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Krisenforscher über Schokourteil„Den falschen Gegner ausgesucht“

Frank Roselieb sieht den Schaden für die Stiftung Warentest nach der Niederlage gegen Ritter als begrenzt an. Ihre Sturköpfigkeit wundert ihn aber.

Streitgegenstand: die Ritter-Sport-Sorte „Voll-Nuss“. Bild: dpa
Interview von Wolfgang Mulke

taz: Herr Roselieb, wie groß ist der Vertrauensverlust für die Stiftung Warentest durch dieses Urteil?

Frank Roselieb: Der Vertrauensverlust wird begrenzt bleiben. Denn die Stiftung Warentest hat eine lange Tradition, arbeitet nicht gewinnorientiert und ist über alle Medien hinweg gut aufgestellt. So kann sie die Tests und Verfahren transparent darstellen und Reputation zurückgewinnen. Wenn sie weiterhin stur bleibt und die nächste Instanz verliert, sieht es schon anders aus.

Die Tester sollen also auf die Berufung verzichten, obwohl sie sich bei ihrem Prüfverfahren fehlerlos wähnen?

Mich hat die Sturköpfigkeit der Stiftung in diesem Fall von Anfang an gewundert. Auch Tests sind nicht perfekt. Hier wurde einfach behauptet, dass die von Ritter benötigte Menge Piperonal nicht auf natürlichem Wege erzeugt werden könne. Dabei braucht Ritter im Jahr vielleicht 7 oder 8 Kilogramm davon. Diese Menge lässt sich natürlich gewinnen. Dieser Hochmut hat mich überrascht.

Schadet diese Sturheit dem Image mehr als das Eingeständnis eines Fehlers?

So ist es. Das sieht man auch bei Politikerrücktritten. Es wird einem übel genommen, wenn man einen Fehler nicht eingestehen kann. Mit Ritter hat sich die Stiftung zudem den falschen Gegner ausgesucht. Das ist eine grundsolide Firma mit einem Ökounternehmer an der Spitze.

krisennavigator.de
Im Interview: Frank Roselieb

44, ist geschäftsführender Direktor und Sprecher von Krisennavigator – Institut für Krisenforschung, einem Ableger der Christian-Albrechts-Universität Kiel.

Werden sich nach der ersten Niederlage der Stiftung auch andere Unternehmen gegen deren Urteile wehren?

Ich glaube nicht an eine Klagewelle gegen die Warentester. Normalerweise werden die Tests vorher mit der Industrie abgestimmt und sehr genau durchgeführt. Gegen die Bewertung vorzugehen dürfte kaum erfolgreich sein. Bei Ritter liegt der Fall anders. Das Unternehmen hat sich nicht gegen die Note „mangelhaft“ gewehrt, sondern nur gegen die Behauptung, Inhaltsstoffe falsch zu deklarieren. Hier lag die offene Flanke beim Test. So angreifbar sind andere Tests nicht.

Gibt es vergleichbare Fälle?

Wir haben lange gesucht. Bekannt ist nur der Fall des Nudelherstellers Birkel, der unerlaubt Flüssigeier bei der Herstellung einsetzte und durch eine völlig überzogene Behördenwarnung einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden erlitt. Das Unternehmen konnte einen Millionenbetrag als Schadenersatz vom Land Baden-Württemberg erstreiten. Ansonsten haben wir keinen David gefunden, der sich gegen den Goliath erfolgreich wehren konnte.

Was sollte die Stiftung nun tun?

Sie sollte aus dem Schmollwinkel herauskommen und ihre Testkriterien verbessern. Auch stünde ihr ein wenig mehr Zurückhaltung bei der Präsentation spektakulärer Testergebnisse gut zu Gesicht.

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15 Kommentare

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  • Mich wundert die Sturköpfigkeit nicht. Immerhin hat Stiftung Warentest einen Ruf zu verlieren. Wenn es plötzlich Beispiele von "nicht korrekten" Tests gibt, werden viele das Vertrauen verlieren oder die Tests zumindest kritischer betrachten. Letzteres sollte ohnehin passieren. Denn nur weil es eine gemeinnützige Organisation ist, bedeutet es nicht, dass sie keine Fehler macht.

  • CL
    Christoph Lang

    "Das ist eine grundsolide Firma mit einem Ökounternehmer an der Spitze." Ehrlich gesagt wundert mich diese Aussage ein wenig; ist doch Die Firma Ritter erst neulich vom Bundeskartellamt zusammen mit zehn weiteren Süßwarenherstellern wegen illegaler Preisabsprachen zu einer Millionenbuße verurteilt worden (vgl. "Rechnung für süßes Kartell", taz vom 31.01.2013).

