Kommentar Katastrophe in Bangladesch: Korrupte, Kettenläden und Konsumenten
Nicht nur die Handelsketten wollen in Bangladesch möglichst billige Ware einkaufen, sondern auch die Verbraucher hierzulande.
V erbraucher haben eine Mitverantwortung für die von ihnen konsumierten Produkte. Das zeigt die Katastrophe in Bangladesch deutlich. Doch wird sie jetzt endlich zu sicheren Arbeitsbedingungen in der zweitgrößten Textilproduktion der Welt führen? So wünschenswert es wäre, dass der Tod hunderter Menschen nicht völlig sinnlos war, so ist dies doch unwahrscheinlich.
Schon nach früheren Katastrophen wurde nur wenig verbessert, obwohl es stets neben Unschuldsbeteuerungen auch Versprechen und sogar manche Besserung gab, zumindest auf dem Papier. Klar ist, dass wenigstens ein Teil des eingestürzten Gebäudes illegal errichtet war, also mindestens die oberen Stockwerke nicht genehmigt waren, ihre Nutzung auf Korruption oder fehlende Inspektion zurückgeht.
Die Exporteursvereinigung der Textilindustrie warnte nach Auftauchen der Risse sogar vor der Weiternutzung des Gebäudes. Mindestens zwei der fünf Fabriken in dem Komplex waren erst kürzlich im Auftrag einer europäischen Außenhandelsvereinigung geprüft worden. Trotzdem waren nicht allein der skrupellose und der Regierung nahestehende Gebäudeeigentümer und die raffgierigen Fabrikbesitzer schuld.
ist Auslandsredakteur der taz mit dem Arbeitsschwerpunkt Asien.
Denn wenn das Brechen von Gesetzen und das Ingnorieren von Warnungen so folgenlos bleiben und kurz nach einer Fabrikprüfung das ganze Gebäude einstürzt, dann ist das System faul. Daran sind viele Akteure beteiligt. Die schieben ihre Mitschuld jetzt auf andere, haben aber selbst in ihrem Bereich versagt. Im Staat Bangladesch fördern Korruption und mangelnder politischer Wille solche Katastrophen.
Und wenn bei den Überprüfungen der Fabriken im Auftrag der Handelsketten die Gebäudezustände unberücksichtigt bleiben, sind die Audits eine PR-Maßnahme, aber kein Sicherheitscheck. Sie müssen vielmehr umfassend von wirklich unabhängigen Inspektoren unangemeldet durchgeführt werden, die Beschäftigten müssen einbezogen und die Ergebnisse transparent sein.
Nicht nur die Handelsketten wollen in Bangladesch möglichst billige und skandalfreie Ware einkaufen, sondern auch die Verbraucher bei den Ketten hierzulande. Das gibt es aber nicht zum Nulltarif. Wir werden mehr zahlen und uns auch darum kümmern müssen, wie produziert und geprüft wird. Erst wenn in diesem Verantwortungsdickicht alle einschließlich die Verbraucher ihr Verhalten ändern, wird sich wirklich etwas verbessern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Krise der Ampel
Lindner spielt das Angsthasenspiel