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Kolumne WutbürgerEltern von Blagen sind Plagen

Kolumne
von Isabel Lott

Es gibt Orte, an denen sollten sich nur Erwachsene amüsieren. Aber manche meinen, unbedingt ihre Kinder überall dabei haben zu müssen.

Kinder können auch ohne Erwachsene viel Spaß haben. Bild: dpa

W ie maßlos heute die Anforderungen an Familien und vor allem an die Frauen sind, konnte ich auf dem Titel eines billigen Lifestylemagazins nachlesen. Die Redaktion behauptet, Karriere, knackiger Po und Kindererziehung sollte mit ihren 20 Turbo-Tricks lässig zu schaffen sein.

Wie das in der Praxis dann abläuft, musste ich kürzlich auf einem Konzert beobachten. Da wurden zwei übermüdete Kinder mit buntem Schallschutz auf den Ohren – so viel Fürsorge muss sein – auf Hundert-Euro-Plätze verfrachtet und durften knapp drei Stunden einem alten Mann zuhören, der nicht singen konnte und sich deshalb im Dunkeln versteckte.

Diese unsinnigen Familienausflüge sind keine Ausnahme, sondern inzwischen die Regel. Unter dem Vorwand, die Kleinen an ihrem großen Leben teilhaben zu lassen, werden diese überallhin mitgeschleift. Statt in den Wald, geht’s am Sonntag in eine Ausstellung, in der sich die Kinder wie Kinder verhalten. Sie rennen durch die Räume und zwischen dem Ausgestellten rum, sind laut, quengeln und wollen raus. Nach einer halben Stunde mit denen im Raum will ich auch nur noch weg.

Monsanto gibt auf: 2013 wurde in Deutschland keine gentechnisch veränderte Pflanze angebaut. Die Geschichte dieses Konsumkriegs lesen Sie in der taz.am wochenende vom 2./3. November 2013 . Terror und Überwachung haben eins gemeinsam: Sie können jede treffen. Und: "Die Sendung mit der Maus" atmet den Geist von '68, sagt Christoph Biemann. Außerdem: Der Mensch in der Revolte - In ein paar Tagen wäre Albert Camus 100 geworden. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Aufgedrehte Kids

Den Eltern der Blagen dagegen gelingt es, das berechtigte Geplärre ihres Nachwuchses souverän zu ignorieren. Genauso wie die Tatsache, dass es Orte gibt, an denen sich ausschließlich Erwachsene amüsieren. Sonst würden sie nicht auf die Idee kommen, ihren Nachwuchs auf Feste zu schleppen, auf denen die eine Hälfte der Gäste angetrunken und der Rest besoffen ist. Und mittendrin völlig aufgedrehte Kids, denen, wenn sie Pech haben, auf den Kopf geascht wird.

Die Reaktion auf meine dezenten Hinweise, es wäre an der Zeit die Kinder endlich auf den Spielplatz oder ins Bett zu bringen, ist immer dieselbe. Ich bin eine kinderfeindliche Spaßbremse und soll mich mal locker machen. Da mir das nicht gelingt, meide ich inzwischen solche Feste und gehe lieber joggen. Das soll gut für die Gesäßmuskeln sein.

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19 Kommentare

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  • A
    AndreaS

    ich denke mal, es geht vielleicht garnicht darum, dass Erwachsene lärmende Kinder an Orten, an denen für Kinder kein plaisir zu erwarten ist, nicht sehen müssen, sondern darum, dass die Kinder vielleicht auch garnicht da sein wollen. Die Eltern sollten lieber mit den Kindern in den Wald gehen, anstatt in Ausstellungen ("Marie ist schon mit 3 Jahren mit auf alle Ausstellungen gegangen"

  • G
    gast

    auf der einen seite sicherlich richtig, dass viele kinder an nicht wirklich kindergerechte orte mitgeschleift werden

     

    auf der anderen seite: sehe ich einen dieser typischen pseudointellektuellen linksalternativ spielenden hipsterpfeifen die augen verdrehen wenn ich mit meinen kleinen unterwegs bin, dann stachle ich die beiden jungbanditen nochmal speziell an.

     

    Es gibt kein besseres amüsement, als sonntag nachmittag die süssen kleinen auf "den onkel mit der kastenbrille und den röhrenjeans mit dem macbook" zu hetzen "weil der doch bestimmt mit euch spielen möchte". Alternativ sind das mittelalte wallewalle kostümfrauen. zumindest habe ich die beiden gruppen in meinen feldstudien als die arrogantesten augenverdreher identifiziert - vollständigkeit ist sicher nicht gegeben.

