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Schwarz-Grünes Hessen als ModellMission 2017

Die Grünen-Spitze sieht Hessen als wichtigen Testlauf für den Bund. Motto: Wenn Schwarz-Grün dort möglich ist, dann ist es das überall.

Wird für das Verhandlungsergebnis gelobt: der hessische Günen-Chef Tarek Al-Wazir Bild: dpa

BERLIN taz | Michael Kellner denkt längst über die Bundestagswahl 2017 nach. Der 36-Jährige sitzt seit Oktober im Vorstand der Grünen, er ist der neue Politische Bundesgeschäftsführer und kümmert sich hauptberuflich um die strategische Aufstellung – für künftige Landtagswahlkämpfe, aber vor allem auch für den Bund. Kellners wichtigste Mission heißt: Machtoption 2017.

Deshalb ist wenig überraschend, dass ihn die Einigung in Hessen auf Schwarz-Grün freut. „Hessen ist ein ökonomisch wichtiges Bundesland“, sagte er am Dienstag. „Es ist ein starkes Signal, dass die Grünen das Wirtschafts- und das Umweltministerium übernehmen, um den Klimaschutz und die Energiewende voranzubringen.“

Zwei Ressorts hat Landeschef Tarek Al-Wazir bei den Verhandlungen mit der CDU herausgehandelt, und das Paket signalisiert einen klaren Schwerpunkt. Hessens Grüne wollen die Energiewende forcieren, den Verkehr ökologischer ausrichten und bei all dem die Wirtschaft mitnehmen.

In der Bundespartei wurde die Einigung mit allgemeinem Wohlwollen aufgenommen. Realos und Linke sind sich einig, dass die Grünen nach dem ernüchternden Ende von rot-grünen Träumen im September neue Koalitionsmöglichkeiten brauchen.

Die Präferenzen, ob nun die CDU oder die Linkspartei genehmer sei, gehen dabei traditionsgemäß auseinander. Sie wurden aber auf dem letzten Parteitag mit der uralten Formel der „Eigenständigkeit“, die sich ausschließlich an Inhalten zu orientieren habe, vorläufig befriedet.

Dem Bündnis in Hessen wird von der Grünen-Spitze hohe Bedeutung eingeräumt. Bisher flirteten die Grünen zweimal auf Landesebene mit der CDU, in Hamburg und in der Jamaika-Koalition im Saarland. Beide Versuche endeten früher als gedacht. Schwarz-Grün in Hessen hingegen, in einem wichtigen Flächenland, gilt als Testlauf für den Bund.

Grüne sind begeistert

„Wenn diese Koalition gelingt, ist die Gemengelage im Bund eine ganz andere. Das ist klar“, sagt eine führende Grüne. Und, das glauben viele Grüne: Al-Wazir sei der Richtige, um die komplexe Aufgabe zu lösen, mit einer CDU zu regieren, die vor nicht allzu langer Zeit als Stahlhelm-Truppe verschrien war.

Cem Özdemir richtete den Hessen ein Kompliment aus. „Sie haben gut und erfolgreich verhandelt.“ Mit dem Wirtschaftsressort erschlössen sich die Grünen ein neues Kompetenzfeld, der Umfang der Ressorts sei „beeindruckend“. Özdemir fügte hinzu: „Mit der Staatssekretärin für Integration gibt es in Hessen einen Neubeginn, was den Umgang mit Migranten angeht.“

Die Vereinbarung in Hessen ist nicht der einzige Schritt, den die Ökopartei seit der Wahl in Sachen Schwarz-Grün unternommen hat. Die beiden Sondierungsgespräche mit Angela Merkels CDU im Oktober wurden von führenden Grünen über den Klee gelobt, so sehr, dass man sich fragen konnte, warum sie dann nicht in Verhandlungen mündeten. Auch eine Neuauflage der legendären Pizza-Connection, die der Realo Omid Nouripour mit dem CDUler Jens Spahn verabredet hat, fand medial einige Beachtung.

Streichkonzert der Realos noch unklar

Die entscheidende Frage haben die an Schwarz-Grün besonders interessierten Realos aber noch nicht geklärt: Welche Inhalte sie in dem nach links gerückten Bundesprogramm zur Disposition stellen wollen. Während manche gerne auf eine Vermögensabgabe verzichten würden, finden andere teure Instrumente der Sozialpolitik, etwa die Kindergrundsicherung, überflüssig.

