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Kolumne Die eine FrageGibt es linken Fußball?

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Gut: Günter Netzer, der SC Freiburg, St. Pauli. Böse: Der FC Bayern und die Nationalmannschaft. Aber es ist alles ganz anders.

Günter Netzer, 1973. Lange Haare, großer Fußballer – aber links? Bild: dpa

D er wahre und gute Fußball kommt aus der Tiefe des Volkes. Er beinhaltet die Werte der Arbeiterklasse. Er ist selbstredend links. Während der rechte Fußball alles ausbeuterisch der Rendite, also dem Ergebnis unterwirft, zielt der linke Fußball darauf, Menschen über kollektive ästhetische Erlebnisse zu bereichern.

So haben wir es damals im Religionsunterricht gelernt. Der Evangelist war Cesar Luis Menotti, Trainer des argentinischen Weltmeisterteams von 1978. In dieser Woche ist er 75 geworden.

Und mir hat sich die Frage gestellt: Gibt es linken Fußball wirklich?

Wenn wir von der zeittypischen Verklärung der Arbeiterklasse absehen und davon, dass Freiheit und Sozialismus Gegensätze zu sein pflegen, wurde der linke, freie und gute Fußball in Deutschland seit Menotti vor allem projiziert in: die Niederlande, Borussia Mönchengladbach, den SC Freiburg, den FC St. Pauli. Rechter Fußball war die Nationalmannschaft und der FC Bayern München.

Man kann aber auch sagen, dass Herbert „Hacki“ Wimmer in den Siebzigern bei Gladbach der Ausgebeutete war, der den Ball holen musste. Und Günter Netzer war der autoritäre Chef, der den Ball, den Ruhm und die Millionen bekam.

Hässlicher Stumpffußball

St. Pauli hat bei allem Respekt nie die „schöpferischen Potenziale des Fußballs“ in Menottis Sinne ausgeschöpft. Und gegen den hässlichen Stumpffußball der vom Zwang einer ästhetischen Begründung traumatisierten Niederländer im Weltmeisterschaftsfinale 2010 war selbst Toni Schumacher ein Waisenknabe.

Zwei Entwicklungen prägen den Fußball: die voranschreitende Kapitalisierung, angetrieben von Verbänden, Spitzenklubs, Wirtschaft, Medien; und die voranschreitende Emanzipation, die sich dem Kapitalismus verdankt (sie ist nicht nur moralisch, sondern ökonomisch gut).

Diese Emanzipation ging in den neunziger Jahren von Volker Finke und dem SC Freiburg aus. Und findet sich mittlerweile vielerorts, wenn nicht in Klub-, so doch in den Teamstrukturen. Auch der omnipotenteste Trainer verdankt seine Legitimation heute seiner Kompetenz – und nicht übertragener Macht.

Kreativer Umgang

taz am wochenende

Tebartz-van Elst, Brüderle, Guttenberg. Darüber regen wir uns auf. Aber warum? Und was bringt das? Den großen Empörungsvergleich lesen Sie in der taz.am wochenende vom 9./10. November 2013 . Darin außerdem: Christian Ströbele ist nun weltbekannt als „der Mann, der Edward Snowden traf“. Aber wie hilft das der Sache des Whistleblowers? Und ein Gespräch über den Glanz im Schund, echte Adelige und Sexwestern: Mit Anna Basener, einer der jüngsten Groschenromanautorinnen Deutschlands. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Der moderne Fußball unterscheidet nicht mehr zwischen Held (Stürmer) und Arbeiter (Verteidiger). Zum kreativen Umgang mit dem Ballbesitz kommt gleichberechtigt der kreative Umgang mit dem Ballbesitz des Gegners.

Und so kommt es, dass Philipp Lahm der linke Held von heute sein müsste, Protagonist des gelebten Gleichheitsprinzips auf dem Feld, eines flachhierarchischen, ästhetisch hochwertigen Fußballs, der ausgerechnet bei Bayern München gespielt wird, dieser schlimmen Ergebnismaschine des 20. Jahrhunderts. Spätestens jetzt ist klar: „Links“ ist auch im Fußball kein Begriff mehr, mit dem man hantieren könnte. Man sollte von emanzipatorischem Fußball sprechen.

