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Kommentar Militanz in HamburgDu eitle Hanse

Andreas Fanizadeh
Kommentar von Andreas Fanizadeh

Rote Flora und Elbphilharmonie sind zwei gegensätzliche Symbole ein und derselben Stadt. Das spiegelt sich auch in der Militanzdebatte wider.

„Wo am Hafen / die Speicher und die Fische schlafen“. Bild: photocase / bohnopix

Hamburg / Jesus liebt dich / Wo am Hafen / die Schiffe und die Fische schlafen / Skianzüge / am Hans-Albers-Platz / Frühstückstyrannen / und auch Sorgenbrecher / Du altes Hamburg / unsere Schatzstadt / wo am Hafen / die Schiffe und die Fische schlafen.

Du eitle Hanse / Alle wollen dich / und du weißt das / und du genießt das / und dir gefällt das / und du brauchst das / Du sexy Hamburg.“

Es gab eine Zeit, in welcher nach der alten Geografie der Bundesrepublik die schöne und altehrwürdige Stadt Hamburg eine herausragende Stellung innehatte. Künstlerisch, subkulturell und ökonomisch sowieso. Das Hamburg-Lied der Lassie Singers sprach 1992 davon: „Du eitle Hanse / Alle wollen dich“.

Nun, heute, 20 Jahre und 20 Konflikte später, sieht das schon anders aus. Nach dem Mauerfall hat „sexy Hamburg“ im Laufe der Jahre viel von seiner überregionalen Ausstrahlungskraft verloren. Die Wirtschaft brummt zwar weiterhin, aber viele der früheren Protagonisten der (sub-)kulturelle Szenen sind längst nach „sexy Berlin“ umgezogen. Dort gibt es günstigere Mieten, weniger Kiezismus, mehr Freiheit und Anonymität.

„Ihr seid die genialen Dilettanten / Wir eure wohlhabenden Verwandten“

Zurück ist aus subkultureller Perspektive ein kleines gallisches Dorf geblieben – der widerständige Stadtteil St. Pauli – in den nun im spätrömischen Stil Heerscharen von Investoren und Gentrifizierern einzudringen versuchen und die es in der Logik unserer sympathischen St.-Pauli-Gallier unbedingt zurückzuschlagen gilt. Die gelangweilten, aber vermögenden Römer suchen sich am romantisch-bohemienhaften Lebensstil der entschleunigten Gallier zu laben, diesen für ihre Lebens- und Konsuminteressen zu verwerten.

Dieses Verhältnis hat die Hamburger Band Die Goldenen Zitronen in ihrem aktuellen Song „Der Investor“ musikalisch und spielerisch sehr genau umrissen. Wissend darum, dass es auch eines ist, zu dem man selber gehört, singt Leadsänger Schorsch Kamerun auf dem Album „Who’s Bad?“: „Hey, hey hello / Hier spricht der Investor … Ihr seid die genialen Dilettanten / Wir eure wohlhabenden Verwandten“. Es gibt kein Eigenes ohne das Andere, Rote Flora und Elbphilharmonie sind zwei gegensätzliche Symbole ein und derselben Stadt, ohne die Hamburg eben als Stadt nicht existieren würde.

Ohne Römer keine Gallier und umgekehrt. Auf beiden Seiten gibt es jedoch Kräfte, die dies nicht verstehen wollen. So besteht auf der Seite des SPD-geführten Senats offenbar der feste Wille, St. Pauli und die Rote Flora in einer finalen Eskalation den Römern zum Fraß vorzuwerfen. Innensenator Michael Neumann ließ Prätorianergarden aufmarschieren und ganze Stadtbezirke zu Polizeisonderzonen erklären.

Sturheit und Stumpfheit

Nur weiß man bis heute nicht, welche Gruppierungen auf Demonstrantenseite für die Ausschreitungen infolge des 21. 12. tatsächlich verantwortlich sind, und auch nicht, ob die Einsatzleitung der Polizei die Eskalation ebenfalls gezielt gesucht hat.

