: Einfach nur sitzen
EISANGELN Stundenlang verharren finnische Männer in der Eiseskälte auf dem zugefrorenen See. Mit Genuss
■ Info Savonlinna Travel, Puistokatu 1, 57100 Savonlinna, Tel. + 358 15 51 75 10, www.savonlinna.travel, Finnische Zentrale für Tourismus, www.visitfinland.de
■ Übernachten In Design Villas mit riesigen Fensterfronten, großer Sauna, moderner Küche und nur wenige Schritte vom See entfernt wohnt man in Antollanhovi, Hovintie 224, 52100 Antolla, Tel. + 358 207 57 52 00, www.antollanhovi.fi, eine Woche kostet zwischen 2.000 und 3.800 Euro.
■ Im Ferienzentrum Järvisydän sind die Häuser traditioneller, aber ebenfalls luxuriös ausgestattet. Bekannt ist das Feriendorf wegen seiner alten Saunahäuser, in denen man die Sauna wie in alten Zeiten zelebrieren kann. Hier bezahlt man je nach Saison und Haus 620 bis 1.500 Euro pro Woche. Porosalmentie 313, 58900 Rantasalmi, Tel. + 358 40 779 88 43, www.jarvisydan.com
■ Urlaub auf dem Bauernhof – aber trotzdem auch am See – erlebt man, wenn man bei Lomamokkila seine Hütte bucht. Die Preise variieren je nach Saison und Ausstattung pro Hütte zwischen 240 und 800 Euro/Woche. Mikonkiventie 209, 57310 Savonlinna, Tel. + 358 15 52 31 17, www.lomamokkila.fi
■ Essen und Trinken Tertti Manor. In dem alten Herrschaftshaus kann man ausgezeichnete finnische Küche genießen. Kuopientie 68, 50350 Mikkeli, Tel. + 358 15 17 60 12. Huvila Brewery Restaurant. Hier wird in einer Mikrobrauerei Bier gebraut und typisch finnische Hausmannskost serviert. Puitsokatu 4, 57100 Savonlinna, Tel. + 358 155 55 05 55
VON RASSO KNOLLER
Jukka wartet auf den Fisch. Und das seit Stunden. Er sitzt dick vermummt in Thermokleidung auf dem zugefrorenen See und trotzt dem finnischen Winterwind. Der ist eisig, auch an einem sonnigen Tag wie diesem. Es ist Winter in Ostfinnland, und die Hälfte aller Männer scheint draußen auf dem Saimaasee zu sein. Eisfischen – Pilkki – ist Männersache. Sie alle starren wie Jukka in ein kleines Loch in der Eisfläche. Jukka kennt seine Fische. Er weiß, wo und wann man sie am besten fängt. Zielsicher hat er eine Stelle etwa 200 Meter vom Ufer angepeilt, seinen Klappstuhl aufgestellt, die Thermoskanne mit heißem Kaffee in Stellung gebracht und mit seinem großen Eisbohrer ein Loch in die Oberfläche getrieben. 50 Zentimeter dick ist das Eis, und selbst Jukka, der als Besitzer einer „Outdoor company“ ziemlich durchtrainiert ist, kommt ins Schwitzen. Aber sobald das Loch im Eis ist, geht es ruhiger zu. Viel ruhiger.
Für die nächsten Stunden ist erst einmal nur Sitzen angesagt. Obwohl – der eine oder andere Eisangler wechselt im Laufe des Tages dann doch einmal das Angelloch, um an anderer Stelle des Sees ein neues Loch zu bohren. Ein Mittel gegen Langeweile? „Nein, Langeweile gibt es beim Eislochangeln nicht“, sagt Jukka mit dem Brustton der Überzeugung. Dass einige Angler ihr Loch aufgeben und weiterziehen, habe fangtaktische Gründe, erklärt er. Wenn man in der ersten halben Stunde an einem Loch nichts fange, stünden die Aussichten dort generell schlecht: „Die Fische treten in Schwärmen auf, wo du einen fängst, fängst du mehrere“, sagt er. Ein Blick auf Jukkas Fang, der recht lieblos neben ihm auf der Eisfläche verstreut herumliegt, scheint ihm recht zu geben. Dort liegt nach kurzer Zeit ein Dutzend Barsche. Doch die sind so klein, dass ich mich trotz der großen Anzahl frage, was Jukka damit macht. „Die werden in Brotteig eingebacken und als eine Art „Fischtasche“ gegessen“, sagt er.
