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WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEITKonspirieren und auch sabotieren

Sie trauen Ihrem staatlichen Geheimdienst nicht mehr? Der klandestine Verein liefert nicht länger die erwarteten Ergebnisse? Sie müssen sogar fürchten, die Schlapphüte sind zum politischen Gegner übergelaufen? Da hilft wohl nur: Gründen Sie Ihren eigenen Dienst!

Zugegeben, das klingt ein wenig salopp. Die Sache wird dadurch aber nicht weniger plausibel. Nehmen wir nur einmal Deutschland, Herbst 1969: Die APO tobt, und mit Willy Brandt stellt die SPD zum ersten Mal den Kanzler. Ein hochrangiger Mitarbeiter beim BND kündigt, weil er der neuen Regierung in Sachen Ostpolitik nicht traut – für ihn ist das Hochverrat. Finanziert von CDU und CSU sowie großzügigen Gönnern aus der Wirtschaft gründet er einen eigenen Nachrichtendienst. Bis in die 1980er Jahre nutzt die Union seine Dienste, um sich aus dem In- und Ausland brisante Informationen zu beschaffen, um zu konspirieren und zu sabotieren. Nachzulesen bei Stefanie Waske, die unter dem Titel „Nach der Lektüre vernichten!“ (Hanser Verlag, 2013), berichtet, wie ein Netzwerk konservativer Eliten versuchte, die eigenen Interessen unabhängig von der offiziellen Außenpolitik durchzusetzen.

Für alle privaten Geheimdienste gilt, dass sie ähnlich wie staatliche Organe die Öffentlichkeit scheuen und eine konsequente Intransparenz betreiben. Zu dieser simplen wie ernüchternden Erkenntnis kommt Stephan Blancke in seiner Studie „Private Intelligence“ (VS Verlag, 2011). Sie bildet die Ausgangslage seiner Untersuchung „Privater Intelligence-Strukturen“ (PIS). 70 solcher PIS hat er angeschrieben. Nur sieben reagierten überhaupt, und eine einzige beantwortete Fragen. Was die tun? Staatskonzerne und Banken lassen von Unternehmen wie Control Risks oder Desa Investigation & Risk Protection Personendossiers und Bewegungsprotokolle erstellen. Atomkonzerne wie EDF in Frankreich lassen Rechner von Greenpeace hacken, weil sie an Informationen über künftige Kampagnen gelangen wollen. Also nur zu: Reihen Sie sich ein. Gründen Sie Ihren eigenen Verein.

Der Autor ist Redakteur der taz

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