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Kommentar staatliche BiokontrollenBloß keine Bio-Behörde

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Eine Verstaatlichung der Biokontrolle würde viele Probleme vermeiden. Doch nötig ist das nicht. Die Aufsicht über die privaten Kontrolleure muss verbessert werden.

Unter Kontrolle: Huhn mit Mensch Bild: dpa

L inke mögen Verstaatlichungen. Deshalb ist es kein Zufall, dass ausgerechnet Politiker der Grünen nun fordern, die privaten Biokontrolleure zumindest teilweise durch staatliche zu ersetzen. Aber würden die Inspektionen so wirklich besser?

Es gibt tatsächlich ein starkes Argument gegen private Kontrolleure: Sie werden von ebenjenem Öko-Legehennenhalter bezahlt, den sie kontrollieren sollen. Und dieser Landwirt kann jederzeit die Kontrollstelle wechseln, wenn er sich zu streng überprüft sieht.

Einen solchen Interessenkonflikt hätten Inspekteure einer Behörde nicht. Sie wären die einzigen, die die Einhaltung der Ökovorschriften kontrollieren. Allerdings existieren ähnliche Systeme in vielen Bereichen, etwa in der Wirtschaftsprüfung, ohne dass dort eine Verstaatlichung anstünde. Es ist auch keineswegs so, dass die meisten Biokontrolleure tatsächlich so wenig Ehre im Leib haben. Missbrauch wird auch verhindert, indem die Behörden die privaten überwachen.

Ja, es gibt immer wieder Skandale. Aber allein in Deutschland haben rund 23.000 landwirtschaftliche Betriebe die Öko-Zertifizierung. Da relativiert sich die Zahl der Übeltäter doch ganz erheblich. Auch wenn Teile der Ökowirtschaft – etwa die Geflügelhaltung – besonders geplagt sind von Missständen. Die gesamte Fleisch- und Eierproduktion steuert jedoch nur 30 Prozent der Verkaufserlöse im Ökolandbau bei.

Der Missbrauch ist zu klein im Vergleich zu den erheblichen Problemen, die durch eine Verstaatlichung der Ökokontrollstellen entstehen würden. Jedes der 16 Bundesländer müsste einen Stab von Bioinspekteuren aufbauen, der alle Ökobetriebe auf seinem Gebiet fachkundig kontrolliert – vom 5-Hektar-Gemüsehof über Handelshäuser bis zum hochkomplexen Legehennenkonzern mit unzähligen Ställen und Tieren. Viele der privaten Kontrollstellen haben sich auf Teilbereiche spezialisiert und arbeiten im gesamten Bundesgebiet. Das kann keine neue Ökobehörde, die jeweils nur in einem Bundesland arbeitet.

Besser wäre es deshalb, die staatliche Aufsicht über die privaten Kontrolleure zu verbessern. Doch ausgerechnet da patzen Behörden, aus deren Reihen nun nach Verstaatlichung gerufen wird – obwohl sie seit Jahren hätten wissen können, dass es Tierschutzprobleme in Öko-Legehennenbetrieben gibt.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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