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„Unser Haus würde verrotten“

STROH Kay Hoffmann ist ein ungewöhnlicher Bauherr. Sein Eigen-heim fällt komplett aus der Abfallstatistik

Kay Hoffmann

■ 45, arbeitet bei der Deutschen Aids-Hilfe e. V. in Berlin und baute sich 2011 mit seiner Partnerin ein Strohballenhaus im grünen Berliner Umland.

taz: Herr Hoffmann, warum wollten Sie ein Strohballenhaus?

Kay Hoffmann: Das war eine sehr emotionale Entscheidung und wurde nicht von Vernunft dominiert. Ich fand den Baustoff zunehmend sympathisch. Stroh ist ein traditionelles und regional bekanntes Baumaterial, das es paradoxerweise schafft, mit ganz einfachen Mitteln auf sehr aktuelle Fragen zu antworten.

2010 sind in Deutschland 186.560 Tonnen Bauschutt angefallen. Wird Ihr Haus irgendwann auch Teil der Abfallstatistik sein?

Ich würde schätzen, bestimmt 90 Prozent unseres Hauses sind kompostierbar. Man könnte es komplett abtragen, wenn man keine neuen Dinge daraus herstellen will. Es würde auf natürliche Weise verrotten.

Woher kamen die Strohballen für die Wände?

Den Plan, alles aus hundert Kilometer Entfernung heranzuschaffen, konnten wir nicht realisieren. Die Ballen mussten wir dann leider, leider aus Nürnberg herankarren lassen. Es gab in Brandenburg einfach keine.

Mussten sie extra für euch hergestellt werden?

Die Ballen von unserem Zulieferer werden, soweit ich weiß, in Pferdeställen eingesetzt. Sie haben eine stärkere Pressung und sind kleiner. Aber produziert werden sie ursprünglich nicht als Baustrohballen.

Wie ist es mit anderen Materialien, die daneben verbaut wurden. Sind Ihnen wirklich alle bekannt?

Ja klar, ich habe alles in der Hand gehabt.

Was bedeutet es für Sie, „kompostierbar“ zu bauen?

Ich denke, dass mein ökologischer Fußabdruck dadurch recht klein ist, wenn ich auch sonst achtsam mit meiner Umwelt umgehe. Das ist natürlich schwer genug. Und ich empfinde das Bekenntnis zum Vergänglichen sympathisch. Ich will nichts bauen und austüfteln, das den Anspruch hat, Hunderte Jahre zu bestehen. Letztlich wird es doch, wie wir alle, vergehen.

Baustellen sind dreckig. Wie viel Müll ist während der Bauphase zusammengekommen?

Das ist sehr zu vernachlässigen. Wir konnten zum Beispiel alle Farbreste kompostieren. Es ist auch nicht viel Verpackungsmaterial angefallen. Der Lehm kam in Bigpacks, die wir weiterverwenden.

Fühlt es sich für Sie anders an, so zu wohnen statt in einem Haus konventioneller Bauart?

Ich finde, ja. Es gibt ein tolles Raumklima. Es ist auch einfach schön, eine solche spezielle Bauidee tatsächlich zu verwirklichen. Und es riecht sehr gut.

INTERVIEW: SISSY WYCISK

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