zu einer "Verteilungsgerechtigkeit" zu kommen? Spontan fällt mir da als allererstes der Mensch selbst ein: Nach eigener Schätzung und Erfahrung dürften bestenfalls 96% und schlimmstenfalls 99,8% aufgrund ihrer tief liegenden Boshaftigkeit* dazu aber niemals in der Lage sein.

     

    Gut, man könnte viele der immanenten bösartigen Charaktereigenschaften geschickt umgehen und / oder gegeneinander ausspielen. Die Idee der Gewaltenteilung (wenn sie denn irgendwo ordentlich installiert wäre) gehört beispielsweise dazu.

     

    Oder eine Idee von mir: Besondere Leistungen und Alleinstehungsmerkmale, egal ob in Beruf, "Business" oder gesellschaftlichem Engagement werden zu einem guten Teil mit streng limitierten immateriellen Werten statt mit Geld entlohnt, welche auf Wunsch des Inhabers für jeden Anderen frei einsehbar wären. Dadurch würde sich zwar auch bei hoher Akkumulation die Macht politisch Einfluss zu nehmen oftmals erhöhen, allerdings in einem angemessenem Maße. (Der Inhaber kann diese nicht auf jemanden übertragen, um sich einen Vorteil zu erkaufen.) Der Inhaber selbst kann sich aber immer im entsprechend hohen Ansehen sonnen. Was glaubt Ihr denn, wofür die Milliardäre morgens aufstehen und neben ihrem ausgedehnten Herumluxurieren sogar ab und an, manchmal sogar extrem oft, arbeiten gehen? Klar, die wollen in der Forbes-Liste der Reichsten ein paar Plätze hoch klettern, eine andere echte Motivation gibt es da kaum noch.

     

    Solang "die Linke" sich darauf beschränkt, Einkommen begrenzen zu wollen (und dabei offenbar auch noch bestehende oder trotz der Einschränkungen akkumulierte Vermögen ignoriert) lachen sich die Oligarchen ins Fäustchen. Der "Normalbösartige" spielt schließlich in der einen oder anderen Form auch Lotto und rechnet sich in seinen evolutionär rückständigen Hirnstammwinden eine gemessen zur Realität extrem hohe Gewinnchance aus. Dann meint er ja auch - natürlich oft in unsäglicher Selbstüberschätzung - dieses künftige Vermögen optimal "für sich arbeiten lassen" zu können. Und kommt, gefühlt (!), auf ein vielfach höheres potentielles Monatseinkommen als schlappe 40000 € ... bei einem Realeinkommen von irgendwas zwischen 500 und 6000 €. "Und das wollen mir die pöhsen, pöhsen Linken alles wegnehmen. Nee, da hat der Erwin vom Stammtisch schon recht: Wenn man Mutti wählt, liegt man sicher richtig. Fernsehen meint das ja auch und sogar in der Zeitung solls gestanden haben ... Ach, und gute Christen solln die ja auch noch sein ..."

     

    Wenn Ihr wirklich was Wirkungsvolles gegen die oligarchischen Verbrecher unternehmen wolltet, würdet Ihr Alternativen für den Mob schaffen oder wenigstens aufzeigen. Also für seine bösartigen, psychisch bedingten, charakterlich zweifelhaften aber real existierenden Gelüste. Das dies unterbleibt, legt die Vermutung nahe, dass es sich oftmals bei den "empörten Linken" auch nur um obige Lotto-Spieler handelt. Der Una-Bomber hat die m.E. sehr treffend als "Leftisten" bezeichnet und charakterisiert. Sehr zur Freude der Oligarchen: Wie der RWE-Boss wohl mit Deut auf Joschka Fischer meinte: "Den hab ich auch schon gekauft." (War meines Wissens nach gerade mal etwas über 1 Million, ein kleiner Lottogewinner also, unser Joschka).

     

    Naja, wie auch immer: Viel Spaß noch bei Eurer Selbstausrottung, ihr macht das alle miteinander echt gut!

     

     

    *nicht im relgiösen Sinne, eher im Sinne von "extremer Asozialität")

  • RE
    Riccardo Escher

    Ein tolles Schlagloch, das genau den Punkt trifft, vielen Dank! Lasst uns einen Schritt weiter gehen und ganz modern von "Scherbengericht 2.0" reden.

     

    Denn wenn man unbefangen die Schulden der Nationen dem Reichtum des reichsten 1% gegenüberstellt bekommt man das beklemmende Gefühl, dass da ein Zusammenhang besteht. Es ist evident, dass die Oligarchen sich unser Geld unter den Nagel gerissen haben.