  • NG
    nur gast

    Die Tester sind doch nur vor Gericht gelandet, weil sie ihre Behauptung nicht wissenschaftlich untermauern konnten. Sie haben angenommen, die Menge an Aroma könne nicht natürlich produziert werden bzw. der Hersteller sei nicht bereit, den Preis dafür zu zahlen. Wenn "Testergebnisse" auf Annahmen basieren, sind sie unglaubwürdig.

    • AN
      Auch nur Gast
      @nur gast:

      Denke!

  • KM
    koof mich immer

    der herr wissenschaftler bekommt doch sein institut nicht von davids gesponsort sondern von den goliaths geschmiert

     

    wie kann ich als zeitung son fachkassierer gutachten lassen und werbung für sein propaganda institut machen lassen

     

    in der streithauptsache is letztlich nix entschieden und die kammer hat sich dazu entschieden ,daß der schaden eines negativen urteils ohne vorherige sachaufklärung für ritter nicht mehr gutzumachen wäre.den richtern sitzt auch die birkelentscheidung im nacken

  • K
    Öko?

    Ritter Sport als Öko Unternehmer zu bezeichnen halte ich für mutig. Werden Biozutaten oder Fairtrade Zutaten in dem Großteil des Produktsortiments verwendet? Nein!

    Qualitativ hochwertig verarbeitete Schokolade benötigt auch kein Sojalecithin.

    • ED
      Ey Du, echt?
      @Öko?:

      Noch ein Schokoexperte. Öko muß nicht Bio sein und Bio nicht Öko. Fairtrade muß beides nicht sein und Fairtrade ist oft auch nicht Öko. Verwirrrrt? Macht nichts, einfach die Grünen wählen, das reicht , denn die machen das schon bioökofair. Stiftung Warentest hat übrigens bald eine Stelle für einen Sojalecithin-Experten und Bescheidwisser über hochwertig verarbeitete Schokolade frei. Man muß nur mit einem CO2-Zertifikal über dreimonatiges Nichthyperventilieren, mit einem fair gehandeltem Fahrrad aus einem kommunistischen Klimakatastrophengebiet, im ökologisch hergestelltem Anzug aus Resten von Solarwindkrafträdern der Firma Prokon auftauchen und schon ist man bezahlter Schokoexperte. Wie wärs?

    • @Öko?:

      Nicht Ritter Sport selbst, sondern deren Chef Alfred Ritter wurde als Ökounternehmer bezeichnet. Und wenn ich mir den WP-Artikel (https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Theodor_Ritter) so anschaue, so kann man das durchaus zu Recht tun, bspws. sah dies 1997 der WWF ja genauso (obwohl der WWF natürlich eien durchaus zweifelhafte Organisation ist).

       

      Übrigens hat Ritter ja durchaus Bemühungen und jetzt einige Fairtrade- und Bioschokolade im Handel. Vor einiger Zeit gab es auch vegane Schokolade (die aber glaube ich wieder eingestellt wurde), welcher große Hersteller beschäftigt sich schon sonst damit? Daher finde ich das Engagement durchaus lobenswert.

  • GF
    Gute Fair-Trade Schokolade schmeckt sowieso besser

    Wieso Fehler? Bis jetzt ist doch kein Nachweis erbracht worden, dass es sich tatsächlich um natürliches Aroma handelt. Angesicht der benötigten Mengen wird das unter Berücksichtigung der natürlichen Vorkommen für den Hersteller noch eine interessante Aufgabe. Vom Hersteller wird die Wahrheit stets nur kompliziert verklausiliert umschrieben. Die Kosten natürlichen Aromas betragen 30 mal mehr als das der chemisch gewonnenen Zeugs. Angesichts solcher Zahlen sehen doch unsere Wirtschaftskapitäne sofort für die eigenen Tasche Gewinnoptimierungen. Was die eidesstattliche Aussage von Milliarden-Euro schweren Konzernen allgemein wert ist, wissen wir doch alle. Vielleicht sollte sich Ritter Sport um Schadensbegrenzung bemühen, alle Karten auf den Tisch legen und auf die Zugabe fraglicher Zutaten verzichten. Ab geht's in die nächste Runde.