     

    es gibt nichts schöneres, als wutbürger mal richtig abtropfen zu lassen - probierts mal aus. und die kiddies haben auch ihren spass dabei...

  • hoffentlich aschst Du dir nicht irgendwo hin beim Lauf.....naja, wenn Du Berliner bist ja sicher, der raucht doch auch souverän beim joggen schon mal ´ne kleine für die Lunge nachher.

    p.s.ich hab´ keine Kinder, wollte nie welche, und wenn sie mich nerven sag ich´s ihnen einfach.

  • FE
    Für eine kinderfreundliche Gesellschaft

    Wenn "sich die Kinder wie Kinder verhalten" stören sie Deutsche oft. Früher als Kind meinte ich (hieß es wohl) die alten Nazi-opas und -omas würden irgendwann aussterben, Kinderfeindlichkeit würde sich natürlich erledigen. Doch heute als Vater erlebe ich vor allem unter "Volksdeutschen" häufig eine merkwürdige Abneigung gegenüber Kindern oder deren natürlichem Verhalten. Durften sie selber nicht kindlich sein oder gönnen sie Kindern keine schönere Kindheit. Die mangelnde Infrastruktur für Kinder und die Mißachtung ihrer Rechte lassen mich vermuten, dass wir weiterhin in einer kinderfeindlichen Gesellschaft leben. Der Beitrag und die Kommentare bestärken mich in meiner Wahrnehmung. Es wird Zeit, dass Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden.

  • M
    ...müssendraußenbleiben

    Wie wär es ausnahmsweise mit Bashen von Alten, Behinderten,...

     

    Unter diesen Gruppen finden sich gewiss auch unangenehme Zeitgenossen, die unsere Toleranz herausfordern könnten.

     

    Solche Benimmregeln für welche Gruppe auch immer, nerven weit mehr.

     

    Hängt doch gleich überall Schilder hin auf denen steht, welches Publikum erwünscht ist und welches nicht.

  • A
    Arne

    Mal davon abgesehen:

    Wie erziehen diese Menschen wohl ihre Kinder, wenn die Kinder nicht in der Lage sind, mitzuteilen, was sie möchten oder nicht.

    In ein Konzert mit Ohrenschützern? In eine Kunstausstellung? Meine Eltern hätten bis zu ca. neinem 12. Lebensjahr vorab ein Geheule und Gekreische mitbekommen, dass sie sich das sehr genau überlegt hätten.

    Richtig ist aber auch, dass vor allen für alleinerziehende mehr Formen gefunden werden müssen, die Kinder auch außerhalb offizieller Kita-Öffnungszeiten zu betreuen. Es wäre wahrscheinlich hilfreicher, wenn das Gemeinwesen auch wieder mehr in gesellschaftliche Strukturen, die eigeninitiativ diesbezüglich tätig werden, investiert statt in Betreuungsgeld oder Krippenplätze, die nur dazu dienen sollen, dem Arbeitsmarkt mehr Menschen zuführen zu können und damit auch die Löhne weiter zu drücken.

  • Ja, äh...gibt es. Die im Dunkeln sieht man nicht - also die Eltern, die solche Überforderungen der Kinder - oder der anderen Besuchenden - durch Organisation oder Verzicht vermeiden - oder denen eh die Kohle fehlt für kommerzielle Kultur. Würde Kinder nur Leuten empfehlen, die dann NICHT das Gefühl haben, etwas zu verpassen- also vorher schon mal gelebt haben. Mit den Kindern habe ich eher gelernt, dass ich vielen Formen der Single-oder noch-oder-wieder-frei-sein-wollenden Freizeitgestaltung gar nichts mehr abgewinnen kann - Ruhe und Besinnung sind nach Jahren mit den Kindern Mangelware - so, wie es ggf Party und Herdentrieb für allein Lebende sind. Trotzdem muss auch mit Kindern der Charakter zB eines Konzertes gewahrt bleiben - sonst raus. Niemand hat das Recht, 1000 Zahlende und das Orchester mit Inkompetenz beim Nachwuchs-Time-Management zu quälen. So viel Respekt vor den anderen muss sein.

    • @guido-nrw:

      Ja, und als Eltern zweier Kinder (nicht Blagen) "im Dunkeln" freuen wir uns auf die wenigen Zeitfenster neben Beruf und Kindern, die uns Oma & Opa zum Glück ein paar mal im Jahr ermöglichen.