     

    Es ist etwas grundsätzlich Falsches am Eigentumsbegriff wie er heute vorherrscht. Wir haben ihn von den Römern geerbt. Es freut mich, hierzu Heinrich Heine zitieren zu dürfen. Heine war der Corpus Juris der Römer, “die Bibel des Egoismus” verhaßt. “Diese Räuber wollten ihren Raub sicherstellen, und was sie mit dem Schwerte erbeutet, suchten sie durch Gesetze zu schützen; deshalb war der Römer zu gleicher Zeit Soldat und Advokat, und es entstand eine Mischung der widerwärtigsten Art. Wahrhaftig jenen römischen Dieben verdanken wir die Theorie des Eigentums, das vorher nur als Tatsache bestand, und die Ausbildung dieser Lehre in ihren schnödesten Konsequenzen ist jenes gepriesene römische Recht, das allen unseren heutigen Legislationen, ja allen modernen Staatsinstitutionen zugrunde liegt, obgleich es im grellsten Widerspruch mit der Religion, der Moral, dem Menschengefühl und der Vernunft steht” (H.H. Werkausgabe München, Wien 1976, Band 11, S. 560 - 561).

     

    Dieses Geld in Privatbesitz scheint einfach nur eine Zahl zu sein, die wie alle Zahlen potentiell unendlich ist. Es wird daher so getan, als ob es ein und dasselbe sei, ob ein einzelnes Mitglied der Gesellschaft ein Reihenhaus oder ob es 60 Milliarden Dollar als sein Eigentum betrachten darf.

    Letztere sind nicht nur die Möglichkeit zu obszönem Konsum - es sei ihnen der fragwürdige Spaß gegönnt -, sondern diese ungeheure Menge Reichtum, die kein menschliches Wesen mehr in seiner Lebensspanne konsumieren kann, bedeutet leider auch eine ungeheure gesellschaftliche Macht - es gibt hunderte von Politikern und Journalisten, die sogar zahlen würden, um sich von diesem schwarzen Geldloch korrumpieren zu lassen.

     

    Die alten Griechen, die Erfinder der Demokratie, sie kannten ihre Pappenheimer; so hatten sie für Individuen, die zu viel gesellschaftliche Macht akkumuliert hatten und die daher die Demokratie in ihren Grundfesten bedrohten, die Möglichkeit geschaffen, diese mit einem Scherbengericht (dem Ostrazismus) zu verbannen.

     

    Ich möchte hier den Gedanken anregen, dass in einer Diskussion in der Zivilgesellschaft, an Universitäten, runden Tischen, Seminaren, Veranstaltungen, Diskussionen wie diese, wir die Grenze ausloten, ab der Eigentum an gesellschaflichem Reichtum (nichts anderes ist Geld) *sittenwidrig* und also dem Scherbengericht vorgelegt wird.

     

    Im Unterschied zum Altertum schlage ich jedoch vor, dass der Verurteile nicht mit seinem Geld abhauen darf, sondern soweit enteignet wird, bis der Zustand der Sittenwidrigkeit verlassen wird.

     

    Natürlich werden die Geldsäcke von ihren freiwilligen Dienern in Politik und Presse Zeter und Mordio! schreien lassen, Iljia hat es genau getroffen. In diesem Falle sollten wir die Schraube noch weiter anziehen und an das mosaische Erbrecht mit seiner Institution des Jubeljahres erinnern!

     

    “Alle 49 Jahre gibt es ein Jahr der Vergebung, in dem das Land seinen ursprünglichen Besitzern zurückgegeben wird, gemäß den früheren Plänen für die Aufteilung des Landes [...]. In den Jubeljahren sollten die Schulden gestrichen werden, und die Israeliten, die aufgrund ihrer Verschuldung in Sklaverei geraten waren, sollten freigelassen werden. [...] Ein Zeitraum von 50 Jahren entsprach in etwa der damaligen Lebensspanne; so konnte das Problem der Verschuldung über Generationen beseitigt werden.” (Tomáš Sedláček “Die Ökonomie von Gut und Böse, S. 104)

     

    Das mosaische Jubeljahr: Ein Vorbild!

  • N
    Normalo

    Nach all der herrlich altertümlichen Kapitalismus-Schelte stellt sich doch nun zumindest die eine Frage:

     

    Was hat es mit Demokratie zu tun, einem Volk, dass beharrlich seine sehr wohl vorhandenen demokratischen Mittel nutzt, um die großen Fans der radikalen Umverteilung NICHT zu wählen, einen anderen Kurs verpassen zu wollen?

