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Auf der Suche nach Lösungen„Die Flüchtlinge sind sehr misstrauisch“

Die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), erklärt, warum das Protestcamp auf dem Oranienplatz immer noch bewohnt ist.

Geduld strapaziert: Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) Bild: DPA
Interview von Plutonia Plarre

Eigentlich sollten die Flüchtlinge vom Kreuzberger Oranienplatz inzwischen in einem festen Haus untergebracht sein. Trotz entsprechender Ankündigungen ist aber nichts geschehen. Nun gab es in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag eine Messerattacke in der von Flüchtlingen besetzten Schule an der Ohlauer Straße. Die taz wollte von Kreuzbergs Bürgermeisterin wissen, welche Perspektiven sie sieht.

taz: Frau Herrmann, wachsen Ihnen die Probleme nicht langsam über den Kopf?

Monika Herrmann: Ich gebe zu: Meine Geduld ist etwas strapaziert.

Was heißt das in Bezug auf die besetzte Schule?

In dem Haus lebt ein buntes Gemisch, es handelt sich bei Weitem nicht nur um Flüchtlinge. Wir versuchen seit Monaten zu klären: Wer hat welchen Status? Für wen brauchen wir Wohnungen? Wie geht es mit dem Projekthaus weiter? Ich hätte gerne bald eine Lösung.

Zweite Baustelle: das Protestcamp auf dem Oranienplatz. Gibt es endlich einen Termin für den Umzug in das versprochene Haus in Friedrichshain?

Das kann ich leider nicht beantworten.

Wie bitte? Sie haben doch schon vor drei Wochen gesagt, dass es für die Flüchtlinge vom Oranienplatz ein festes Quartier gibt.

Richtig. Sozialsenator Czaja hat eine Lösung präsentiert: das ehemalige Hostel in der Gürtelstraße. Aber dann hat sich herausgestellt, dass das noch gar nicht richtig eingetütet war. Die Verkaufsverhandlungen sind bis heute nicht abgeschlossen.

Wem gehört das Hostel?

Der private Eigentümer ist mir nicht bekannt. Ein mir ebenso wenig bekannter Investor versucht es zu kaufen, um es dann an den Träger zu vermieten.

Sie meinen den Träger, der in dem Hostel ein Obdachlosenprojekt aufziehen wollte?

Genau. Er wird nun Träger des Flüchtlingshauses. An ihm liegt es nicht. Wir sind sehr gut im Gespräch, alle erforderlichen Stellungnahmen des Bezirks liegen vor. Das gilt auch für die Verträge, die die Finanzierung betreffen. Das haben wir alles ausverhandelt, auch mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Soziales. Das Einzige, was noch nicht zur Verfügung steht, ist das Haus.

Weiß CDU-Sozialsenator Czaja, warum es mit dem Verkauf nicht vorangeht?

Soweit mir bekannt ist, hat sich der Senator nicht eingeklinkt.

Verlangt der Eigentümer zu viel Geld?

Das Haus befindet sich durchaus in einer lukrativen Lage. Unsere Vermutung ist, dass es auch um den Preis geht.

Ist es vorstellbar, dass die Verhandlungen noch scheitern?

Der Träger hat mir gerade eben gesagt, dass er sehr optimistisch ist. Er informiert mich sofort, wenn der Kauf abgeschlossen ist.

Und dann kann der Umzug sofort erfolgen?

Soweit ich weiß, ist im Haus alles klar. Es stehen Betten drin, es gibt Duschen. Dem Träger ist die Brisanz bewusst. Er will auch keine künstlichen Verzögerungen.

Wie weit sind die Gespräche mit den Flüchtlingen? Die sollten sich eine Struktur für das Zusammenwohnen geben.

Die Flüchtlinge verweigern im Augenblick jede weitere Diskussion. Sie sind jetzt extrem misstrauisch, weil sich das alles so in die Länge zieht. Sie wollen das Haus erst mal begutachten. Das kann ich gut nachvollziehen.

Wie wollen Sie verhindern, dass sich in dem neuen Flüchtlingshaus Zustände wie in der besetzten Schule entwickeln?

Ich bin mir sicher, die Flüchtlinge werden das verhindern.

Ist das nicht blauäugig?

Das bezweifle ich. Es gibt bei der Gruppe vom Oranienplatz einen großen Willen zur Selbstorganisation. Letztendlich kann der Bezirk auch nicht bestimmen, welche Regeln sie sich für das Zusammenleben geben.

Wer ist eigentlich für die Flüchtlinge zuständig, wenn der Umzug über die Bühne ist?

