Weltmarkt für Saatgut: Die Macht über den Samen
Immer weniger Züchter haben einen steigenden Marktanteil: Aktivisten fürchten um die Vielfalt auf dem Acker – und auf dem Teller.
BERLIN taz | Saatgut ist für viele Menschen ein hochemotionales Thema. Denn wer es hat, kontrolliert in erheblichem Maße, was auf unseren Tellern landet. Das erklärt, warum die am Montag vorgestellten Vorschläge der EU-Kommission für das Saatgutrecht in der Lage sind, die Gemüter derart zu erhitzen.
Schon bislang konzentrierte sich die Macht über die Samen auf wenige Unternehmen. Die vier größten Züchter kommen auf 58 Prozent des globalen Marktes für Saatgut, das mit Eigentumsrechten geschützt ist, wie die Organisation „Erklärung von Bern“ berichtet. 1985 waren es noch sieben Prozent. Ganz vorne stehen die US-Konzerne Monsanto und DuPont (Pioneer) sowie die Schweizer Firma Syngenta und die französische Groupe Limagrain.
Besonders Monsanto kauft zusehends neue Zuchtunternehmen. Erst im April gab der Konzern bekannt, dass er die Sparten Raps- und Roggensaatgut sowie den Vertrieb von Mais und Sonnenblumen des niedersächsischen Züchters Dieckmann Seeds übernehme. Der weltweit größte Gemüsezüchter Seminis gehört schon länger zu dem US-Unternehmen.
Für die Verbraucher kann die zunehmende Konzentration dazu führen, dass das Lebensmittelangebot weniger vielfältig wird. Die Debatte über die Kartoffelsorte Linda veranschaulicht den Unmut, den diese Monopolisierung des Saatguts hervorruft: Nach 28 Jahren zog Züchter Europlant 2004 die Zulassung für die Kartoffelsorte zurück. Diese ist laut Gesetz aber nötig, um Pflanzen zu verkaufen.
„Europlant wollte, dass ihre damals neue Sorte Belana den Markt erobert“, erinnert sich Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).
Viele Verbraucher dagegen wollten weiter die Kartoffel essen, die ihnen besonders gut schmeckte. Agraraktivisten starteten die Kampagne „Rettet Linda“, pflanzten die Kartoffel trotz Verbots weiter aus und erreichten schließlich die Wiederzulassung.
Bauernführer wie Janßen beunruhigt zudem, dass Konzerne wie Monsanto auch eine chemielastige Landwirtschaft fördern. Denn die Pflanzen werden zum Beispiel per Gentechnik so verändert, dass sie widerstandsfähig gegen bestimmte Pestizide sind. Das erleichtert es konventionellen Bauern, auf umweltschädliche Monokulturen zu setzen, also mehrere Jahre auf derselben Fläche die gleichen Früchte anzubauen. Dadurch können sich Schädlinge stärker vermehren.
Leser*innenkommentare
Saatgut
Gast
@ Carlos:
"Die Pervertierung des Rechts
mit Einführung der Gentechnik als eigene Industriebranche muss beendet werden und zwar sofort"
Das hat nicht direkt etwas mit Gentechnik zu tun.
Das Saatgut, welches Monsanto verkauft, ist sogenanntes Hybridsaatgut.
Es entsteht, wenn man die Blüten einer Pflanzen dann mit Pollen einer nicht identischen (aber verwandten) Art bestäubt
Dieses Saatgut erzeugt unfruchtbare Pflanzen, welche man nicht vermehren kann. Oder die Pflanzen verlieren nach wenigen Generationen ihre Vitalität.
Also muss ein Bauer jedes Mal neues Hybridsaatgut kaufen.
Auch sind Pflanzen aus Hybridsaatgut sehr anfälig für Umwelteinflüsse wie Trockenheit o. Ä..
http://www.mittelbayerische.de/index.cfm?pid=10130&pk=518799&p=1
"Hybridsorten sind durch Kreuzung entstanden und gelten als besonders vital und leistungsfähig. Der Samen von Hybridpflanzen verliert im folgenden Jahr aber diese guten Eigenschaften. Dann muss neuer Samen bestellt werden. Bei samenechten Sorten eignet sich er sich auch noch für die nächsten Aussaaten."