     

    Ob Ihr linken Verschwörungstheoretiker es wahr haben wollt oder nicht: JEDER hat in diesem Land eine Stimme, und es gibt auch Alternativen zu den "markttreuen" und "oligarchen-hörigen" Parteien. Aber die wählt halt nur eine kleine Minderheit. Und wer glaubt, dass der Rest nur anders wählt, weil er einfach zu blöd ist, die Wahrheit zu erkennen, der hat die Grundidee der Demokratie nicht verstanden, geschweige denn, dass er sich zu ihrem Verteidiger aufschwingen dürfte.

     

    Ich weiß ja, dass das ewige Wedeln mit der Realität eine nervige Spielverderberei ist, wenn man doch so schön die Heile Welt herbeitheoretisieren kann. Aber an dieser Klippe MÜSSTE alles Gerede von der "wahren Gerechtigkeit" eben irgendwann auch mal vorbei, wenn es nicht für immer im Sumpf der Geschichte irgendwo zwischen geistiger Onanie und Ausrede der übelsten Diktatoren dümpeln will.

     

    Auch dieser Artikel ist kein Plädoyer für Demokratie sondern für eine egalitäre - aber anderen demokratischen Strömungen gegenüber strukturell intolerante - Gesellschaftsidee mit demokratischer Fassade. Der Autor will gar nicht wissen, was die Menschen für sich für gut halten, er weiß es längst selbst.

  • E
    Eule

    Ja Herr Trojanow,

     

    Eigentum ist allerdings Verhandlungssache. Nämlich zwischen den Eigentümern verschiedener Gegenstände, die sich auf einem sogenannten Markt treffen und in freiwilliger(!) Vereinbarung zum beiderseitigen Vorteil (sonst würden sie sich nicht einigen) tauschen. Sie dagegen wollen in die freiwilligen Verhandlungen anderer Menschen eingreifen (das geschieht in letzter Konsequenz mit Waffengewalt, das sollte man nie vergessen), da ihnen das Ergebnis nicht passt.

     

    Wer das Recht auf Eigentum zur Disposition stellt (dass dies "demokratisch" geschen soll spielt keine Rolle) plädiert für Willkür gegen den einzelnen und spricht ihm in letzter Konsequenz die Existenzberechtigung als freies Individuum ab, da ein selbstbestimmtes Leben ohne die Möglichkeit, Eigentum zu erwerben und zu tauschen, nicht möglich ist.

     

    Im übrigen sollte einem bei aller berechtigter Kritik der Verflechtung des Staates mit "Oligarchen" doch irgenwann auffallen, dass die Zahl dieser Personen mit steigender Staatsmacht zwar ab- ihre Macht und ihr Reichtum allerdings zunimmt. Wir haben eine Staatsquote von konservativ gerechnet annähernd 50%, und das führt nicht etwa zu einer Ab- sondern einer Zunahme der Ungleichheit. In sozialistischen Diktaturen mit annähernd 100% Staatsquote liegen Macht und Besitz (merke: Besitzer ist derjenige, der über die tatsächliche Verwendung einer Sache verfügt) konzentriert in der Hand sehr weniger Funktionäre. Trotzdem fällt den Umverteilungsakrobaten gemeinhin nichts anderes ein, als auf den (teilweise richtig diagnostizierten) Missbrauch der Staatsgewalt zugunsten einiger weniger mit der Forderung nach noch mehr Staatsgewalt zu antworten, die dann angeblich plötzlich und auf wundersame Weise dem "Gemeinwohl" dienen wird. Deshalb reichen 50% Staatsquote nicht, es müssen schon 70% sein, und wenn das (erwartungsgemäß) immer noch nicht das erhoffte Ergebnis zeitigt sondern das Gegenteil, fordern wir eben 100%, und auch dann ist das Ergebnis vorhersehbar.

     

    Wenn man immer wieder die gleiche giftige Medizin verschreibt und der Zustand des Patienten immer schlechter wird, dann grenzt es an Wahnsinn, zu hoffen, man müsse nur eine noch größere Dosis der Medizin verabreichen, um den Patienten endlich zu heilen. Ein Arzt, der so handelt ist ein gefährlicher Scharlatan, unabhängig davon, ob dies aus Dummheit oder böser Absicht geschieht.

     

    Es ist an der Zeit, die ideologischen Scheuklappen abzulegen und sich die Frage zu stellen, ob die Antwort auf allgegenwärtigen und viel beklagten den Missbrauch von Staatsgewalt zum Vorteil einzelner nicht eher weniger Staatsgewalt ist als mehr.