Die Senatsverwaltung für Soziales natürlich. Das Land Berlin muss sich grundsätzlich Gedanken machen, wie es mit der Lampedusa-Gruppe vom Oranienplatz weitergeht. Das gilt auch für die Flüchtlinge, die am Brandenburger Tor einen Hungerstreik gemacht haben und sich derzeit in Kirchenasyl befinden.

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21 Kommentare

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  • Wegen der Messerattake muss nach einer gemeinsamen Lösung gesucht werden. Man bräuchte eventuell Wachschutz. Es wäre denkbar, 1-2 Polizisten, gemeinsam mit 1-2 Unterstützern und 1-2 Flüchtligen, die Bewachung der Schule zu organisieren. Diese Lösung könnte natürlich am fehlenden Geld scheitern.

  • Die Flüchtlinge bitten um Wohnraum und das ist die Hauptproblematik in Berlin. Sie haben aber darauf aufmerksam gemacht. Mehr als die Hälfte Berliner Haushalte haben ein Netto Einkommen - weniger als 1400 € pro Monat und die Mieten steigen viel schneller als das Geld, das man verdient.

     

    Nun hoffen viele Bürger, dass durch diese Protestbewegung unsere Politiker die Wohnungsproblematik aus einem anderen Blickwinkel betrachten und die hilfesuchenden Menschen - „Die im Schatten der Gesellschaft“ (Flüchtlinge, obdachlose Menschen, Rentner, arbeitslose Menschen, Wenigverdiener, Menschen mit Behinderungen, alleinerziehende Frauen, Menschen aus Ostdeutschland) bemerken.

     

    Denn unser Land ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Somit zählt jeder Einzelne, unabhängig von dem sozialen Status und Stellung in der Gesellschaft. Das hat unsere Bundeskanzlerin gesagt, das sagt immer DIE LINKE und das sagen immer DIE GRÜNEN. Nur so ist die parlamentarische Demokratie möglich. Denn die Macht geht vom Volke aus.

  • Warum sind Flüchtlinge misstrauisch?

     

    Wahrscheinlich wegen der Versprechungen einiger Politiker beim ersten Hungerstreik am Brandenburger Tor. Es wurde wohl versprochen, zu helfen. Man wollte im Bundestag die Änderungsvorschläge der Protestierenden diskutieren. Als Gegenleistung dafür musste der Hungerstreik beendet werden. Leider wurden nicht alle Versprechungen gehalten. Obwohl die Bezirksregierung sehr viel dafür gemacht hat. Diesen Einsatz des Bezirks für Menschenrechte bewundern viele Bürger.

     

    Flüchtlinge haben wohl Angst, dass nicht alle von ihnen in das neue Gebäude kommen dürfen und wollen deswegen einige Plätze in der Schule noch für sich behalten.

     

    Auch ihr wichtigstes Argument, das Protestcamp am Oranienplatz, möchten sie vorerst nicht räumen. Denn das ist das Hauptargument, warum sie von der Öffentlichkeit gehört wurden, warum sie Unterstützung vieler Bürger bekamen und warum unsere Politiker sie wahrnehmen und mit ihnen überhaupt reden.

  • H
    Hahahaha

    80% Zensur? 90% Zensur? Hmmm, das ist auch eine Antwort. Schade, daß ihr nicht über Rekordernten berichten und das Eindringen feindlicher Saboteure über den antifaschistischen Schutzwall anprangern könnt. Das West-TV von gestern ist das Internet. Da erfährt man dann was in der Ohlauer los ist und was die Leute darüber denken. Egal Genossen..vorwärts immer-rückwärts nimmer!

  • S
    SvenB

    Niemand versteht das. Die Asylbewerber haben alle ein warmes Dach in ihren Residenzen. Sie haben diese selbstbestimmt verlassen. Mich würde mal interessieren, wie der Staat reagiert, wenn ich mich auf die Strasse setze und Verpflegung und ein neues Haus fordere. Ein Unsinn pur. Mit einem Protest hat der Zustand im Haus schon sehr lange nichts mehr zu tun. Stattdessen werden wichtige soziale Projekte blockiert, die dort längst aktiv sein sollten. Der Asylbewerberprotest fand vor einem Jahr am Brandenburger Tor seinen Höhepunkt. Öffentliche Debatte wurde erreicht, mehr kann er nicht leisten.

