Kommentar Coming-out Hitzlsperger: Olé, olé, Super Thomas, olé
Der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hat sich mit seinem Coming-out über alle finsteren Prophezeiungen hinweggesetzt. Respekt!
N un wissen wir es also. Thomas Hitzlsperger ist schwul. Es war eine ganz besondere Meldung, die da am Mittwochvormittag durch die Republik gegangen ist. Denn Hitzlsperger ist Fußballer, bis vor ein paar Monaten war er noch aktiv.
Er kommt aus einer Welt, die gemeinhin als homophob gilt, aus der Machowelt des Männerfußballs. Jetzt ist es raus! Und ein wahrer Lovestorm bricht über den jungen Mann herein. Alle finden toll, dass er sich geoutet hat. Zu Recht!
Und mutig ist der Schritt Hitzlspergers, auch wenn er sich nach seinem Karriereende nicht mehr den Reaktionen des Stadionpublikums oder den Kommentaren von Mitspielern stellen muss. Immer wieder ist der Eindruck erweckt worden, der Fußball sei noch nicht reif für das Outing eines Profis.
Es waren Manager wie Borussia Dortmunds Vorstandschef Hans-Joachim Watzke oder St. Paulis früherer Präsident Corny Littmann, die Spieler regelrecht davor gewarnt haben, öffentlich zu ihrer Homosexualität zu stehen. Ein Spieler könne unmöglich seine Leistung bringen, wenn er als Schwuler im Fokus der ganz großen Öffentlichkeit stehe, hieß es wiederholt.
Die lechzende Medienmeute
Der organisierte Fußball hat sich selbst als archaische Gegenwelt zur bundesrepublikanischen Realität beschrieben, so, als sei er nicht Teil einer aufgeklärten Gesellschaft. Eine bequeme Haltung ist das, die auch in einer Broschüre des Deutschen Fußball-Bunds, die als Ratgeber für den Umgang mit homosexuellen Spielern an alle Fußballvereine des Landes verschickt worden ist, zum Ausdruck kommt. Darin warnt der DFB Spieler, die sich outen wollen, vor einer lechzenden Medienmeute und unkalkulierbaren Reaktionen des Publikums.
Vielleicht markiert das Outing von Thomas Hitzlsperger, dem nun so viel Zuspruch zuteil wird, das Ende all dieser ach so guten Ratschläge, das Ende aller ach so wohlmeinenden Warnungen vor dem miesen Fußballmob. Diese Warnungen wird auch Hitzlsperger über die Jahre vernommen haben. Er selbst hat den Fußballkosmos immer wieder als problematisch beschrieben. Am Ende hat sich der ehemalige Nationalspieler über alle finsteren Prophezeiungen hinweggesetzt. Respekt!
Hitzlsperger wird wissen, dass mit seinem Outing das große Spekulieren, welcher prominente Spieler denn noch schwul sein könnte, einsetzen wird. Beinahe jedem Fußballfan fallen spontan eine Handvoll Spielernamen ein, zu deren Trägern es entsprechende Gerüchte gibt. Philipp Lahm, der Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft, sah sich deshalb genötigt, den Satz „Ich bin nicht schwul“ an prominenter Stelle in seine Fußballerautobiografie zu schreiben.
Lahm kennt die Gerüchte über ihn nur allzu gut. Ist er nun doch schwul? Hören wir auf zu spekulieren! Früher oder später wird sich der erste aktive Profi in Deutschland outen. Die Zeit ist reif – Thomas Hitzlsperger sei Dank!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“