piwik no script img

Streit um Sommerferientermine ab 2018Gebt uns den August zurück!

Die Tourismusindustrie will die Sommerferien möglichst breit streuen, damit die Hotels lange ausgelastet sind. Im Sinne der Urlauber ist das nicht.

An einem Dienstag im August: Badevergnügen am Berliner Wannsee. Bild: dpa

BERLIN taz | Das waren Sommerferien! Wir fuhren barfuß mit dem Fahrrad zu einem Waldsee im östlichen Brandenburg, klauten unterwegs Klaräpfel aus einem Schrebergarten, plückten am Wegesrand saftige Brombeeren und tobten stundenlang auf einem ausrangierten Treckerschlauch im Wasser herum. Es war schließlich August: Hochsommer, reifes Obst, warmes Wasser im See.

So war es vor 30 Jahren in Ostdeutschland, als es in jedem Jahr acht Wochen Sommerferien gab, die am 1. September endeten.

Tempi passati. In diesem Jahr beginnt für die Kinder in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern das kommende Schuljahr am 5. August; Hamburg ist noch früher dran. Das heißt: Statt zu lernen, gibt es hitzefrei – und uns, den Kindern und Eltern, wird der klassische Ferienmonat August gestohlen. Zum Ausgleich gibt es Ferien, wenn sie kaum jemand braucht: An diesem Mittwoch ist in der Hauptstadt letzter Schultag – Mitte Juni, normalerweise Zeit der Schafskälte.

Zu verdanken ist die bundesrepublikanische Sommerferienrotation dem – ohnehin idiotischen – Bildungsföderalismus und der Tourismusindustrie. Sie möchte am liebsten, dass die Hotels in den heimischen Sommerdestinationen an 90 Tagen von Mitte Juni bis Mitte September voll ausgelastet sind; Juli und August reichen ihr nicht.

Herbststürme statt Sommerfrische

Aber wir leben nicht am Mittelmeer! Welcher vernünftige Mensch möchte seinen sommerlichen Jahresurlaub am Meer verbringen, wenn – wie derzeit – an der Nordsee 13 Grad Wassertemperatur herrschen oder wenn im September Herbststürme toben?

Vom überdehnten Sommerferienkorridor haben letztlich auch die Hoteliers nichts: Wer es sich leisten kann, fährt im Juni oder September ans Mittelmeer. Klimatisch sind Juli und August die mitteleuropäischen Sommermonate; und wer dann Urlaub bekommt, nimmt ihn auch in diesem Zeitraum. Dann ist es an Nord- und Ostsee so oder so voll – in den Urlaubsorten und auf der Autobahn. Trotz des frühen Ferienstarts.

An dem will der Deutsche Tourismusverband aber festhalten. Er griff am Montag in die Debatte um die Verteilung der Sommerferien von 2018 bis 2024 ein, über die die Kultusminister der Länder im nächsten Jahr befinden wollen. „Wünschenswert wäre es, den Ferienkorridor mit 90 Tagen so oft wie möglich auszuschöpfen“, fordert Verbandsvize Martin Spantig.

Mit anderen Worten: Weil trotz der derzeitigen Ferienregelegung Ende Juni/Anfang Juli und im September die Sommerziele zu wenig nachgefragt werden, sollen die Kultusminister für Nachschub sorgen. Drei Monate Hauptsaison, mit entsprechenden Preisen!

Montag statt Mittwoch

Dennoch ist nicht alles Quatsch, was die Branche vorschlägt. So fordert sie die Abschaffung eines Ferienbeginns am Mittwoch oder Donnerstag, was angeblich den Stau reduzieren hilft. Tatsächlich nervt eine solche Woche nur, weil sie nichts Halbes und nichts Ganzes ist: weder Schul- noch Ferienwoche. Wer zwei Wochen Ostseeurlaub plant, bricht nicht am Donnerstag auf, sondern am Wochenende, wenn Bettenwechsel ist.