  • F
    Futi

    ich bin wirklich totaler Fußballfan, aber....seit Jahren reift doch in mir die Erkenntnis dass das Spaß ist. Es trägt nix ernsthaftes zur Gesellschaft bei, ausser abzulenken. Wie unglaublich ernst und wichtig diese kleinen Fußballsätze mittlerweile gekackt werden ist schon lustig. Es ist in diesem Fall doch nur Fußball, und warum nehmen wir die Typen so ernst das wir alles bezahlen um mal in der Nähe gucken zu dürfen.

    Davon abgesehen frage ich mich schon länger auch ob es unbedingt diesen Zusammenhang zwischen reich und berühmt zu 100% geben muß? Ist es nicht toll wenn man von Vielen verehrt wird, muß Wichtigkeit gleichbedeutend mit Besitz sein? Ich frage mich wirklich immer wie ich wohl wäre wenn ich "genug" hätte, ob das zu Augen zu und durch verdammt. Oder ob es mir vielleicht reichen würde täglich wichtige Hände zu schütteln und Autogramme zu geben.

  • GI
    Gehirn Implosion

    Ausgesprochen sehr guter Artikel.

     

    Geld in dieser Höhe für eine Person, versteuert oder nicht, ist asozial, unzivilisiert.

    Es wird der Allgemeinheit entzogen.

     

    Und ja, die Gehirnwäsche...Das Schlimme ist, dass die Menschen diese Gehirnwäsche gar nicht mehr wahrnehmen. Es wird alles von vorn herein gleich geschaltet. Keiner fragt nach Sinn und Zweck.

     

    Warum sorgen die über 60% nicht dafür, dass diesem undemokratischen, barbarischen Treiben ein Ende gesetzt wird?

     

    Alkohol, Grillen, Fußball, Rasen mähen, Fleisch fressen, Puff etc..

    Wer braucht noch einen Denkkasten?

    Spätestens in den verkommenen Zwangsschulen wird eh alles gleich geschaltet, auf Teufel komm raus.

     

    Es wird alles immer schlimmer.

    Bald macht es: plopp. Gehirn Implosion.

    Dann fangen sie an, ihr Geld zu fressen.

     

    Wir leben in Barbarie und tun so, als ob es das einzig mögliche wäre.

    Dabei ist es einfach nur stinkend dumm, himmelschreiend dumm.

    Unser Niveau befindet sich auf nicht meßbarer Höhe.

  • DK
    Dietmar Klimmek

    Ein sehr guter Artikel. Die Konsequenz der Durchführung einer weltweiten Anti-Oligarchie Maßnahme, wäre eine soziale Vielfalt, die die Weiterentwicklung der Zivilisation ermöglichen würde. Dringende Probleme, wie Umweltzerstörung, kriegerische Konflikte und verhungernde Menschen, könnten gelöst werden.

  • G
    günther

    Oligarchen gibts nur, weil die Masse unkritisch vermeintlichen Idolen hinterherhechelt und die (oft recht durchsichtige) Mache mitmacht. Wer`s Hirn zum Denken verwenden vermag, kann nicht enttäuscht sein, wenn ein künstlich aufgebauschtes Gebilde in sich zusammenbricht. Jeder Hype muss kritisch hinterfragt werden, meist reicht eine Portion gesunder Menschenverstand.

  • S
    Schiba

    Endlich mal wieder ein waschechter guter TAZ-Beitrag. Was noch hinzuzufügen wäre: Laut einer Umfrage ist Deutschland das Land, in dem weltweit die größte Zustimmung zum kapitalistischen Wirtschaftssystem besteht - noch vor den USA oder Japan. Mentalitätsgeschichtlich zeigt sich am Fall Hoeness, dass man nun nicht mehr dem "Führer" folgt, sondern dem Paten, der godfather-gleich macht was er will, seine Gunst oder Abstrafung erweist. Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass Aufklärung und Demokratie eine immer weniger wirksame Episode in der Menschheitsgeschichte darstellen.

  • HR
    Hubert Raffelt

    Jeder Satz des Autors eine fundamentale Wahrheit.

    Er greift an die Wurzeln aller Übel des westlichen

    Eigentums,die den Übeln des Alltags , die mit materiellen Möglichkeiten hadern, auf den Grund gehen.Beim heutigen Stand der Produktivkräfte muß es keine Sorge um Alter, Krankheit, Bildung, Muse, Sport,Verkehrswesen, Forschung, Ökologie Familienförderung geben.

    Aber sagt das mal den Wählern, die am vergoldeten

    Untergang zimmern, ..oder besser den Medien, die mit der Phisophie der oft ohne Leistung Besitzenden

    ihre Talkshows füttern.Gerade höre ich wieder von Millionen, die es für ein paar krumme Fußballerbeine gibt, nicht etwa für eine Forschung, die neue

    Energien fördert oder den Krebs besiegen hilft.

