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Streit um Glastonnen„Fehlwürfe verringern“

Um Flaschen besser trennen zu können, brauche es Einwurflöcher in den Hinterhoftonnen, sagt die umweltpolitische Sprecherin der Grünenfraktion, Silke Gebel

Weißglascontainer im Hinterhof der taz: Wer ist der Schuldige? Bild: taz
Uwe Rada
Interview von Uwe Rada

taz: Frau Gebel, wann haben Sie zuletzt in Ihrer Glastonne zu Hause eine Tüte mit weißen Schnapsflaschen und grünen Weinflaschen entdeckt?

Silke Gebel: Bei uns zu Hause ist das Flaschenwegbringen Männersache. Mein Mann berichtet, es werde gut getrennt.

Nun sagt die Glasindustrie, das Glas aus Berlin sei kaum brauchbar fürs Recyceln. Woran liegt es?

Wenn die Qualität des recycelten Glases in Berlin schlechter ist, muss man sie verbessern. Die Frage ist nur: Ist allein der Bürger schuld, der nicht gut genug trennt? Oder liegt das Problem auch bei den Umschlagplätzen, wo viel zu Bruch geht und hinterher nicht mehr aussortiert werden kann?

Unstrittig ist, dass in den Iglu-Containern besser getrennt wird als in den Glastonnen auf dem Hinterhof.

Das kann man auch in den Hinterhöfen lösen. Auch da könnte man bei den Tonnen ein Einwurfloch anbringen, um die Anzahl der sogenannten Fehlwürfe zu verringern.

Die Grünen sprechen sich dafür aus, die ganze Recyclingkette noch einmal zu überprüfen, ohne dass dabei das Berliner Modell, also das Nebeneinander von Sammelcontainern und Hinterhoftonnen, abgeschafft wird. Wo sehen Sie da noch Verbesserungsmöglichkeiten?

Wir brauchen eine bessere Informationskampagne. Es gibt ja zwei Sorten von Fehlwürfen. Es gibt die gutwilligen Fehlwürfe, bei denen die Leute ihr Kristallglas in den Hinterhofcontainer schmeißen. Und es gibt die Fehlwürfe, wo auch mal ein Kinderwagen in der Tonne landet. Der würde zum Beispiel nicht durch ein Einwurfloch passen.

Das ist das Berliner Glas

Was los war: Ende November und im Dezember wurden in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick ohne jede Vorwarnung 7.500 Glastonnen entfernt. Das Duale System Deutschland (DSD) begründet die Maßnahme mit der schlechten Qualität des Glases in den Tonnen.

Trennen: Seit 1993 gibt es in Berlin neben den Sammelcontainern auch Glastonnen in Hinterhöfen oder auf den Müllplätzen neben der Wohnanlage. Nun will das DSD dieses "Berliner Modell" aus "Holsystem" und "Bringsystem" rückgängig machen. Die Opposition vermutet Einsparungen.

Recyceln: Laut Verpackungsverordnung wird das Recyceln von Wertstoffen in Deutschland privatwirtschaftlich organisiert. Das DSD schreibt die Leistungen aus. In Berlin ist unter anderem "Berlin Recycling" verantwortlich".

Politik: Laut Umweltstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) hat die Politik keinen Einfluss auf die Praxis des DSD. Dennoch saß Gaebler in einer "Arbeitsgruppe Glas", in der der "Systemwechsel" auf ein alleiniges "Bringsystem" seit Langem diskutiert wurde.

Weiß und bunt: Und so geht das Trennen: weiße Flaschen in die Weißglastonne, der Rest in die andere. Verschlüsse, Spiegel, Kristallgläser, Auflaufformen und Kinderwagen haben nichts in der Glastonne verloren. (wera)

Die Industrie möchte auch die Trennung von Braun- und Grünglas. Die gibt es beim Iglu, im Hinterhof aber nicht.

Der Bürgermeister von Treptow-Köpenick hat sinnvollerweise vorgeschlagen, auf den Höfen kleinere Tonnen aufzustellen. Dann passen auch drei hin.

Die ganze Aufregung, die es nun gibt, rührt daher, dass das Duale System Deutschland (DSD) kürzlich in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick 7.500 Tonnen abgezogen hat. Künftig soll alles Glas in den Iglus getrennt werden. Was wird die Folge sein?