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/mahlzeit/1420983/
Allerdings hat Monsanto das Genom dieser Hybridpflanzen ZUSÄTZLICH gentechnisch verändert. (Also: Hybridpflanzen, welche ZUSÄTZLICH genetisch verändert sind!) Und Das hat keine Auswirkungen auf die "Wetterfestigkeit" der Pflanzen.
Daher muss man mal ganz provokant sagen: Dass die Bt-Baumwolle bei Trockenheit versagt und Abhängigkeiten verursacht, liegt weniger an der Gentechnik, als mehr am Hybrid-Charakter der Pflanzen.
Achtung Leute!!!!
Setzt "Gentechnik" NICHT mit "Hybridsaatgut" gleich!!!
Krass allerdings:
Hybridsaatgut wird auch im BIO-Anbau verwendet!!
http://www.kultursaat.org/pdf/biohandel08.pdf
http://www.arche-noah.at/etomite/assets/downloads/Bibliothek/BioSaatgut_Wo_sind_die_Grenzen.pdf
Das Problem mit den Abhängigketen gibt es auch im BIO-Anbau.
Denn Patente auf Leben (Sortenschutz) gibt es mittlerweile auch in der Öko-Landwirtschaft;
http://www.bio-markt.info/web/Aktuelle_Kurzmeldungen/Produkte/Einkorn/15/33/100/11170.html
Oder hier:
http://www.proplanta.de/Agrar-Nachrichten/Agrarwirtschaft/Nachbau-von-Graesern-und-Feinleguminosen-grundsaetzlich-illegal_article1267504476.html
Unter den Herstellern von Feinleguminosen-Samen befindet sich auch der BIO-Saatguthersteller Becker Schoell AG.
http://www.becker-schoell.com/?dispatch=56&24=84&44=20
http://www.biogenuss-norddeutschland.de/elstar.html
Anderes Bsp:
https://www.fibl.org/fileadmin/documents/shop/1037-himbeeren.pdf
Man achte auf jene Früchte, welche in der Tabelle mit dem Symbol "(S)" markiert sind ("Sortenschutz")
Ihr neuer Pappsi
Gast
"Kostenloses Saatgut"?
Erinnert das nicht an das Selbstkillerziel "kostenloser ÖPNV"? = Selbstkillerziel der Piraten, so wie 5 DM/L Spritseinerzeit?
Kein schlechter Artikel (für den Anfang), obwohl man teilw. andere Argumente bzgl. Kleinmengen hört.
menschenfreund
Gast
"07.05.2013 17:43 Uhr
von carlos: Saatgut hat kostenloses Weltkulturerbe zu sein..."
Dieser und allen anderen Aussagen schließe ich mich vorbehaltlos an. Ich möchte aber ergänzen, daß es ebenso vermieden werden muß, daß Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung haben dürfen und Knebelverträge, wie sie z.B. Monsanto zum Prinzip erhoben hat, mit schärfsten Strafen bis hin zur Enteignung belegt werden müssen.
carlos
Gast
Saatgut hat kostenloses Weltkulturerbe zu sein.
Jeder soll es beliebig vervielfachen können.
Saatguthersteller sollen lediglich durch ihre
Züchtungen und ihre problemlose Vervielfachung
der Samen und deren normgerechte Verpackung
Geld erwirtschaften dürfen.
Es muss breiter gesellschaftlicher Konsens, dass
Lebensmittelproduktionsrechte nicht käuflich sein
dürfen und nicht Konzerne über die Nahrungsmittelpreise
ähnlich verfügen dürfen wie Pharmaziehersteller
über Medikamente. Die Pervertierung des Rechts
mit Einführung der Gentechnik als eigene Industriebranche muss beendet werden und zwar sofort! Bisher hat jede technologische Revolution
ihre Umweltkatastrophen hervorgerufen, die
nur durch ihre endliche lokale Katastrophenkaskadenwirkung begrenzt wurde.
Die Gentechnik und auch deren gravierende
Wissensverknappung durch hochelitäre Studiengänge
und Aufnahmehemmnisse lassen jeglichen Ausschalter
vermissen.
Die Großkonzerne müssen direkt und umumwunden
ihr gesamtes geistiges Kapital
der Wissenschaft zur Überprüfung offenlegen und
publizieren. Alleinansprüche dürfen nie mehr
ableitbar sein. An den Lebensmitteln
dürfen Völker durch Besitzende nicht erpressbar sein!!