Zwischen Frustration und Wut

betr.: „Feindbild Islam“ von Katajun Amirpur, taz vom 5. 12. 05

Sie glauben gar nicht, wie es insbesondere uns deutsche Muslimas mit Kopftuch ärgert, wenn wir von überallher Deutungen über uns hören, ohne dass wir auch nur einmal selbst gefragt werden. Wir schwanken zwischen Frustration und Wut über diese koloniale Arroganz. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass wir ganz einfach auch deshalb nicht gefragt werden, weil man dann die lieb gewonnenen Vorurteile nicht mehr ganz so überzeugt hinausposaunen könnte. Es ist gar keine Frage, dass die Missstände in dieser Gesellschaft – vornehmlich die Gewalt gegen Frauen – angeprangert und mit gemeinsamen Anstrengungen beseitigt werden müssen. Aber diese Missstände sind halt nicht nur spezifisch muslimischer Art. Ich bin allerdings nicht sehr zuversichtlich, dass wir zu einer tatsächlich sachlichen Diskussion zurückfinden, dafür ist zu viel Porzellan zerschlagen worden.

Eine Freundin, die nach zweijährigem Auslandsaufenthalt hier Urlaub gemacht hat und am Wochenende eine islamische Veranstaltung besuchte, hat mich gefragt, was in Deutschland in den letzten beiden Jahren passiert sei. Ich verstand ihre Frage nicht so recht. Sie sagte mir: die Muslime auf dieser Veranstaltung waren nur damit beschäftigt, sich dafür zu entschuldigen, dass es sie gibt. Das kann nicht der Weg sein. Aus den Fehlern, die auf beiden Seiten gemacht wurden, muss man lernen. Der Schluss, der derzeit auf Regierungsseite gezogen wird, ist, dass Multikulti ein Fehler war und man auf Repression setzen muss. Das ist ein fataler Weg, denn er unterstützt auf der muslimischen Seite nur die Abschottungsbefürworter und treibt auch diejenigen in eine so genannte Parallelgesellschaft, die diese gar nicht wollen. Was in dieser Gesellschaft völlig fehlt, ist, dass der Islam, der in den Medien fast ausschließlich nur als zerstörerische und desintegrative Kraft beschrieben wird, auch dort einmal als das dargestellt wird, was er – nach wissenschaftlichen Untersuchungen – auch sein kann: eine Kraft, die dem Leben nicht nur Sinn verleiht, sondern aufgrund seines hohen Anspruches an soziales und moralisches Verhalten dieser Gesellschaft nützt.

G. BOOS-NIAZY, Wesseling