Die Sturheit der einen ruft die Stumpfheit der anderen auf den Plan, könnte man nun einfach sagen und sich zurücklehnen: hier die rabiaten linken Kiezisten, dort die fanatischen Polizeistaatshardliner. Doch so einfach sollten es sich auch unsere lieben Gallier nicht machen.

Sie haben die martialische Stimmung selbst mit geschürt, von der sich Radikalinskis aller möglicher Spektren angezogen fühlen. „Im Ergebnis erscheinen massive Proteste und eine Eskalation als einzige Perspektive gegen eine Politik, die ihre politischen Zielsetzungen als kapitalistische Sachzwänge durchzusetzen versucht“, hieß es im zentralen Demonstrationsaufruf für den 21. 12. Der Text verband das konkrete „Right to the City“ mit der Totalität beanspruchenden Formel vom „Fight Capitalism!“

Im Gefolge dann eben auch die Angriffe auf Polizisten und die Davidwache sowie ein Pamphlet, das über eine autonome Medienplattform dazu aufruft, sich zu bewaffnen: „200 Leute, 400 Mollis und dazu 50 GenossInnen mit Zwillen, jeweils 15 Schuss Stahlkugeln – und die Bullen werden das Viertel verlassen. Irgendwann werden wir schießen müssen.“ Da braucht es schon einen kräftigen Schluck Zaubertrank, um die Betonköpfe auf beiden Seiten aufbröseln zu lassen oder sie beherzt zur Seite zu schieben.

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Andreas Fanizadeh
Ressortleitung Kultur
Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Kulturpolitischer Chefkorrespondent der taz. Von Oktober 2007 bis August 2024 Leiter des Kulturressorts der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.
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7 Kommentare

 / 
  • M
    Mauergänger

    Ich war gerade im September in der Charlottenstr. und hatte aus der "Stadtwohnung" einen coolen Blick auf Eure Konkurenz. Um es nicht mit Nina zu sagen: Es war gar nichts schön bunt da! Supertourimäßig saniert die Gegend! Totentanz der ....nicht mal das, so kaputtgentrifiziert ist die Ecke! Und das kommt jetzt auch hierher! Im Herzen bekomm ich Schmerzen, wenn ich da an Neukölln denke. Oder die anderen, lebenden Stadtteile.

    Macht kaputt, was euch kaputt macht...ist sang und klanglos übernommen worden;-(

  • Ganz klar ein Artikel, der nicht von einem Hamburger kommt :) Was im Kern stimmt, ist der Konflikt zwischen "Dilettanten" (= Durchschnittsbürger und alternative Gesellschaftsgruppen) und "reichen Verwandten" (=Investor) und der stetige Umbau Hamburgs Stadtzentrum in die Wohlfühl-Erlebniswelt einer NDR-Stockfisch-Reportage. Und das reicht von Othmarschen bis nach Barmbek-Süd, wenn man einigen Absichtsbekundungen glauben darf.

     

    Und was ist dabei herausgekommen? HH verkommt zum Rummelplatz für Touris, ohne deren Zureise im 14Tage-Event-Takt es in den glattsarnierten Stadtteilen toter Handelsketten ungefähr so lebendig ist, wie in einer Saturn-Tiefgarage. Und dann stellen sich die Ober-Dilettanten der Optimierer ein Opernhaus-Denkmal für 370 Millionen an den Hafen (was noch nicht mal fertig ist), für dessen Preis man halb Hamburg hätte sarnieren können, plus Ganztagskinderstätte für alle Betroffenen als Dreingabe.

     

    Fragt die Leute endlich mal, was sie sauer macht und wie lange das schon anhält. Geht endlich mal auf die Hintergründe und hört mit dem ewige Linke-Chaoten vs Polizei Nebenschauplatz auf (noch dazu mit offensichtlich falschen Informationen). Das nervt und es geht am Kern vorbei und lenkt von dem ab, worum es hier eigentlich geht.