      Ansonsten finde ich das beschrieben Verhalten besonders auch den Kindern gegenüber rücksichtslos ....

  • G
    Gast1

    Könnte auch sein, dass man heutzutage die Kinder nirgends mehr "parken" kann. Dank "Flexibilität" der Arbeitnehmer und gegenteiligem Verhalten der Arbeitgeber (aber outsourcen mehrere 1000km weg ist problemlos möglich), sind Oma und Opa eben ein paar 100km weg. Somit müssem die Kiddies eben mit, wobei sie sicher lieber bei Oma und Opa wären.

  • D
    Dunkelzahn

    So recht, so recht.

    These: In Wirklichkeit ist es diesen Menschen nur eine Beruhigung ihres Gewissens, wenn sie ihre Kinder überall mit hin schleifen. Würden sie es ohne den Nachwuchs tun, könnte es die ganze Zeit im Hinterkopf hämmern und schreiben, dieses vermaledeite Restgefühl.

    So können sie ihren eigen Egoismus leben ohne komisches Gefühl dabei.

     

    Sie haben es völlig richtig benannt: Viele Dinge sind nicht kindgerecht!

    Und nicht bloß wegen der Uhrzeit,... *eyesroll*

  • R
    ridicule

    "…Das soll gut für die Gesäßmuskeln sein."

    & altersbedingt schlecht vor allem für die Sprunggelenke;-((

     

    anyway;

    habe es mit zwei Runden kids auch nie verstanden,

    mit welcher zunehmenden Blödheit Erwachsene ihre Kinder

    als verlängertes Wohnzimmer instrumentalisieren;

    nur wenige Vorgärten sind, aber nur wenig - noch schlimmer dran.

  • B
    Bondi

    YES!

     

    ich habe zwei kinder, die ich weder überall mit hinschleppen will noch muss! E.

  • S
    SchnurzelPu

    Ja machen Sie sich mal locker...

  • NS
    Na sowas

    Gegen die heutige Nicht-Erziehung vieler Eltern war die antiautoritäre Erziehung erzreaktionär.

  • L
    landliebe

    Ich bin alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und Unternehmungen nicht abgeneigt, und es gibt super Unternehmungen gemeinsam mit Kindern - und ich finde: wo die Autorin recht hat, hat sie recht!!

    Was in dem Artikel beschrieben wird ist wirklich eine Plage. Seit Jahren. Ein vorgeblich ach so tolles Eltern-Verhalten, das aber niemandem nützt, nur schadet (aber den beschriebenen Eltern sind ihre Kinder ohnehin egal, die Mitmenschen sind denen auch egal - nur sie selber sind für sie selber enorm wichtig......)

  • G
    Gast

    Grundsätzlich stimme ich Ihrem Artikel ja zu. Aber dann bleiben Sie bitte auch bei den Eltern und verunglimpfen die Kinder nicht als "Blagen". Ein ziemlich häßliches und geringschätzendes Wort!

    • W
      widerborst
      @Gast:

      Da ist noch Hoffnung

       

      Um-die-Ecke-Denken … kann frauman lernen.

      Nur Mut.

  • J
    John

    Bei den Eltern mit den aufgedrehten Kids weiß man nie, wer schlimmer ist: Die Mutter, die einfach das Gekreische des Kindes weiterhin zulässt, wenn es Töne erreicht, die einem in den Ohren schmerzen, oder das Kind selbst. Echt unfassbar, wie wenig Eltern ihre Kinder unter Kontrolle haben, da dürfen Söhren und Kevin im Supermarkt oder Restaurant rumschreien bis zum Geht nicht mehr und die Eltern sagen nichts. Die jungen Eltern widmen sich dann lieber ihrem Smartphone und posten dann auf Facebook, dass Don Armani Karl-Heinz ihnen gerade auf den Sack geht, anstatt etwas zu tun. Wenn man dann selbst etwas sagt, weil einem die Blagen gehörig auf den Keks gehen, dann ist man natürlich sofort ein kinderfeindliches Arschloch.

  • IB
    Ich bin nicht kinderfeindlich, aber ...

    Viel Spass in der Raucherkneipe und dem Sexclub - bestimmt findest du noch mehr Orte, die nur für Erwachsene reserviert sind. Ansonsten bitte mal die UN Kinderrechtskonvention lesen, die von Deutschland ratifiziert wurde und für deren Umsetzung nicht nur die Kinder - oder deren Eltern - verantwortlich sind.