piwik no script img

Kommentar zur Piraten-KlageBerliner Piraten erleiden Schiffbruch

Kommentar von Sebastian Heiser

Die Geschäftsordnung des Parlaments verstoße gegen die Landesverfassung, fand die Oppositions-Partei und klagte. Die Richter schüttelten nur den Kopf. Kein Wunder.

Geschäftsordnungsnerd bei der Arbeit. Bild: Reuters

V or dem Verfassungsgerichtshof sind die Piraten mit ihrer teilweise skurrilen Klage auf ganzer Linie gescheitert: Die Richter urteilten, dass die Geschäftsordnung des Parlaments nicht gegen die Landesverfassung verstößt. Die 15 Piraten-Abgeordneten erweckten mit ihrer Klage allerdings auch den Eindruck, als würde es ihnen dabei mehr um theoretische Grundsatzfragen als um echte Probleme in dieser Stadt gehen.

Ein Beispiel: Die Piraten störten sich daran, dass ein Antrag nur gemeinsam von mindestens sieben Abgeordneten ins Parlament eingebracht werden darf. Sie fanden, dies verletzte die Rechte des einzelnen Abgeordneten – dieser müsse auch allein einen Antrag einbringen dürfen. Die Frage mag interessant für Geschäftsordnungsnerds sein. Aber nicht für die Realität. Denn wenn ein Abgeordneter nicht einmal sechs andere Abgeordnete findet, die seinen Antrag unterstützen, dann findet der Antrag am Ende ohnehin keine Mehrheit im Plenum, sondern führt nur zu mehr Selbstbeschäftigung im Parlament.

Kopfschütteln der Richter

Ebenso war auch die Brisanz der Postfrage kaum zu erkennen. Die Piraten sahen ihre Rechte als Abgeordnete auch deshalb verletzt, weil die Poststelle des Abgeordnetenhauses ihnen ihre Briefe nicht direkt zustellt, sondern über die Fraktion verteilen lässt. Bei den Verfassungsrichtern lösten die Piraten damit schon während der mündlichen Verhandlung Kopfschütteln, Fassungslosigkeit und ironische Kommentare aus. Die Idee mit der Klage ging für die Piraten insgesamt ziemlich nach hinten los.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Mich stört an den Piraten generell, das sie effizienten Entscheidungsprozessen so gar keine Gewichtung zukommen lässt.

    • @Tim Leuther:

      klug gesprochen, und doch bloß bla, bla, bla...,

  • Nun hat Berlin sicherlich größere Probleme und Herausforderungen als die genannten Punkte.

     

    Dennoch zeigt die Reaktion auf die Postfrage sehr deutlich, für wie selbstverständlich in unserer Gesellschaft inzwischen Abgeordnete als bloßes Anhängsel ihrer Fraktion gesehen werden. Es geht m.E. eine Fraktion überhaupt nichts an, von welchen Absendern ein Abgeordneter Post erhält - hier haben die Piraten recht.

    • @arunto:

      Das mit der Postzustellung halte ich auch für problematisch.

      Aber was die Antragsrechte angeht: Es brauchte zuletzt mindestens fünf Piraten, um einen Antrag zum Bundesparteitag zu stellen. Und es waren schon Vorschläge unterwegs, diese Hürde zu erhöhen.