  • Z
    Zitronenjette

    "Es gibt kein Eigenes ohne das Andere, Rote Flora und Elbphilharmonie sind zwei gegensätzliche Symbole ein und derselben Stadt, ohne die Hamburg eben als Stadt nicht existieren würde. "

     

    Was ist das denn für eine seltsame Erkenntnis?

    Und was soll die Bezeichnung "Radikalinskis" eigentlich? Der ganze Text besteht ansonste4n nur aus Lied-Zitaten, Hamburg-Klischees und zusammengewürfelten News von gestern. Muss nich sein.

  • das Zivil Volk die Polizei haßt.....und es ist notwendig, sich einen Liter Benzin zu begeben in gewiße Fälle....no pasaran......Mario Pellerey

  • D
    David

    Das Verfassen des Artikels hat etwas länger gedauert, oder? Dass der Angriff auf die Davidwache wahrscheinlich gar nicht statt gefunden hat ist schon seit zwei, drei Tagen klar. Videos des Beginns der Eskalation der Demo am 21.12. gibt es reichlich. Das "Pamphlet" war ein anonymer Kommentar unter irgendeinem Eintrag. Lag der Text noch in irgendeiner Schublade herum?

  • D
    Dirk

    "Zurück ist aus subkultureller Perspektive ein kleines gallisches Dorf geblieben – der widerständige Stadtteil St. Pauli – in den nun im spätrömischen Stil Heerscharen von Investoren und Gentrifizierern einzudringen versuchen und die es in der Logik unserer sympathischen St.-Pauli-Gallier unbedingt zurückzuschlagen gilt."

     

    Also St. Pauli war nie ein gallisches Dorf und nicht alle Investoren buchen ein Ticket aus Frankfurt, London, Hong Kong oder New York, der Investor Willy Bartels kam wahrscheinlich mit der S-Klasse und verschandelte den Stadtteil mit Hochhäusern und einem Versuch, dem Stadtteile seine teilweise schöne Tristesse durch Großspurigkeit zu ersetzen.

     

    Aber der Text hier könnte für alle innerstädtischen Gebiete in Hamburg gelten, denn die Stadt war mal sehr reich, heute sind hier nur wenige reich, die dafür aber zunehmdend. Und denen ist das egal, was in St. Georg, St.Pauli, Schanze, Ottensen, St.Pauli Nord etc. passiert. Einige kaufen, investieren, andere halten sich zurück. Das eigentliche Problem ist, dass wir eine SPD haben, die versprach wieder für kleine, eben auch arme Leute da zu sein und davon bekommt man nix mit. Zwar ist auf der lokalen Ebene die Sache anders, aber die zählt in der Stadt kaum noch. Und hätten die Autonomen nicht Radau gemacht, mit wahrscheinlich bis zu 500 Touristen aus dem schwarzen Block, wäre das Ganze nicht zu diesem Thema und zu dieser Bedeutung gelangt. Letztlich ist übrigens Hamburg immer weiter austauschbar mit Berlin: Die Konflikte, Probleme und politischen Ratlosigkeiten ähneln sich. Noch sind sie nicht identisch, aber wenn ich als Hamburger einen berliner Lokalteil lese, verstehe ich das sofort.

     

    Solange Politiker und Parteien sich weigern, Normalbürger, eben auch Arme, Arbeitslose, AlleinerzieherMütterinnen etc. als wichtige Elemente des Soziotops Stadt anzusehen, solange werden die Konflikte zunehmen.

  • X
    XYZ

    Zumal ich hier nicht ganz verstehe, wer so blöd ist und glaubt mit Zwillen und Stahlgeschossen die Polizei vertreiben zu können. Das oft angebrachte Schusswaffengebrauchszitat ("eine Dimension erreicht, die einen Schusswaffengebrauch situationsbedingt wahrscheinlich machen könnte") wurde genau in diesem Kontext angebracht: "Wer aus kürzester Distanz Flaschen und Steine auf Polizisten wirft, nimmt billigend in Kauf, dass Menschen getötet werden." Wer mit Zwillen Stahlkugeln verschießt muss sich nicht wundern, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Schusswaffengebrauchs steigt. Ich höre jetzt schon das Gejammer...