Rapper nimmt Politiker in die Mangel: Prügel bis er gelb und blau ist
Rapper Timbuktu verprügelt den Chef der schwedischen Rechtsaußenpartei – zumindest in einem Lied. Der Angegriffene ist fassungslos.
Jimmie Åkesson ist empört. Der 34-Jährige ist in Schweden das, was seine politischen Freunde Marine Le Pen und Geert Wilders in Frankreich bzw. den Niederlanden sind. Er ist Vorsitzender der ausländerfeindlichen Rechtsaußenpartei. Und dem Chef der „Schwedendemokraten“ wird derzeit übel mitgespielt. Er bekommt Prügel. In einem Song des Rappers Timbuktu und der Hip-Hop-Gruppe „Kartellen“.
Das ist natürlich ungeheuerlich. Im Zweifel sind es sonst Rassisten, wenn es darum geht, andere Leute wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer Ansichten zusammenzuschlagen. Der Timbuktu-Text nimmt deshalb seinen Ausgangspunkt auch in einer denkwürdigen Sommernacht vor drei Jahren, als drei führende Politiker der „Schwedendemokraten“ mit Eisenstangen bewaffnet durch Stockholms City zogen. Der Song ändert aber den Verlauf des damaligen „Järnrörsskandals“ etwas ab: Im Lied werden nun die „Schwedendemokraten“ „ins Koma befördert“ und Åkesson „gelb und blau geschlagen“.
Gelb und blau? Das sind die schwedischen Nationalfarben, die die sich „nationalkonservativ“ nennende Partei so liebt. In den meisten Feuilletons wird dieser feine Humor auch verstanden und die Aufregung hält sich in Grenzen. Åkesson versteht die Textpassagen hingegen als Aufforderung zu Gewalttaten. „Grob, aber angemessen“, kommentiert Dagens Nyheter die Single „Schwarze Tauben und verwelkte Lilien“. Die Single des Liedes ist noch gar nicht erschienen, kann aber beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen SVT – auch darüber beschweren sich die „Schwedendemokraten“ bitter – seit Donnerstag schon auf dessen Website angesehen werden.
Empfohlener externer Inhalt
Zu hören ist auch die Passage, bei der Åkesson an einer Fahnenstange hochgehisst wird. Ein Verweis auf weltberühmtes schwedisches Kulturgut: Das machte auch Astrid Lindgrens Michel in Lönneberga mit Schwester Klein-Ida. Bekanntlich keinesfalls um ihr weh zu tun oder aus Boshaftigkeit, sondern um ihren Horizont zu erweitern.
Zwei Auftritte in den nächsten Tagen
Die Proteste der „Schwedendemokraten“ dürften wohl nichts daran ändern, dass der von ihnen so heftig kritisierte Jason „Timbuktu” Diakité seine antirassistische Botschaft in den kommenden Tagen gleich zweimal in sehr feierlichem Zusammenhang verbreiten darf. Erst am Mittwoch im schwedischen Reichstag, wo er selbst mit einem Preis gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geehrt wird und bei dem die Fraktion der „Schwedendemokraten“ vermutlich durch Abwesenheit glänzen dürfte. Und eine Woche später beim „Friedenspreis-Konzert“ in Oslo im Rahmen der Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises.
Vielleicht sei es ja nicht Timbuktus „smartestes Lied“ meint der Nobelkomitee-Sekretär Geir Lundestad zu all der Aufregung. Aber das Komitee erwarte nicht, dass sich Künstler an ein „bestimmtes moralisches Ideal“ anpassen: „Sonst gäbe es keine Konzerte.“ Oder mit den Worten der letzten Zeile von „Schwarze Tauben und verwelkte Lilien“: „Sverige baby: Fuck Jimmie Åkesson.“
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Chefinnen der Grünen Jugend
„Wir dachten, wir könnten zu gesellschaftlichem Druck beitragen“
Koalitionsverhandlungen in Thüringen
Die Brombeer-Ernte ist gefährdet
Demografie
Es wird Zeit, reichen Rentner-Boomern ins Gewissen zu reden
Ein Brief in die USA
Dear family, dear friends
Wirtschaft aber für junge Menschen
Das Problem mit den Boomer-Ökonomen
Streit in der Ampel
Kritik an Lindners Gegengipfel zur Wirtschaftslage