Der erstaunlichste Vertreter des emanzipatorischen Fußballs ist – DFB hin oder her – die deutsche Nationalmannschaft, die in Wankdorf den schönen, linken Fußball der Ungarn besiegte und daraufhin fünfzig Jahre im Grätsch-Tugend-Eier!-Mythos gefangen war.

Joachim Löw ist ja nun wohl kein Linker und auch kein Intellektueller. Aber sein Fußball ist im Sinne von Menotti. Genau das macht seine Gegner, Leute wie Kahn und Sammer, kirre. Es geht nicht um einen blöden Pokal, es geht darum, uns zu inspirieren, zu begeistern und als Menschen größer zu machen. Das ist emanzipatorischer Fußball at its best. Scheiß auf den WM-Titel.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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10 Kommentare

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  • K
    Kopfschüttel

    Was für ein dummer Beitrag, der "linken Fußball" an der Art des Fußballspielens festmacht. Und Menotti als Symbol dafür heranzuziehen ist grotesk lächerlich. Der steht vielleicht für Juntafußball...

  • Klar, wir können einfach über "Den Fußball" oder "Die Fußball-Fans" reden und schreiben. Oder wir fangen an den Fußball als das zu betrachten was er tatsächlich für viele Menschen auch ist: Wichtiger Bestandteil ihres Lebens.

     

    Wie im alltäglichen Leben, wie in Politik und Wirtschaft gibt es auch hier Linke und Rechte, es gibt Gläubige und Ungläubige, es gibt Konsumenten und Kritiker. Für den einen geht es um schönen Fußball und ein spektakuläres Erlebnis, für den anderen geht es darum den Fußball überhaupt erleben zu dürfen und darum zu kämpfen dies auch weiterhin zu können. Die Form dieses Fußballs ist von zweitrangiger Bedeutung.

     

    Aber einfacher ist es natürlich zu verallgemeinern. Eines aber hat die sozialistische Trainer-Legende Bill Shankley schon gewusst: 'Some people believe football is a matter of life and death, I am very disappointed with that attitude. I can assure you it is much, much more important than that.'

  • GB
    God bless the Pope

    Klar gibt es das. Links, säkular und doch katholisch - bei den Irischen Republikanern von Celtic. Das ist mehr sogar mehr als der der Kampf und Leben oder Tod: Das ist Fußball.

    • S
      Schlaumeier
      @God bless the Pope:

      Glasgow liegt aber in Schottland

      • S2
        Schlaumeier 2
        @Schlaumeier:

        Celtic wurde aber von irischen Einwandern gegründet.

  • "Gibt es linken Fußball?"

    Eindeutig Nein! Dazu fehlen einfach die Voraussetzungen. Wenn Fußball noch ein Spiel wäre, bei dem vergleichbare Mannschaften im sportlichen Wettbewerb gegeneiander antreten würden, dann vielleicht, aber die Zeiten sind lange vorbei. Fußball ist heute ein ungleiches, tristes Geschäft, das skrupellose Kapitalisten auf den Knochen entrechteter und verkaufter Spieler austragen. Nur die Fans glauben immer noch, es ginge dabei um fairen Sport, denn in ihrem Alltag sind sie längst selbst ebenso verraten und verkauft.

  • Was sagen, Unfried?

    Die ganze taz-Volk wedelt unter der Bettdecke wahrscheinlich mit der Bayern Fahne, während sie sich in Diskussionen an irgendeinen Loser Verein klammern,... damit ja kein falscher Eindruck entsteht.

     

    FC Bayern ist weder links, noch rechts, sondern immer vorne, dort wo auch die anderen stehen könnten, wenn sie fleißiger üben würden und weniger jammern.

     

    Eine Wurstfabrik im Rücken erledigt den Rest.

    • @Anton Pree:

      wir ( Bayern ) fleißig und jammern nicht..., wir ( Ossi's ) dumm und faul...,jammern sowieso...,

  • A
    Atmender

    Ich glaube kaum, daß der niederländische Fußball in Deutschland jemals als frei und gut angesehen wurde.

  • R
    ridicule

    Wie bereits angemerkt - gerne nicht gelesen!