  • A
    anke

    Gut gebrüllt, Löwe! Oder sollte ich sagen: Tiger? Immerhin sind Dateien nicht aus Papier. Un wenn die Oligarchen die Kunst der Gehirnwäsche beherrschen, wird es wohl Zeit, dass auch die taz das gute alte Waschbrett wieder ausgräbt. Wenigstens das...

  • K
    karl

    Marx wieder ausgraben, Weltrevoulution, Ein Jahr Gefängnis für jede Million... und gut is.

  • RR
    Robert R

    Bitte mit erwähnen:

     

    Die 50% bzw. 61% Vermögen der Superreichen wollen sich in den nächsten 3 (Ackermann'sche 25% Rendite) bis 14 Jahren (5% Zinsen) verdoppeln.

  • MA
    Marc Altmann

    So ähnlich lag es mir auf der Zunge.

  • TR
    the real günni

    sehr treffend.

    und wer will dem eigentlich widersprechen?

    und mit welchen argumenten?

     

    als buch auch sehr zu empfehlen: postdemokratie / colin crouch / suhrkamp

  • W
    waldküre

    da wird aber einer maßlos überschätzt

  • LG
    Leopold Gantenbrink

    Exzellent! Knapper, klarer Kommentar - Danke!

  • ES
    eine stimme pro nase

    Oh ja, wir sind alle gleich (zumindest alle Volljährigen) weil jeder eine Stimme hat.

     

    Wer findet es denn geil, Merkel einen Wahlsieg nach dem anderen zu bescheren? Sind das irgendwelche Außerirdischen, oder was?

     

    Die Linke ist gerade dabei, den Vorschlag von Katja Kipping, Monatseinkommen von über 40.000 mit 100 % zu besteuern, in ihr Programm aufzunehmen.

    (Übrigens mit genau der Begründung, dass alles, was darüber hinaus geht, nicht mehr der Steigerung der eigenen Lebensqualität dient sondern nur noch für politische Einflussnahme missbraucht wird.)

    Und die Wähler halten es für richtig, die Linke dafür aus einem Landesparlament nach dem nächsten zu kicken.

     

    Dieselben Wähler, die angeblich bei jeder Gelegenheit verarscht, entmachtet, über den Tisch gezogen und was weiß ich werden.

     

    Merkel ist zwar nicht gerade für pointierte Positionierungen bekannt, aber wofür sie beim Thema Ungleichheit und Umverteilung steht, dürfte dem Letzten Deppen klar sein.

     

    Wir wählen sie dafür.

    Unsere Schuld.

    Wessen denn sonst?

  • Z
    zensiert

    Daumen hoch!

  • K
    kern-spin

    Ich bin sprachlos! Der Artikel bringt genau das auf den Punkt, was in der Medienlandschaft so nicht ausgesprochen werden darf, bzw. werden durfte!!!

     

    Dass ich solch einen Text nocheinmal in der taz lesen könnte, hatte ich schon fast nicht mehr geglaubt.

     

    Grosses Lob an die Redaktion, da scheint ja ein neuer Wind zu wehen, denn der Text steht ja nicht alleine; eine tolle, scharfsinnige Analyse der AfD, interessante Buchbesprechungen z.B. über Rausch als Mittel gesellschaftlicher Transformation ("Kein richtiges Leben in Flaschen") - ist das etwa die alte taz, die ihre Kernleserschaft nicht mehr vernachlässigt?

     

    Und weil ich so zufrieden bin, werde mir mal wieder eine taz am Kiosk kaufen - denn, ha!, "Leistung wird belohnt werden" (allerdings nur wenn ihr euch weiterhin nicht dem neoliberalen Mainstream anzubiedern versucht, hoffe inständig dass das jetzt keine Nebelkerzen waren)

  • D
    Denk_Mal

    Für mich ist es mittlerweile unerträglich welche Ausmasse unsere kranke Gesellschaft angenommen hat.

     

    In einer gesunden Gesellschaft würde Menschen die in dem Aussmass das eigene Volk schädigen zuerst das ratschen von Handschellen hören und die darauf folgenden Menschen der Justiz würden diese dann zu zwanzig Jahren Zwangsarbeit verdonnern inklusive dem Totalverlust des "privaten Vermögens".

  • H
    hinten

    Ja.

    Dazu auch Balzac (weil die großen, toten Künstler zum Thema Erhellenderes beizutragen haben als die verwirrten, zahmgekauften Zeitgenossen):

    "Hinter jedem großen Vermögen steht ein Verbrechen."

    Man beachte das Indefinitpronomen..