    • @Gute Fair-Trade Schokolade schmeckt sowieso besser:

      Grundsätzlich ist die Einrichtung, die einer anderen einen Betrug vorwirft beweispflichtig. StiWa hat Rittersport vorgeworfen, die Verbraucher in die irre zu führen und ein "nicht verkehrsfähiges Produkt" zu verkaufen. Für diese schwere Anschuldigung muss schon auf den Tisch kommen als eine Vermutung über den hohen Preis. Und eine eidesstattliche Versicherung wird von einer Person abgegeben, die im Falle einer Falschaussage eine Haftstrafe zu erwarten hat. Es bleibt spannend.

       

      Das Interview hat mir gut gefallen, da es auf den Hochmut der StiWa hinweist. In einem anderen Artikel aus der Printfassung der Taz vom heutigen Tage verkündete die zuständige Chemikerin der StiWa, dass sie noch nie einen Schadensersatzprozess verloren hätten ... Es gibt für alles ein erstes Mal und wenn die Argumente von StiWa wirklich so schwach bleiben, dann könnte dieses erste Mal näher rücken.

    • WG
      weiterer Gast
      @Gute Fair-Trade Schokolade schmeckt sowieso besser:

      Die Stiftung hat zwar eine vorläufige juristische Niederlage erlitten, aber sachlich betrachtet ist es nach wie vor völlig unklar, wie Piperonal natürlich gewonnen werden soll - und das zu Marktpreisen.

       

      Sicher, Ritter könnte bei der gerinen benötigten Menge auch große Summen für Piperonal aus Naturextrakten ausgeben - aber das geschieht nicht. Billiges Piperonal aber bekommt man nicht als natürliches Aroma (und der Begriff "natürlich" ist in diesem Zusammenhang eng definiert).

      • @weiterer Gast:

        "aber das geschieht nicht" finde ich schon eine sehr starke Aussage, setzt es doch Gewissheit voraus. Ich muss sagen, dass ich es einfach nicht weiß.

         

        Allerdings frage ich mich bei der ganzen Berichterstattung auch immer, über welche Summen wir hier reden. Hier werden jetzt erstmals erwähnt, dass Ritter lediglich 7, 8 kg pro Jahr benötigt und das bestätigt mich in meiner Vermutung, dass wir hier über geringe Summen reden. Pro Tafel Schokolade braucht man daher sicherlich nur einen winzigen Teil Aroma und der wird dementsprechend günstig sein, in Relation zum Gesamtprodukt. Wenn also das künstliche Aroma sagen wir nur 0,01 cent an Kosten pro Tafel ausmacht, dann könnte ich mir durchaus vorstellen, dass Ritter da auch das 30fache bezahlt, um natürliche Aromen zu verwenden, also dann 0,3 cent pro Tafel. Das ist nämlich immer noch günstigere Werbung als anders und so können sie mit "natürlichen Aromen" werben. Wenn wir natürlich über 1 cent pro Tafel reden, würde ich auch bezweifeln, dass Ritter dann 30 cent pro Tafel bezahlt.

        Fazit aber: So lange ich so wenig Informationen dazu habe, möchte ich mir kein Urteil darüber erlauben. Und Ritter ist wahrlich nicht der megaböse Raubtierkapitalismuskonzern.

        • NG
          Noch'n Gast
          @Dubiosos:

          Also, laut Handelsblatt (http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/streit-um-aroma-hohe-kosten-fuer-natuerliches-piperonal/9322588-2.html)

          kostet 1Kg Piperonal mehr als 10000 Euro. Ritter verwendet laut dieser Quelle 0.03mg pro Tafel.

          Das wären dann 0,03Cent pro Tafel oder "etwas mehr".

          Also vorausgesetzt, die Angaben stimmen und ich habe richtig gerechnet, erscheint mir das nicht teuer ;-)

          • @Noch'n Gast:

            Danke für die Antwort und die Informationen. Wir reden hier also von Kosten von so von knapp 100.000 Euro für Rittersport im Jahr. Das bestärkt mich in meiner Vermutung, dass Ritter hier sehr wohl diese erhöhten Kosten einfach auf Grund der Werbewirksamkeit problemlos tragen kann. 100.000€ ist für einen umsatzstarken Hersteller wie Ritter doch nicht mehr als ein Pfennigartikel - Jede winzige Schwankung im Kakaopreis trifft Ritter sicherlich wesentlich härter.

            • ZR
              Zuckerpreis relevanter ;)
              @Dubiosos:

              Hauptzutat der meistverkauften Schokoladen: Zucker.