    • AW
      ach watt#
      @SvenB:

      nun, da gebe ich Ihnen vorbehaletlos recht, Wie mir zu Ohren gekommen ist, soll ausv der "Kältehilfe" für Obdachlose Geld abgezweigt werden um die Bedürfnisse der frei flottierenden Flüchtlinge zu .....ach watt soll´s.weiter so ., Frau Herrmann, weiter so Taz

  • S
    @selma

    @Selma,

     

    köstlich. Aber werfen Sie bitte einen Blick ins Grundgesetz oder in die UN-Flüchtlingscharta. Verfolgte/Flüchtlinge haben ein Anrecht auf eine das Überleben sichernde Versorgung, solange die Fluchtgründe andauern (!). Von vernünftig eingerichteten Wohnungen habe ich da nichts gelesen. Übrigens: Die neuen Modeworte "Teilhabe und Partizipation" bedeuten haargenau dasselbe.

  • M
    mehrfüralle

    Naja, ganz offensichtlich sind diese Menschen politisch verfolgt...

    und zwar hier, daher sollten sie einfach in einem anderen

    Land Asyl beantragen, wo mehr auf ihre Wünsche und Bedürfnisse eingangen wird...

  • Mir ist es ein Rätsel warum es wichtig ist, das sich die Flüchtlinge vorher die Unterkunft anschauen wollen. Immerhin geht es nur um eine Unterbringung über den Winter. Da reicht eine trockene und warme Unterkunft mit ausreichend Platz, genügend sanitäre Einrichtungen und ein bis zwei Küchen.

    • @mrf:

      Vielleicht wollen sie gucken ob es genau das dort gibt, weil sie Schikanen gewöhnt sind?!

  • V
    @Verzögerung

    "Hilfe vor Kälteeinbruch ist offenbar politisch nicht gewollt."

     

    Was soll das? Einer Rückkehr in die regulären Asylunterkünfte stand nie etwas im Wege.

    • @@Verzögerung:

      Viele dieser Menschen sind über Italien gekommen (wo sie auch obdachlos wären, da das italienische Asylsystem extrem schlecht ist). D. h. sie haben hier keinen Status und keine Plätze in "regulären Asylunterkünften".

  • Flüchtlingsproteste vor dem weißen Haus, vor dem Eifelturm, vor der Douwning Street, etc.:

    undenkbar.

    In Berlin, Hamburg, München aber kein Problem.

    Alle lachen über die naiven Deutschen, die sich alles gefallen lassen...

  • S
    Selma

    Es geht hier um Menschenleben und da sollte alles andere sekundär sein. Die Menschen, die zu uns kommen, sollten einen guten Eindruck von unserem Land bekommen. Sie sollten wie jeder andere Bürger in vernünftig eingerichteten Wohnungen untergebracht werden und nicht in Turnhallen oder Containerdörfern. Alle Menschen haben ein Recht auf Teilhabe und Partizipation und das gilt auch für Armutsflüchtlinge aus Afrika. Dass sie misstrauisch sind, ist bei dem Rumeiern der sonst doch so mitfühlenden Grünen nur verständlich. Und dass eine Bürgermeisterin so uninformiert ist und nicht weiss, was da läuft, ist mehr als seltsam.

    • @Selma:

      Wo in Deutschland gibt es ein Grundrecht auf vernünftig eingerichtete Wohnungen?

  • R
    roland

    Gut, das der deutsche Staat die Gelder nicht für Obdachlose verwendet, sondern für Illegale und richtig klasse, dass diese sich ihre eigenen Gesetze machen können

  • UV
    Unglaubliche Verzögerung

    Da wäre ich auch mißtrauisch. Hilfe vor Kälteeinbruch ist offenbar politisch nicht gewollt.

    • NS
      Na sowas
      @Unglaubliche Verzögerung:

      "Hilfe vor Kälteeinbruch ist offenbar politisch nicht gewollt."

       

      Die haben alle eine wintersichere, beheizte Unterkunft. Nur eben nicht als Kommune.

      • S
        SvenB
        @Na sowas:

        Richtig. Das will nur niemand hören. Der Asylbewerberprotest ist für die linke Szene längst sinnstiftend für sich selbst geworden. Die Asylbewerber haben die Residenz verlassen. Sie können entscheiden, weiterhin einen Protest zu pflegen oder zurückzugehen. Wollen sie den Protest pflegen, sollen sie sich auch selbst kümmern.

    • 1G
      1326 (Profil gelöscht)
      @Unglaubliche Verzögerung:

      Die Frau hat ein hausgemachtes Problem.

       

      Mal sehen, wie sie sich da rauswurschtelt.