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Regisseur Uli Jäckle über Laiendarsteller„Der Kick ist das Unwägbare“

Bei den Heersumer Sommerspielen zeigen 130 Laiendarsteller ein selbst geschriebenes Stück im Freien. Reichen die schauspielerischen Fähigkeiten?

Man muss nur die richtige Rolle finden: Laienschauspieler und ein Profi proben für „Der Hakelmann". Bild: Andreas Hartmann
Klaus Irler
Interview von Klaus Irler

taz: Bei den jährlichen Heersumer Sommerspielen stemmen immer über 100 Laien aus allen Altersschichten zusammen ein drei- bis vierstündiges Stück samt Bühnenbild und Kostümen. Geht es dabei um den Arbeitsprozess oder um das Ergebnis?

Uli Jäckle: Um das Ergebnis. Wir haben jedes Jahr 500 Zuschauer pro Vorstellung, die Eintritt bezahlen und dafür etwas kriegen wollen. Auf der anderen Seite ist für die Leute, die mitspielen, natürlich der Prozess wichtig. Aber die Mitwirkenden haben den Ehrgeiz, etwas zu zeigen. Darum ist es für sie dann ein guter Prozess, wenn er ein gutes Ergebnis hat.

Können die Laien ausreichend gut schauspielern?

Was ist das, „schauspielern“? Jeder schauspielert den ganzen Tag, immer. Jeder ist im Spielen seiner Welt immer Experte, ist Profi in seiner Selbstdarstellung. Man muss einfach die richtige Rolle finden für die einzelnen sogenannten Laiendarsteller. Es muss etwas mit ihrer Lebenswelt zu tun haben. Dann wird es auch nicht peinlich.

Gehört nicht etwas mehr dazu?

Die Figurenbehauptung funktioniert bei Laien immer über ein Kostüm oder über den Text. Sie müssen sich nicht unbedingt in etwas hineinfühlen. Der Charme ist die Ehrlichkeit, mit der sie da stehen und ein Statement abgeben.

Reicht es den Zuschauern, charmante Darsteller zu sehen?

Das Wichtige ist, dass die Zuschauer sich selbst auf der Bühne sehen. Dass sie sehen: Das könnte ich auch. Jeder, der kommt, kann mitmachen. Ich mache kein Casting.

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Im Interview: Uli Jäckle

51, ist freier Regisseur und Professor für Darstellendes Spiel an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Er ist künstlerischer Leiter des Theaters Aspik, hat an verschiedenen Staatstheatern inszeniert und leitet seit vielen Jahren die Heersumer Sommerspiele.

Was bedeutet das für Ihre Arbeitsweise?

Ich muss mich auf die Leute einlassen, die mitspielen wollen. Das heißt: Wenn die nur einmal pro Woche zwei Stunden proben können, dann müssen wir in dieser Zeit etwas hinkriegen. Insofern ist man latent unterprobt. Aber das ist der Charme der Sache.

Für die Dramaturgische Gesellschaft haben Sie Regeln zum Landschaftstheater aufgestellt. Welche ist die wichtigste?

Wir suchen eine Landschaft oder einen Ort, der eine Aura hat, etwas Spektakuläres oder eine Größe. Der Ort entlastet die Laien von dem Darstellungsdruck. Es ist anders als auf einer Bühne, auf der erst mal Neutralität herrscht. Außerdem ist es total wichtig, dass die Zuschauer von einem Spielort zum nächsten wandern. Dass sie sich während des Stückes unterhalten können, baut Druck ab. Wichtig ist, dass man die Leute von den Sehgewohnheiten eines normalen Theaterstücks trennt.

Was wird dieses Jahr der Ort sein, auf dessen Aura Sie setzen?

Dieses Jahr ist es eine verlassene Graupenmühle in Rhene. Rhene ist ein kleines Dorf zwischen Holle und Baddeckenstedt, 20 Kilometer östlich von Hildesheim. Dort gibt es die Innerste und die Sage vom Hakelmann. Mit dieser Figur haben früher die Eltern ihren Kindern Angst gemacht: Sie sollen nicht in die Nähe von einem Fluss gehen, sonst zieht sie der Hakelmann rein. Dieser Hakelmann haust in der Mühle und wird von James Bond gejagt. Die Mühle taugt für einen James Bond-Showdown. Wir haben diesmal wieder ein echtes Flugzeug dabei.

James Bond jagt den Hakelmann?

In dem Stück stellt sich heraus, dass James Bond eine riesige Familie hat. Von allen Geliebten der letzten 50 Filme hat er Kinder. Also muss der Hakelmann, der Kinder entführt, gejagt werden von Bond. Es ist seine letzte Mission, bei der er auch auf seinen Nachfolger 008 trifft.

Heersum bedeutet immer einen Kraftakt: Die vielen Darsteller, der große Aufwand bei Ausstattung und Kostümen, die Abhängigkeit vom Wetter: Warum machen Sie das?

Der Kick ist das Unwägbare. Der Kick ist die Rest-Anarchie, die in unseren Stücken steckt. Sich selbst Kleine-Jungs-Träume zu erfüllen. Leute zum ersten Mal spielen zu sehen. Zu sehen, dass sie etwas tun, was sie noch ihren Enkeln erzählen werden. Leute zu sehen, die so aus sich rausgehen, wie sie noch nie aus sich rausgegangen sind. Das ist Sinn stiftend: Für die Darsteller, für mich als Regisseur und für die Zuschauer.

Aufführungen: 10./11./17./18./24./25./31. August, 1. September, jeweils samstags um 15 Uhr und sonntags um 10 Uhr; Karten: ☎ 05062 / 89 38 0 oder per E-Mail:

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