Mein Angelloch ist keine 20 Meter von Jukkas entfernt – und scheint leer zu sein. Kein noch so kleiner Barsch will sich an der Made, die an meiner Angel hängt, verschlucken. Auch Jukkas genaue Anweisungen – erst die Angelschnur bis zum Seegrund ablassen, dann wieder einen halben Meter zurück hochziehen und schließlich die Fische durch verführerische Ruckbewegungen mit der Angel richtig hungrig manchen – bringen nicht den gewünschten Erfolg. Nach einer Stunde bei minus zehn Grad bin ich total durchgefroren und beginne so langsam den Spaß am Pilkki zu verlieren. Was alles könnte man an diesem herrlichen Wintertag machen: Skilanglaufen, Schneeschuhwandern oder mit den Schlittschuhen über den See brausen.
Hier bei Oravi, einer kleinen Ortschaft am Saimaasee, wird den ganzen Winter über eine knapp 50 Kilometer lange Eisbahn auf dem See freigeräumt. Die ist inzwischen so populär, dass Oravi im eislaufverrückten Holland zu einem beliebten Winterreiseziel geworden ist. Etwas neidisch blicke ich auf die Schlittschuhläufer, die nur 50 Meter von meinem Eisloch entfernt ihre Bahnen ziehen. Ob das Schleifen ihrer Kufen die scheuen Fische verscheucht? Offenbar nicht, denn Jukka meldet aus 20 Meter Entfernung seinen nächsten Fangerfolg. „Ahven“, schreit er zu mir herüber – schon wieder ein Barsch. Ich lege eine kleine Fangpause ein und wärme mich an meinem Kaffeebecher. Jetzt aufstehen, die paar Minuten zum Ufer hinüberstapfen und dann ab in die Sauna. Das wär’s.
Von meinem Angelplatz aus sehe ich sogar die drei Saunahäuschen, die zum Ferienzentrum Järvisydän gehören. Eine eigene „Saunamaid“ haben sie da, die ständig des Holz im Ofen am Brennen hält, während man selbst entspannt vor sich hin schwitzt und sich nur darüber Gedanken machen muss, ob man lieber in einer Rauchsauna, einer typischen finnischen Holzofensauna entspannen möchte – oder nicht doch lieber gemütlich im 40 Grad warmen Wasser des Hotpots sitzen will, um von dort aus den dämlichen Eisanglern auf dem kalten See zuzusehen. Im Augenblick gehöre ich aber selbst zu den „Dämlichen“ auf dem See und weiß, dass mich nur die Dämmerung retten kann.
Meditation bei Minusgraden
„Im Winter sind die Fische nur bei Tageslicht aktiv“, hat mir Jukka vor dem Aufbruch erklärt – und so begründet, warum wir zu den Ersten gehören sollten, die am Morgen hinaus auf den See gehen. In der Dämmerung habe man nur wenig Aussicht auf Angelerfolg. „Herr, lass Abend werden,“ schicke ich ein Stoßgebet gen Himmel. Noch aber ist gerade mal Mittag, deswegen steht jetzt eine zünftige Brotzeit auf dem Eis an. Wieder Kaffee, das Lebenselexier der Finnen, und ein paar Wurstbrote. Und wieder scheint mir das Ufer so verführerisch nah. War da nicht ein Restaurant? Eines, in dem das Feuer im offenen Kamin flackert? Doch die Finnen haben ein anderes Verhältnis zur Natur als verweichlichte Mitteleuropäer. Ein Ausflug auf den zugefrorenen See und ein Picknick an einem Lagerfeuer im Freien gehören auch bei Minusgraden zum normalen Wochenendprogramm.
Nach dem Mittagessen klappt es besser. Nein, nicht das Angeln. Aber ich komme langsam in „Finnlandstimmung“. Und ich begreife: Den finnischen Männern geht’s gar nicht ums Angeln. Sie wollen nur dasitzen, von niemandem gestört werden und die Welt um sich herum vergessen. Und nach etwas Anlaufzeit tauche auch ich aus der Realität ab. So lange, bis mich das Rucken an der Angel aus meinen Träumen reißt. „Ahven“, schreie ich zu Jukka hinüber und halte stolz zehn Zentimeter Fisch in die Luft.
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