Sinnvoll wäre auch, wie die Branche fordert, wenn die Bundesländer nicht nur die Sommerferien, sondern auch die anderen miteinander koordinieren würden. Was bringt die eine Winterferienwoche im Februar, wenn alle Quartiere in den Mittelgebirgen ausgebucht sind, weil – wie in diesem Jahr – dummerweise Berlin und Sachsen gleichzeitig Ferien haben? Das schadet Urlaubern und Hoteliers.

Und überhaupt: Zwei Wochen Herbst- und Osterferien sind je eine zu viel! Würden sie gestrichen, könnte es im Sommer acht statt sechs Wochen geben – der August wäre gerettet, selbst beim rollierenden System.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

11 Kommentare

 / 
  • Und überhaupt: Wenn Herbst- und Osterferien auf eine Woche schrumpfen - wer soll diese dann noch zu Urlaubszwecken nutzen?

    Dann werden diejenigen die in diesen Zeiträumen Urlaub machen um dem Sommerferienwahn zu entrinnen - und das sind nicht wenige - auch noch in den eh schon überfüllten Sommerferienzeitraum gezwungen. Die Herbst - und Ostersaison wäre somit auch für die Reisebranche verloren, denn wer fährt schon für eine Woche mit seinen Kindern in Urlaub?

    Dann könnte man diese Ferien ja auch ganz abschaffen denn, wie gesagt, was sollen wir mit einer Woche Ferien??

  • AH
    A. Hopfenschauer

    Unerfreulich sind weniger die frühe Termine als vielmehr die ständigen und mitunter sprunghaften Verschiebungen. Offenbar scheinen weder dem Autor noch dem KM klar zu sein, wie schwierig es ist, im eng gepackten Lehrplan immer wieder mit einigen Wochen mehr oder weniger Unterricht zurecht zu kommen. Ein Beispiel: FachoberschülerInnen müssen in einem Jahr 960 Praktikumsstunden nachweisen. Normalerweise kein Problem: 52 Wochen minus 12 Wochen Ferien ergeben 40 Wochen, á 3 Tage á 8 Stunden gleich 960 Stunden. Bei einer Vorverlegung um 3 Wochen fehlen dann 72 Stunden, die die SchülerInnen irgendwie selber organisieren müssen.

     

    Aber wen wundert das: Unser KM hat offene Ohren für jede Art von Lobbygruppe, Gastronomen wirken auf die Ferienplanung ein, Wirtschaftsvertreter auf die Lehrpläne, und die Bertelsmannstiftung hat quasi direkte Vertreter vor Ort. Nur die Erfahrungen und Wünsche der eigenen Schulen sind a priori verdächtig...

  • U
    Ulrike

    Ich finde den Artikel sehr einseitig gedacht und als einziges Argument wird aufgeführt, dass früher in der DDR alles besser war!

    Schonmal in Frankreich am ersten Sommerferientag Auto gefahren? Dort hat nämlich das ganze Land zusammen Ferien, alle wollen auf einmal weg, alle wollen in dieser Zeit ein Hotelzimmer oder auf den Campingplatz. Die gestaffelten Sommerferien dienen nicht nur der Tourismus-Industrie, sondern auch den Touristen! Ich möchte Auswahl haben, ich möchte nicht in noch größere Staus geraten. Und ich möchte auch mal im August, mal im Juni verreisen können! Dass der August immer schön und sonnig ist, ist nämlich auch nicht gesetzt!

    Und dann die Frühlings- und Herbstferien: Die müssen bei zwei Wochen jeweils bleiben! Auch das hat seinen Sinn, dass ich nämlich nicht nur im Sommer Urlaub machen kann, sondern auch im Herbst und Frühling. Eine Woche wäre dann zu wenig und alles würde sich noch mehr auf die Sommerzeit konzentrieren.

    Also: Lasst uns Wahlfreiheit! Lasst uns selber entscheiden, wann wir ausspannen wollen! Nicht nur im August!

  • S
    spelman

    Lösung: 3 Monate Ferien: Juni, Juli, August.

