Kolumne Ich meld' mich: Tropenträume
Gefahren gibt es überall und immer unterwegs. Manchmal lauern sie dem Reisenden überraschend auf, bringen sich kotzübel in Erinnerung.
Am Abend vor dem Abflug nimmt das Zimmer um mich herum Fahrt auf und ich klatsche mit dem Gesicht in den gemischten Salat. Kalter Schweiß, Notarzt, Lübeck-Süd statt Lima-Barranco. Erste Untersuchungen. Im Röntgenraum kotze ich in den Papierkorb. Und kotze, kotze, kotze. „Eine Störung im Gleichgewichtssystem wahrscheinlich“, meint der diensthabende Arzt. „Aber noch stehen MRT und Blutbild aus.“
In der Nacht auf dem Flur der überfüllten Station rauscht mein Blut durch die Adern wie ein Wildwasserbach. Myriaden winziger Geister stürzen sich in die Fluten, schießen unter Trommelwirbeln in meinen Schädel, tuscheln und brüllen: „Blutbild, Blutbild, MRT“, und nagen mit spitzen Zähnen Fragen aus den Schründen des Gehirns: Hier sind wir, erinnerst du dich? Wir, die kleinen Tropenmonster. Hast du wirklich nie die Zehen im bilharzioseverseuchten Wasser baumeln lassen? Nie die Ärmel zu hoch aufgekrempelt in malariariskanten Ecken?
Guinea-Bissau, Äthiopien, Honduras – hallo, Freund, wir sind alle noch da. Die Luft voller Fledermauskot in der Höhle in Malaysia, ha? Hast nie im falschen Mangrovenschlamm gebuddelt? Nie am verkehrten Aas geschnüffelt? Und dieses Buschtierchen namens Chat-tigre, das die Pygmäen in Kamerun für dich grillten – war das wirklich so ganz ohne?
Am nächsten Morgen weichen alle Wände, kein Stück Erdboden ist mehr da, wo es sein soll, der ganze Mann wird ein Stück Fallobst. Endlich wagt der Neurologe eine Diagnose. „Blutbild und Schichtröntgenbild des Gehirns sind okay. Es handelt sich um eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs links.“
Jubel und Trubel im Tohuwabohukopf. Abmarsch, die Monster! Zurück mit euch, dahin, wo ihr hingehört: in den kleinsten aller Zehen. „Die Ursache ist noch unbekannt“, sagt der Neurologe. „Wahrscheinlich löst irgendein Virus die Erkrankung aus. Kann von überall kommen.“ Irgendein Virus, von irgendwoher. Noch seid ihr nicht aus dem Schneider, Tropen.
Leser*innenkommentare
Schmidt Georg
Gast
wenn ich was nicht leiden kann, immer diese Prahlerei mit dem Ausland/Tropen, 1000nde Monteure sind in der Welt unterwegs, oft unter menschenunwürdigen Bedingungen, schreibt mal von denen !
Schmidt Georg
Gast
soll sich nicht so haben, soll erst mal in 3.Welt sein, allein auf sich gestellt, das nächste gute Krankenhaus 1 Tag entfernt, eine KLINIK in der Nähe, wo der Doc noch nich mal english spricht, da liegt man mit klopfenden Herzen und schweissnass und hofft das Beste !