Das kann man jetzt schon beobachten. Die Leute stellen die Flaschen dorthin, wo früher die Tonne war. Vielleicht denken sie, die ist nur temporär weg. Insgesamt kann es also sein, dass die Sammelquoten sinken. Was teuer wird, ist, wenn die Glasflaschen in der Wertstofftonne landen und die Trennung erschweren. Und wenn sie in der Reststofftonne landen, steigen die Betriebskosten.

Ist es den Betroffenen wirklich nicht zuzumuten, ein paar hundert Meter zur nächsten Iglu-Tonne zu gehen?

Berlin hat erst vor zwanzig Jahren auf die Hinterhoftonne umgestellt. Da gibt es eine breite Allianz, das beizubehalten. In einer so dicht bebauten Stadt wie Berlin haben wir auch gar keinen Platz für ein Containersystem.

Oder liegt es daran, dass man in einer armen Stadt wie Berlin nicht so viel verlangen kann vom Bürger?

Wenn ich ihm die Hinterhoftonne wegnehme, sinkt die Akzeptanz. Aber die Bürger wurden gar nicht gefragt, als es um den Systemwechsel ging, den das DSD will.

Die SPD-geführte Umweltverwaltung wusste seit April 2012 vom schlechten Berliner Glas. Welche Verantwortung trägt der Senat für das Chaos?

Der Senat hat das verschlafen. Da ist ganz klar Staatssekretär Christian Gaebler in der Verantwortung. Er saß mit dem DSD im Arbeitskreis Glas.

Der DSD sagt, Herr Gaebler wusste vom geplanten Systemwechsel. Gaebler sagt, es sei lediglich über eine Reihe von Maßnahmen gesprochen worden. Wem glauben Sie?

Umweltsenator Müller hat eine Vereinbarung mit dem Dualen System unterzeichnet. Damit wurde die Grundlage für den Systemwechsel gelegt.

Im Umweltausschuss war die Empörung groß, auch bei der SPD. Wird der Ausschuss bei der nächsten Sitzung fordern, die 7.500 Tonnen wieder zurückzubringen?

Herr Gaebler hat in der „Abendschau“ lediglich gesagt, dass der Systemwechsel nicht auf weitere Bezirke ausgedehnt werde. Die SPD-Abgeordneten sahen das in der Anhörung anders. Ich gehe davon aus, dass sie zu ihrem Wort stehen.

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12 Kommentare

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  • FV
    Flores Vandess

    Wenn Monopolisten bestimmen, bleibt der Wettbewerb auf der Strecke

     

    Weil das Altglas in zwei Haustonnen schlecht sortiert ist, nur nach weiß und grün getrennt, hat man uns die hausnahen Container entfernt, statt die fehlende Tonne für Braunglas aufzustellen. Man tat es nicht, weil dabei von vornherein ganz andere Interessen im Spiel waren. Mit dem Kauf der Ware wird auch der Wert des Glases vom Kunden bezahlt und ist somit sein Eigentum. Wir überließen bisher dem Dualen System Deutschland (DSD) kostenlos unser Altglas, weil die Entsorgung vom DSD hausnah und ebenfalls kostenlos war. Diese bewährten Abläufe wurden nun unter fadenscheinigen Gründen einseitig beendet. Das duale System drehte einfach den Spieß um und machte die Mieter zu unbezahlten Dienstleistern ihres Unternehmens. Öko ist hier wirklich nicht im Spiel, sondern nur das Streben nach Maximalprofit. Das ist der Segen der Privatisierung. Ohne Vorankündigung und fehlender Genehmigung, eventuell sogar Vertragsbruch, setzte man von heute auf morgen seine Geschäftsinteressen gegen den Willen der Mieter durch. Eine Frage beschäftigt mich aber noch, ist diese Branche schon dermaßen monopolisiert, daß kein anderer Anbieter hier den Fuß auf den Boden bekommt?

  • G
    Gast

    Wie schrecklich,ab jetzt werde ich nachts kaum Schlaf kriegen!

  • MN
    Mi Nee

    Ich werfe seit Jahren Einweggläser in den normalen Hausmüll. Die Glascontainer stehen weit weg und das Reinwerfen macht Krach. Das umständliche Trennen habe ich bislang nicht eingesehen. Bringt wenig und macht nur Arbeit.

     

    Lieber denke ich an Otto, wie er in einem Film in Ostfriesland aufwendig Teebeutel von dem Metallverschluss löste, um ja alles korrekt zu trennen. Die guten alten Lehr-Filme.

