Ratingagentur stuft Italien herab: Rom findet's „falsch"
Laut Standard & Poor's schrumpft Italiens Wirtschaft weiter und die Verschuldung bleibt gefährlich hoch. Die Regierung hält dagegen, dass Reformen nicht berücksichtigt wurden.
ROM/LONDON dpa | Italiens Regierung hat die Senkung der Kreditbewertung des Euro-Krisenlandes durch die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) als falsch und kleinlich kritisiert. Die Analysten der Agentur berücksichtigten die bereits vorbereiteten Maßnahmen der neuen Regierung unter Enrico Letta nicht, hielt das Wirtschaftsministerium in Rom am Dienstagabend der Herabstufung der Bonität Italiens entgegen.
S&P hatte das Rating für das Land wegen der schwachen Aussichten für die konjunkturelle Entwicklung von „BBB+“ auf „BBB“ gesenkt. Italien steckt in einer anhaltenden Rezession.
Mit der Senkung liegt die Kreditbewertung für die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone jetzt nur noch zwei Stufen über dem „Ramsch-Niveau“, mit dem gemeinhin spekulative Anlagen gekennzeichnet werden. Außerdem setzte die Agentur den Ausblick auf „negativ“, so dass in den kommenden Monaten weitere Herabstufungen möglich sind. Rating-Abstufungen können die Folge haben, dass das Land höhere Zinsen bieten muss, um sich Geld bei Investoren zu leihen.
Letta, Chef einer von einer großen Koalition getragenen Regierung, sprach von „engherzigen Bewertungen“. Wer gedacht hätte, dass (auf internationaler Ebene) alles gelöst sei, habe sich getäuscht, sagte er dem TV-Sender RAI. „Italien wird weiterhin „besonders überwacht““, fügte er an. Die liberale Turiner Zeitung La Stampa meinte am Mittwoch, der unerwartete Pessimismus in dem Urteil der Agentur sollte Italien aber nicht sehr schaden, denn alle drei großen Ratingagenturen hätten sich durch Fehlurteile in den vergangenen Jahren selbst diskreditiert.
Nach Einschätzung der Experten von S&P in London haben sich die Aussichten für Italiens Wirtschaft zuletzt weiter verschlechtert. Die Wirtschaftsleistung sei im ersten Quartal weiter gesunken und sie befinde sich derzeit unverändert in einem Abschwung. S&P senkte daraufhin die Prognose für das italienische Bruttoinlandsprodukt.
Frisches Geld ist sehr teuer
Die Experten gehen von einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung von 1,9 Prozent in diesem Jahr aus, nachdem sie zuvor nur einen Rückgang um 1,4 Prozent erwartet hatten. Letta bereitet eine Reihe von Maßnahmen, darunter steuerliche Erleichterungen, vor, um die Wirtschaft anzukurbeln und die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Ein weiteres Problem sehen die S&P-Experten in den vergleichsweise hohen Zinsen, die italienische Firmen für Kredite zahlen müssen. Insgesamt wird die Verschuldung des Landes auf einem gefährlich hohen Niveau verharren, so die Einschätzung. S&P geht davon aus, dass der Anteil der öffentlichen Verschuldung am Bruttoinlandsprodukt bis zum Jahresende bei 129 Prozent liegen wird.
Mit der neuen Bewertung hat sich S&P den Urteilen anderer führender Agenturen teilweise angepasst. Bei Moody's hat Italien ebenfalls ein Rating, das zwei Stufen über dem Ramsch-Niveau liegt. Bei Fitch liegt das Rating weiter noch drei Stufen über Ramsch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!