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Zukunft des SpreeparksSaures für die Saurier

Die Versteigerung der Spreeparkruine müsste eigentlich fortgesetzt werden. Daran hat das Land trotz der auflaufenden Kosten aber kaum Interesse.

Guck mal: Der steht zwar nicht im Spreepark, schaut aber auch finster in die Zukunft. Bild: ap

Eine verwunschene weiße Holzbrücke windet sich über Sümpfe, in denen Frösche quaken. Schwanenboote liegen umgekippt auf der Wiese. Alte Gemäuer knarren schaurig bei jedem Windstoß. Sehen und hören kann man das nicht etwa in einem Märchenfilm, sondern live und in Farbe mitten in Berlin: in der Spreeparkruine im Plänterwald.

Bis 2001 drehten sich in dem heutigen Naturparadies Achterbahn und Riesenrad. Seit der spektakulären Flucht des ehemaligen Spreepark-Originals Norbert Witte mit Familie und Fahrgeschäften nach Peru Anfang 2002 fault und kreißt zugleich das vor sich hin. Die Natur hat sich ein Stück Stadtraum zurückerobert.

Alle Versuche das Landes Berlin, den Spreepark zu verkaufen, sind bislang gescheitert. Grund ist, dass ein Investor die Schulden der insolventen Spreepark-GmbH quasi mitgekauft hätte. Die belaufen sich inzwischen auf fast 30 Millionen Euro – bei einem Verkehrswert von 1,6 Millionen.

Geschichte des Spreeparks

Der Rummelplatz im Plänterwald war 1969 als „VEB Kulturpark Berlin“ eröffnet worden und galt als größter Freizeitpark der DDR. Größte Attraktion war das 40 Meter hohe Riesenrad. 1978 wurden im Plänterwald für die siebenteilige TV-Serie „Spuk unterm Riesenrad“ drei Figuren aus der Geisterbahn im Vergnügungspark zum Leben erweckt. Jährlich sollen bis zu 1,5 Millionen Gäste den Rummel besucht haben.

Nach dem Mauerfall übernahm die Schaustellerfamilie Witte das Erbbaurecht. Nach Investitionen in Millionenhöhe eröffnete sie im Jahr 1992 den Spreepark. Doch 2001 meldete die Spreepark GmbH Insolvenz an. Norbert Witte flieht mit einigen Fahrgeräten nach Südamerika. Später wird er wegen im Mast des „Fliegenden Teppichs“ geschmuggelter Drogen verhaftet und muss in Deutschland ins Gefängnis. Der Park verrottet indes.

Später beginnen Filmemacher den Park zu entdecken. Umgestürzte Dinos und Urzeitechsen bilden die Kulisse so manchen Streifens, auch Hollywood kommt. Sogar Witte wird zum„Hauptdarsteller“. Peter Dörflers Dokumentation „Achterbahn“ (2009) über das Leben von Witte und seiner Familie erhält hervorragende Kritiken. (dpa, taz)

Und es sieht ganz danach aus, als ob auch der aktuelle Versuch in die Hose geht, den Spreepark zwangszuversteigern. Denn dazu hat die Finanzverwaltung nur noch wenig Zeit. Das Finanzamt, das die Zwangsversteigerung beantragt hatte, „wird Anfang Januar entscheiden müssen, ob es einen Antrag auf Wiederaufnahme des Versteigerungsverfahrens stellt“, sagt Kathrin Bierwirth, die Sprecherin von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos).

Das Finanzamt Treptow-Köpenick hatte die Zwangsversteigerung beim Amtsgericht beantragt, weil die Spreepark-GmbH beim Amt Steuerschulden in Höhe von 560.000 Euro angehäuft hatte. Am 3. Juli vergangenen Jahres lieferten sich der landeseigene Liegenschaftsfonds und eine Privatfirma ein hartes Bieterduell vor Gericht. Das höchste Gebot lag bei 2,5 Millionen Euro und kam von der Privatfirma, der damals neu gegründeten SP Kultur und Freizeitpark GmbH. Dahinter steht der Konzertmanager Carlos Fleischmann.

Verhandeln auf Augenhöhe

Die Firma hätte eigentlich den Zuschlag bekommen müssen. Doch das Finanzamt ließ die Zwangsversteigerung an dieser Stelle unterbrechen. Das Land wolle Zeit gewinnen, begründete dies hinterher Nußbaums Sprecherin. Die Exekutive müsse sich mit dem Abgeordnetenhaus abstimmen, „um mit dem privaten Investor auf Augenhöhe verhandeln zu können“.

Gesetzlich ist eine Unterbrechung möglich, aber nur für ein halbes Jahr. Die Frist endet eigentlich am heutigen 3. Januar. Aufgrund der Feiertage werden einige wenige Tage hinzugerechnet. Wie viele genau, konnte am Donnerstag niemand sagen.