Trotz solcher Widersprüche ist das Nachdenken über Schwarz-Grün bei der Ökopartei weiter gediehen als das über Rot-Rot-Grün. Bundesgeschäftsführer Kellner will das unbedingt ändern. Ein Wahlkampf, in dem die Grünen mit der SPD konkurrieren, wer der schönere Partner für die Union sei, sei wenig attraktiv, warnte er. Die Option Rot-Rot-Grün sei für die Balance wichtig.

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5 Kommentare

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  • S
    Sören

    Mit Blick auf die fehlende rot-grüne Option ist es sinnvoll, andere Koalitionen auszuprobieren. Die Hessen-CDU und MP Bouffier haben frühzeitig bemerkt, dass man mit einem zu konservativen Kurs keinen Erfolg mehr haben kann. Der Pragmatismus beider Seiten ermöglicht jetzt Schwarz-Grün.

     

    Bevor man konkreten Änderungen am Programm vornimmt, sollte man sich über den geistigen Überbau eines neuen Programms Gedanken machen. Mit Blick auf die Schuldenbremse werden teure "Wohltaten" kaum noch Platz in Programmen aller Parteien finden können. Den unseriösen Weg der Großen Koalition, auf die gute Konjunktur zu vertrauen, dürfen die Grünen nicht gehen. Aber die Kinder-Grundsicherung ist ein gutes Konzept, das nicht so schnell über Bord geworfen werden sollte.

     

    Es ist gut, in Hessen einen anderen Weg als im Bund zu gehen. Eine Koalition der beiden Volksparteien sollte eine Ausnahme bleiben. Gerade im Bund droht sie aber zur Regel zu werden, auch deshalb muss man Alternativen erproben. Die Koalition ist in der Umweltpolitik ambitionslos. Hier liegt Wählerpotential, welches die Grünen in den Blick nehmen müssen. Auf Spinner vom linken Rand sollte man nicht eingehen, sie werden sowieso bei der Linken bleiben.

     

    Natürlich sind Bürgerinitiativen positiv, und die Grünen sollte ihre Anliegen ernst nehmen. Aber eine Regierung muss alle Interessen im Blick haben, und darf nicht einseitig handeln. Ein Ausgleich der unterschiedlichen Positionen ist der bessere Weg.

  • T
    Testlauf

    Hm, wenn sie das nächste Mal im Bund noch dabei sind ...

  • Z
    Zukunft

    Die Grünen können nur noch abkassieren, was linksgrüne Aktivist_innen erkämpft haben: Kampf gegen S21 und Kampf für die Energiewende. Aber sie können selbst keine Erfolge vorweisen, stattdessen Verrat an ihren Wählern.

     

    Ich präzisiere: Sie konnten nur noch abkassieren.

    In der nächsten Bundestagswahl werden sie wie die sPD verlieren, wenn sie bis dahin so weitermachen. Die Linke wird dann deutlich stärker, wenn sie nicht den Weg der Anpassung an Rot-Grün geht - also Anpassen an das System. Die Schwäche von Rot-Grün könnte die Rechten weiter stärken, außer die linken Kräfte - Gewerkschaften, Belegschaften, Studierende, Anti-Atomkraftbewegung, Umweltorganisationen, Friedensbewegung etc. - kämpfen für eine menschenwürdige Zukunft.

  • M
    MDS

    Die Grünen schätzen hier die Lage genau so falsch ein wie ihr vor der Wahl erwartetes Wahlergebnis, welches in Hessen in den Umfragen innerhalb weniger Wochen so stark schrumpfte, dass Rot/Grün keine Mehrheit mehr hatte.

    Die Grünen fingen dann zu weinen an, als ihre „Volkspartei-Träume“ (Illusion nach Fukushima) zerplatzten und sie schließlich nach der Wahl wieder in der Realität landeten.

    Dies wird bei den nächsten Wahlen nochmals wiederholen. Nur diesmal wird es dann um die Existenz gehen!

    • Z
      Zukunft
      @MDS:

      tja, Kinderliebe bedeutet halt nicht, dass Pädophile ihre Neigungen an Kindern ausleben dürfen, wie sie wollen. Es war klar, dass die Rechten diesen Irrweg irgendwann ausnützen und das Timing war perfekt.

      Dazu ein total passiver Wahlkampf zu Energiewende, Bildung und Soziales.

      Und natürlich Verrat an den S21-Demonstranten. Die Atomkraftwerke schaltet Merkel auch schneller ab als Trittin - dank Castor-Protesten und wegen des Fukushima-Unfalls.