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Experimentdays 13„Gar nichts mehr privatisieren“

Michael LaFond über Selbstorganisation, schwindende Freiräume, und warum er dennoch auf dem Tempelhofer Feld bauen würde.

Das Tempelhofer Feld bietet genug Raum für Experimente, wie hier das Gartenprojekt Rübezahl. Bild: dpa
Interview von Frauke Vogel

taz: Herr LaFond, ab heute veranstaltet Ihr Institut für kreative Nachhaltigkeit id22 die „experimentdays 13“ auf dem Tempelhofer Feld. Worum geht’s?

Michael LaFond: Im Kern geht es um selbstorganisierte, gemeinschaftliche und nachhaltige Wohnformen. Wir organisieren die Experimentdays, um Projekte zu vernetzen, um Menschen, die solche Formen suchen, mit den Menschen zusammenzubringen, die sie organisieren.

Wie genau sieht das aus?

Experimentdays 13

Die "Experimentdays 13" haben am Freitag begonnen. Am Samstag (7. 9.) findet von 10 bis 18 Uhr die "Wohnprojektbörse" in der Zollbörse (Flughafengebäude Tempelhof) statt, bei der sich Baugemeinschaften, Netzwerke, Banken und Stiftungen vorstellen.

Am Sonntag (8. 9.) um 11 Uhr wird das "experimentcity camp" am östlichen Rand des Tempelhofer Felds eröffnet, besucht werden kann es bis 15. September. Dort und anderswo, etwa auf dem RAW-Gelände, finden Diskussionsveranstaltungen statt.

Auch Touren werden angeboten, etwa am 14. 9. von 12 bis 15 Uhr "Von den Prinzessinnengärten zum Spreefeld".

Das Hauptprojekt ist wie jedes Jahr die Wohnprojektbörse, bei der um die 30 selbstorganisierte Projekte zusammenkommen, ergänzt durch alternative Banken, Stiftungen und Expertennetzwerke. Gemeinsam wollen sie über nachhaltige, nicht-spekulative Stadtentwicklung informieren und diskutieren. Dazu kommen Exkursionen, Ausstellungen und Stadttouren zu anderen beispielhaften Projekten, wie dem RAW-Gelände. Aber wir wollen auch das Interesse der breiten Öffentlichkeit an diesem Thema wecken und über Optionen informieren. Und natürlich wollen wir Politik und Verwaltung herausfordern.

Welche Kritik haben Sie denn an der Berliner Stadtentwicklungspolitik?

Sie bewegt sich zu langsam und öffnet sich nicht gegenüber innovativen Ideen. Die Gentrifizierung schreitet voran, in einigen Stadtteilen sind die Chancen für diese Debatte bereits vertan. Was uns fast am wichtigsten erscheint, ist das Thema Privatisierung. Wir meinen, Berlin sollte seine Liegenschaften schlicht und ergreifend gar nicht mehr verkaufen, den Spielraum nicht so schnell aus der Hand geben, um die Wohnpolitik auch in den kommenden Jahren beeinflussen zu können. Wohnen darf nicht als Ware, sondern muss als Recht, als Qualität verstanden werden, die wir gemeinsam zu entwickeln haben und die nicht vom Markt zu entscheiden ist.

Die Experimentdays gibt es seit zehn Jahren. Was hat sich seitdem verändert?

Natürlich war Berlin vor zehn Jahren noch bezahlbarer. Es gab viele Freiräume, die jetzt langsam verschwinden. Mit der Zeit haben sich aber auch die einzelnen Initiativen für alternative und kreative Wohnformen besser vernetzt und sind heute besser in der Lage, die Politik zu beeinflussen.

Haben sie das Gefühl, dass die Nachfrage nach alternativen Wohnformen steigt?

Sie war in Berlin eigentlich immer groß. Aber vergangenes Jahr hat unser Institut ein Handbuch für selbstorganisiertes, nachhaltiges Wohnen herausgebracht, in dem wir neun europäische Städte vergleichen, und da konnten wir feststellen, dass die Nachfrage überall steigt. Die Menschen wollen wieder mehr in Gemeinschaften leben, Teil einer funktionierenden Nachbarschaft sein. Sie merken, dass sie mehr erreichen, wenn sie gemeinsam Eigentum schaffen und ihre eigenen Lebensräume gestalten. Das macht auch ökonomisch Sinn.

Warum haben Sie sich für das Tempelhofer Feld als Veranstaltungsort entschieden?

Weil hier noch so viel zur Debatte steht. Wir wollen dem Gelände eine besondere Aufmerksamkeit geben. Wir fragen: Was passiert auf dem Feld? Was ist in den letzten Jahren passiert, und wer darf in Zukunft mitreden? Das Tempelhofer Feld steht exemplarisch für die Konflikte, die auch in anderen Stadtteilen entstanden sind. Für die Frage nach dem Umgang mit Brachflächen oder Leerstand.

Wie sieht denn Ihre Vision für das Tempelhofer Feld aus?

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung denkt ja sehr konservativ über große Investoren nach. Wir schlagen stattdessen vor, nicht-spekulativ mit dem Feld umzugehen. Also das Land nicht zu privatisieren, sondern an bezahlbare Optionen zu denken, mit kleineren, gemeinnützigen Wohnstrukturen zu arbeiten.

Das Volksbegehren „100 % Tempelhof“, das am nächsten Wochenende startet, fordert allerdings etwas ganz anderes, nämlich die Freifläche überhaupt nicht anzutasten.

Eine kritische Auseinandersetzung mit den Themen Freiräume und Tempelhofer Feld finde ich prinzipiell richtig. Ich denke aber auch, dass man über eine Bebauung der Fläche nachdenken muss, wenn der Wohnraum in Berlin knapp wird. Deswegen sind wir dafür zu prüfen, ob gemeinnützige, selbstorganisierte Initiativen in der Lage sind, partizipative und bezahlbare Wohnformen auf dem Feld zu realisieren. Dazu stehen wir ganz offen. Und bevor zum Beispiel Menschen aus dem bereits stark gentrifizierten Schillerkiez, aus ihrem Umfeld vertrieben werden, muss das Tempelhofer Feld als alternativer Wohnraum in Betracht gezogen werden.

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