Das Grundstück gehört dem Liegenschaftsfonds. Er – und damit das Land Berlin – kann aufgrund des Pachtvertrags aber nicht über das Areal verfügen. Denn darin steht, dass die Spreepark GmbH auch Schulden anhäufen darf. „Grundsätzlich sind wir weiterhin bestrebt, eine Lösung zu finden, die dem Land wieder die Möglichkeit gibt, über den weiteren Umgang mit dem Grundstück zu entscheiden“, so Kathrin Bierwirth.

Das ist aus Sicht des Senats auch sinnvoll. Denn bei der derzeitigen Rechtslage haben neben dem Land zahlreiche andere mitzubestimmen: der Bezirk Treptow-Köpenick etwa. Dazu die Gläubiger der insolventen Spreepark-GmbH, allen voran die Hauptgläubigerin Deutsche Bank. Auch Norbert Wittes Exfrau Pia Witte, die derzeit das Erbbaurecht innehat, darf ein Wort mitreden. Genau wie ihr neuer Lebensabschnittsgefährte Gerd Emge, der von ihr allerlei Vollmachten hat, derzeit den Park bewacht und vermarktet. Da er keine Pacht zahlt, laufen weitere Schulden auf. Die Spreepark GmbH schuldet allein dem Land Berlin 4,3 Millionen Euro Erbbaurechtszinsen sowie fast 1 Million Euro für Reinigung und Schneebeseitigung.

Eine verzwickte Situation also.

Doch offenbar hat es kaum Versuche von Senatsseite gegeben, an einer Lösung zu arbeiten – obwohl es nun ein halbes Jahr her ist, dass die Zwangsversteigerung unterbrochen wurde. Abgeordneten zufolge gab es bisher keine der angeblich angestrebten Abstimmungen mit dem Parlament, die für größere Grundstücksgeschäfte nötig wären.

Was läuft hinter den Kulissen? „Wir haben mit keinem Kulturbetreiber verhandelt“, erklärt Irina Dähne, Sprecherin des Liegenschaftsfonds. Mehr will sie nicht sagen. Für Gespräche rund um Grundstücksgeschäfte gelte Vertraulichkeit, sagt sie.

Raum für Spekulationen

Das bietet Raum für Spekulationen. Wenig spricht dafür, dass es überhaupt eine zweite Runde der Zwangsversteigerung geben wird. Denn aus Sicht des Landes würde die sich nur rechnen, wenn Berlin selbst den Zuschlag bekommen würde. Käme ein anderer Interessent zum Zuge, sähe Berlin lediglich die 560.000 Euro Steuerschulden, die beim Finanzamt aufgelaufen sind, und die Gerichtskosten. Der dicke Rest des Versteigerungserlöses ginge aller Wahrscheinlichkeit nach an die Hauptgläubigerin Deutsche Bank.

Zudem bekäme ein Ersteigerer des Erbbaurechtes das Grundstück lastenfrei. Das heißt, er wäre nicht verpflichtet, Pacht zu zahlen. Bis der mit den Wittes abgeschlossene Vertrag 2061 abläuft, sähe Berlin keinen weiteren Cent, haftet aber für allerlei Risiken des Betreibers. Ein schlechtes Geschäft für das Land.

Es ist gut möglich, dass Berlin derzeit hinter den Kulissen mit der Deutschen Bank verhandelt über die Frage, wie viel der von Norbert Witte aufgehäuften Schulden das Land an die Bank zahlen soll – und wie viel diese davon in den Wind schreiben muss.

Völlig unklar ist auch, was einmal aus dem einstigen Spreepark werden könnte. Gerd Emge, der das Areal derzeit vermarktet, glaubt, dass Land und Bezirk unterschiedliche Ziele verfolgen. „Der Bezirk würde mir Zwischennutzungen für Musicals für 2014 genehmigen. Das Land hält sich zurück“, berichtet er. Der Bezirk, so vermutet Emge, wolle das Areal für kulturelle Nutzung nutzen. „Das Land will es dreiteilen: Ein Drittel soll ein kleiner Familienpark werden. Ein Drittel soll renaturiert werden. Ein Drittel soll Bauerwartungsland werden.“

Das Land äußert sich nicht zu diesen Spekulationen. Für den Bezirk bestätigt Baustadtrat Rainer Hölmer die Präferenz für eine kulturelle Nutzung. „Von den angeblichen Plänen des Landes höre ich aber zum ersten Mal. Bauerwartungsland mitten im Wald würde auf unseren Widerstand stoßen.“

Die Erwartungen des Bezirks decken sich mit dem, was Carlos Fleischmann vorhat, der im Sommer nur kurz am Zuschlag vorbeigeschrammt ist: Seine Firma plant einen kleinen Familienpark mit Spielplatz, Streichelzoo und viel Gastronomie. Das Riesenrad als Wahrzeichen will er wieder in Betrieb nehmen. Und im Sommer soll der Park Kulisse sein für bis zu 18 Großkonzerte und kleine Theatervorstellungen in der Natur.

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