Gar nicht so gemeint: Hetze hinterm Hochregal

Angestellte des BLG-Hochregallagers im Bremer Güterverkehrszentrum klagen über Lohndumping und unzulässige Kontrollen. „Ein Missverständnis“, sagt die BLG.

Ein Modell des Hochregallagers von 2002 ohne die Erweiterungen Bild: dpa

BREMEN taz |Bremen ist mit über 50 Prozent Mehrheitseigner der Bremer Lagerhaus Gesellschaft, international bekannt als BLG Logistics. Mit 9.000 Beschäftigten im Land Bremen und 16.000 weltweit ist der Hafenlogistiker das größte Unternehmen mit Firmensitz in Bremen. Neue Arbeitsplätze entstanden durch die Erweiterung des Hochregallagers im Güterverkehrszentrum, wo seit Juni das Online-Geschäft des Großkunden Tchibo abgewickelt wird. Die Beschäftigten nennen ihren Arbeitsplatz allerdings „Sklavenlager“.

Die Belegschaft besteht zum größten Teil aus Angestellten des Personaldienstleisters GHBV (Gesamthafenbetriebsverein). Sie bekommen Löhne von 8,76 Euro pro Stunde, das sind bei einer Vollzeit-Stelle ca. 1.400 Euro brutto im Monat. „Allerdings“, erzählt Michael Schmidt*, der im Hochregallager arbeitet, „erhalten alle nur einen 30-Stunden-Zeitvertrag, obwohl sie Vollzeit arbeiten müssen.“ Die Überstunden würden nicht bezahlt, Zulagen ebenfalls nicht. Vollzeit- und Festverträge gebe es, wenn überhaupt, erst nach zwei Jahren Beschäftigungsverhältnis.

Hartmut Schwerdtfeger, Sprecher der BLG, nennt die Vorwürfe „ein Missverständnis: 30 Wochenstunden ist lediglich die garantierte Mindestarbeitszeit. Und alles, was darüber hinaus geht, wird selbstverständlich bezahlt – alles andere stimmt nicht“.

Ein „System aus Überwachung und Kontrolle“ herrsche in dem Hochregallager, erzählt Schmidt weiter, bis hin zur Nötigung durch den stets präsenten Werkschutz. „Selbst beim Gang zur Toilette müssen wir uns beeilen.“ Die BLG verpflichte die MitarbeiterInnen, ihre persönlichen Sachen in einer durchsichtigen Tragetasche bei sich zu tragen. Die würden vom Werkschutz beim Ein- und Austritt in das Lager und neuerdings auch während der Arbeitszeit kontrolliert. Das Hochregallager würde belegschaftsintern mittlerweile als „Sklavenlager“ oder „Guantanamo“ bezeichnet. Die verdachtsunabhängigen Kontrollen findet Schwerdtfeger indes „völlig normal. In so sensiblen Bereichen sind solche Kontrollen immer möglich – auch ich muss mich dem unterwerfen“.

Ein Kollege von Schmidt berichtet von Leistungsdruck durch statistische Erhebungen der Arbeitsleistung jedes einzelnen Mitarbeiters. Vor jeder Schicht gebe es „eine Art Morgenappell, bei dem uns gesagt wird, wie schlecht und langsam am vorherigen Tag gearbeitet wurde“.

Ein Ansprechpartner des GHBV war für die taz nicht erreichbar, Schwerdtfeger verweist jedoch darauf, „dass der schließlich seine Verträge mit der Gewerkschaft Ver.di geschlossen hat“. Schmidt und seine KollegInnen fühlen sich freilich von ihr und von ihrem Betriebsrat im Stich gelassen: „Anstatt auf unserer Seite zu sein, hat der den Arbeitsbedingungen zugestimmt“, sagen sie. Bereits im April war der GHBV-Betriebsrat in die Kritik geraten: Angestellte berichteten, sie seien von ihm bei der Unterzeichnung ihrer Arbeitsverträge dazu genötigt worden, auch ein Ver.di-Beitrittsformular zu unterzeichnen. Sie hätten das Gefühl, äußerten sie damals, dass der GHBV und Ver.di gemeinsame Sache machen würden – zu Lasten der Angestellten.

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