Prozess wegen Polizisten-Videos: Beim Filmen ertappt gefühlt

Eine Göttinger Bürgerinitiative prozessiert gegen die Polizei, weil ein Mitglied kontrolliert wurde. Der vermeintliche Grund: Nahaufnahmen von Beamten.

Möchten gern unbeobachtet sein und schon gar nicht fotografiert werden: Filmende Polizisten bei einer Demonstration. Bild: dpa

Die letzte Entscheidung liegt nun beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: So möchte es die Göttinger Bürgerrechtsinitiative „BürgerInnen beobachten die Polizei und Justiz“. Ihr Göttinger Anwalt Sven Adam hat Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg eingelegt, das ein Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen betätigte, wonach vermeintliche Nahaufnahmen von Polizisten im Einsatz untersagt seien und eine Identitätsfeststellung des Fotografen rechtfertigen. „Das ist ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“, beklagt Adams.

An 22. Januar 2011 befanden sich Peter Braun* von der Bürgerinitiative und seine Kollegin Katrin Schwarz* gekennzeichnet mit dem Button der Organisation auf einer Demonstration in Göttingen, um den Einsatz der Polizei zu verfolgen. Die Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, rechtswidriges Polizeihandeln per Fotos oder Video zu dokumentieren und gegebenenfalls als Zeugen zur Verfügung zu stehen.

An jenem Tag beobachteten sie, wie zwei Beamte einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit aus Hannover von den Demonstranten ohne ersichtlichen Anlass durchgängig Filmaufnahmen anfertigten. Als beide von den Beamten eine Begründung für die „nicht anlassbezogene Erhebung der Daten von Teilnehmern“ erfragen wollten, sind sie nach einem kurzem Wortwechsel aufgefordert worden, ohne Angaben von Gründen ihre Personalien anzugeben. „Das belegt auch ein später von der Göttinger Polizei vorgelegter Videofilm“, sagt Anwalt Adam.

Braun händigte seinen Personalausweis aus und klagte später gegen die Erhebung seiner persönlichen Daten vorm Verwaltungsgericht Göttingen. In dem Verfahren gaben die Polizisten nun an, dass Braun und Schwarz aus der Entfernung einer Armlänge von der Seite ihre Gesichter fotografiert hätten. Sie hätten die beiden Bürgerrechtler darauf hingewiesen, dass es nicht zulässig sei, Porträtaufnahmen ohne ihr Einverständnis anzufertigen und anschließende zu veröffentlichen. „Ich habe zu keinen Zeitpunkt Nahaufnahmen oder Porträtfotos der Beamten gemacht“, beteuerte Braun vor Gericht, was im Übrigen auch der später vorgelegte polizeiliche Videofilm der Polizisten belegt. Das Oberverwaltungsgericht erklärte zwar, dass das Filmen und Fotografieren von Polizeieinsätzen grundsätzlich zulässig sei, rechtwidrig sei es aber, diese Bilder zu verbreiten und die Abgebildeten zur Schau zu stellen, wenn es von ihnen keine Einwilligung gibt, urteilten die Richter. Selbst wenn die Videoaufzeichnungen der Polizisten rechtswidrig gewesen sein sollten, hat kein Grund vorgelegen, Nahaufnahmen von Polizisten zur Beweissicherung anzufertigen – so lautet die Auffassung des Gerichts.

Persönlichkeitsrechte in Form von Veröffentlichungen von Bildern sind durch das Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) geregelt.

Bildnisse und Fotos dürfen grundsätzlich nur mit Einwilligung der abgebildeten Person veröffentlicht oder öffentlich zur Schau gestellt werden (§22 KunstUrhG). Eine Einwilligung für die Erstellung des Fotos ist nicht zwingend Voraussetzung.

Ohne Einwilligung dürfen Fotos von Personen aus den Bereichen Zeitgeschichte und Sport oder von Versammlungen veröffentlicht werden (§23 KunstUrhG).

Die Polizeiführung selber bezeichnet Polizisten im Einsatz als Personen der relativen Zeitgeschichte.

Privates im Dienst gibt es nicht. "Rechtsstaatliche Gründe verbieten es, Polizeibeamte während der Dienstzeit in die Rolle eines Privatmannes schlüpfen zu lassen", schrieb schon 1992 die Zeitschrift Bereitschaftspolizei heute in dem Leitartikel "Das Recht am eigenen Bild - auch für Polizeibeamte?".

Diese Entscheidung mag schon aus dem Grund verblüffen, dass selbst die einschlägige Polizeiliteratur davon ausgeht, dass ein Polizist im Einsatz kein Recht am eigenen Bild geltend machen und gegen Fotoaufnahmen vorgehen kann. Das schreibt etwa schon 1992 die Zeitschrift Bereitschaftspolizei heute in einem Leitartikel. Denn beim Anfertigen von Bildern könnten Polizisten nicht wissen, ob die Bilder überhaupt veröffentlicht werden, zudem seien Polizeibeamte als „Vollzug staatlicher Aktion“ dem „Kreis der Personen (relativer) Zeitgeschichte“ zuzurechnen und Maßnahmen gegen Fotografen könnten kontraproduktiv den Schaden auslösen, die Polizei habe etwas zu verbergen.

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