    Gleichzeitig in diesen Ferien Angebote mit Kinderbetreuung zum Lernen von Musikinstrumenten, Sport, Survival, Arbeiten (würde vielen Kindern einen Einblick in verschiedene Berufe ermöglichen!), Ferienlager und so weiter. Die Zeit für den Familienurlaub kann dann jeder frei wählen, und es wäre endlich auch möglich, mit Freunden aus der Nachbarstadt (die dummerweise in einem anderen Bundesland liegt!) zusammen in den Urlaub zu fahren!

     

    Und die Kinder, die das Glück haben über Großeltern im Rentenalter oder andere Verwandte mit Zeit zu verfügen, können "wie früher" mit dem Rad zum Badesee fahren - ja, das waren Ferien, wie ich sie auch in Erinnerung habe!

     

    Ach ja: die Schule muß darunter nicht leiden. Es schadet dem Bildungserfolg nicht, wenn sich Zeiten straffen(!) Unterrichts und Erholungszeiten abwechseln.

  • S
    sts

    Tja, bei meiner Tochter ist morgen auch der letzte Schultag, allerdings gehen die Ferien dann bis zum 27. August. Neun Wochen Ferien = neun Wochen Kinderbespassung = logistische Herausforderung und nicht immer ein Vergnügen für die Eltern.

  • O
    Osann-Monzel

    Ganz im Sinne von Leser Südstern: Wieso gelingt es Bayern und Baden-Württemberg seit Menschengedenken weder mit den anderen Bundesstaaten zu rotieren noch auf den günstigen späten Termin zu verzichten? Haben all diese Jahrzehnte mit exklusiv gleichmäßigen Schuljahren was mit ihren „Bildungserfolgen“ zu tun? Und mit Blick gen Westen: Wie gehen eigentlich französische Tourismusverbände mit den stets landesweit gleichen Sommerferienterminen um?

  • I
    Irmi

    18.06.2013 12:50 UHR

    von Schmidt Georg:

     

    Hr. Schmidt, das sie keine Ferien auf Mallorca machen konnten, sollten Sie sich bei den Regierenden der DDR bedanken.

     

    Glauben Sie mir, auch wir im Westen lebten zu der Zeit bis heute nicht im Paradies, auch ich kannte keine Urlaubsreisen, dafür war kein Geld da. Urlaub machen kannte ich erst nachdem ich geheiratet hatte, das war nicht Mallorca sondern im Zelt, wo ich wie daheim kochen und waschen musste.

     

    Eine ehemalige Kollegin aus dem Osten schwärmte immer, wie toll die DDR war. Als die Mauer dann gefallen ist, stellte sie fest, das man im Westen richtig malochen muss für sein Geld, was sie von drüben nicht kannte, dennoch der Staat alles zahlte.

  • S
    Südstern

    Ja, Richard, altes Nordlicht, in Bayern und Baden-Württemberg hast Du den ganzen August und den halben September frei.

    Schön blöd, dass die anderen 10 Bundesländer und die vier Sonderdeponien Berlin, Hamburg, Bremen und Saarland das, wie so vieles andere auch, nicht auf die Reihe kriegen.

  • R
    reblek

    "Das waren Sommerferien! Wir ... plückten am Wegesrand saftige Brombeeren..." - Was ein Glück mit geplückten Brombeeren.

  • SG
    Schmidt Georg

    naja, nicht nur in der DDR gabs lange Sommerferien und mit nem alten Treckerschlauch haben wir uns auch im Westen vergnügt-wobei die Zeiten des Treckerschlauchs wohl allgemein vorbei sein dürften und was 8Wochen Ferien betrifft-da könnte man jetzt wieder mal die alte Leier-Eltern-Schule-Ferien beginnen, aber man lässt das am besten-also, ein bischen ärgerlich aber schon, dass scheinbar nur om Osten eben die Kinder richtig Ferien machen konnten-die Westler sind ja alle auf Mallorca!

  • F
    Fridolin

    Ja, ja, früher war eben alles viel besser. Auch in der DDR.