    • @Mi Nee:

      für den normalen Hausmüll muss man bezahlen, für Glas und gelbe Tonne nicht...,

      somit müssen andere mitbezahlen dafür, dass Sie den Müll nicht trennen...,

      jo, unsere schöne ICH-GESELLSCHAFT...,

      • MN
        Mi Nee
        @tomas:

        Vorhin am Telefon. Rückruf vom Hausmeister. Ich hatte ihm nach tagelangem Hinauszögern mit einer Brise Scham auf den Anrufbeantworter gesprochen, ob das stimme mit den Nachzahlungen der Hausverwaltung bei Glas im Hausmüll

         

        Ich: Äh, guten Morgen. Sie sind ja früh wach. Danke, dass Sie zurückrufen.

         

        Hausmeister: Ja, wegen der Flaschen. Das macht keine Violine, wenn Sie Kleinigkeiten an Glas in die normalen Mülltonnen werfen. Solange es nicht kartonweise Flaschen sind.

         

        Ich: Ah, wirklich? Sie könnten bei mir jetzt eine Verhaltensän -

         

        Hausmeister: In welcher Zeitung haben Sie das denn gelesen? Im Kurier nicht wahr?

         

        Ich: Nee, in der taz der tageszeitung.

         

        Hausmeister: Na, da lesen Sie ja die richtige Zeitung. Die machen die Mieter verrückt.

        Die Glascontainer werden bei uns übrigens dieses Jahr abgeschafft. Sie glauben doch nicht, dass die alle mit ihrem Glas zu den zentralen Sammelstellen mit ihrem Glas laufen werden! ... Schönes Wochenende!

      • G
        Gast
        @tomas:

        Den Grünen Punkt zahlt man nicht?Das wäre mir neu.Scheinbar reicht es,wenn man Unwahres oft genugt wiederholt damit es irgtendwann zur Wahrheit wird.

      • MN
        Mi Nee
        @tomas:

        Das wusste ich bisher nicht. Erfuhr ich gestern in dem Sauer-Kommentar von Uwe Rada. Werde meinen Hausmeister fragen, ob das auch bei uns so ist. Wenn, Verhaltensänderung. Unwissen schützt bekanntlich nicht vor Strafe.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Diese Iglu-Container irgendwo außerhalb des Haushofs sind m.E. nicht zielführend. Denn sehr viel Glas landet im Restmüll, weil die eine Menge Leute schlicht zu faul ist, die Flaschen zu den Containern zu tragen. Kann ich verstehen! In meiner Heimatstadt gibt es eine Glastonne für sämtliche Farben pro Haus oder Häuserzeile. Da bringt man den Restmüll und den Glasmüll also zusammen weg. Da landet sicher kaum eine Flasche in der falschen Tonne.

  • IL
    Ich lach' mich schlapp.

    Piefig bis zum Geht-nicht-mehr.

    Da wunderts keine/n, wenn Grüns keinen Fuß mehr aufs politische Parkett bekommen, sondern bei der CDU / CSU um ein Lächeln buhlen.

    Die Nachwuchsgrünen sind es offensichtlich, die (meiner Meinung nach) nicht mehr alle Latten am Zaun haben.

    Wie wäre es, wenn die Dame mal selber Flaschen sammelte.

    Ähm, nee, geht nicht, denn dann müsste Madam sich selber aufsammeln.

  • OJ
    Oh Je!

    Habt Ihr keine anderen Probleme?

  • NR
    nutzer reden miteinander

    Kann jemand den Gewinn beziffern, der mit dem Einsammeln des Altglas und der Müllvermeidung erwirtschaftet wird. In Relation dazu würde sich eine Kampagne lohnen. Am effektivsten sind Gespräche bei Mieterversammlungen: Sinn, Nutzen - wie geht ihr damit um?! ;)

  • Zu putzig!!!

    Endlich haben die Grünen wieder zu sich selbst gefunden.

    Da das Thema Atomenergie als Wählerpool ausgefallen ist und weitere Forderungen nach Veggiday oder Sozialtransvers an die "verarmte" Harz4 Generation die Bevölkerung verschreckt verbleiben

    halt nur noch die Themen wie Flaschenpfand, Rettung von Sumpfkröten und weiteres Getier!

    In diesem Dunstkreis blubbert das Interview nur so vor Spiessigkeit und Provinzialität!

    Und das Sahnehäubchen:

    "Bei uns zu Hause ist das Flaschenwegbringen Männersache" :)))

    Bitte bitte mehr davon!!!!