Kolumne Liebeserklärung: Die Geierschildkröte

Seltsam – in ihrer Heimat kommt man gut mit ihr klar. Nur bei uns muss sie als Schrecken der Weiher das Sommerloch füllen.

Keinen Bock auf Deutschland: Schlecht gelaunte Geierschildkröte. Bild: dpa

Was wäre der deutsche Sommer ohne ein marodierendes Tier? Ein so hübsch bizarres Geschöpf wie eine Alligatorschildkröte aber gab es noch nie! Etwa 40 Zentimeter lang und 14 Kilo schwer soll sie sein, bezaubernd verwachsen sieht sie aus, pflegt aber ein schlechtes Benehmen.

Mit ihrem zahnlosen, geierschnabelartigen Maul soll sie einem Achtjährigen im Oggenrieder Weiher im Allgäu beim Baden die Achillessehne durchbissen haben.

Daraufhin brach in dem beschaulichen Urlaubsort die Hölle los: Warnschilder, Badeverbot, Feuerwehrgroßeinsatz. Die Schildkröten aber sind Meister der Tarnung und können wochenlang regungslos im Schlamm ausharren. Hunderte Fische wurden umgesiedelt, der gesamte Weiher trockengelegt. Seither gähnt ein großes, stinkendes Schlammloch in der idyllischen Landschaft, von Reportern belagert, von Dutzenden Helfern durchpflügt.

Snowdenleaks könnte für Internetaktivisten sein, was Tschernobyl für die Atomkraftgegner war. Aber schafft es die Netzbewegung, diese Chance zu nutzen? Die große Geschichte „Was tun! Aber was?“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 17./18. August 2013. Darin außerdem: Ein Gespräch mit dem politischen Kabarettisten Georg Schramm, eine Reportage über Frauen im Kosovo, die nach dem Krieg neues Selbstbewusstsein entwickeln. Und der sonntaz-Streit zur Frage: Macht Taschengeld Kinder zu Materialisten? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Der Bürgermeister erwägt sogar, es vollständig ausbaggern zu lassen. Ob die Schildkröte sich dort noch aufhält, ist allerdings so unklar, wie ob es sie überhaupt gibt, denn gesehen hat sie noch niemand. Fest steht lediglich, dass Geier- und Schnappschildkröten, darin einem Hund ähnlich, in der Tat kräftig zubeißen können.

Die Unfallgefahr ist allerdings minimal. Die Menschen im Osten der USA, wo die Tiere eigentlich leben und flächendeckend in praktisch jedem Gewässer vorkommen, steigen nach dem Baden häufig gänzlich unversehrt wieder ans Ufer. Die irrationale Angst des Deutschen vor allem, was ihm fremd ist – danke, liebe Geierschildkröte, dass du sie uns so charmant vor Augen führst!

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Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).

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