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Kommentar UkraineSteilvorlage für Putin

Kommentar von Barbara Oertel

Die Eskalationspolitik von Klitschko ist fahrlässig. Sie hilft nur den russischen Machthabern: Die verschärfen jetzt die Repressionen.

In Kiew eskaliert die Gewalt. Bild: Reuters

D ie ukrainische politische Opposition steckt in einem Dilemma: Einerseits muss sie Aktionismus demonstrieren, um dadurch die Unterstützung derer zurückzugewinnen, die sich frustriert und enttäuscht von ihr abgewandt haben oder im Begriff sind, dies zu tun.

Andererseits haben die jüngsten Entwicklungen mit mehreren Todesopfern gezeigt, dass Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko und seinen Mitstreitern die Kontrolle über die Bewegung - so sie diese denn überhaupt je hatten - entglitten ist.

Wer jetzt, wie die Opposition, der Regierung Ultimaten stellt und von Offensiven spricht, handelt verantwortungslos und grob fahrlässig. Denn derlei Drohkulissen dürften die Gewaltbereitschaft vor allem radikaler Demonstranten weiter befeuern und die Situation weiter eskalieren lassen. Das bedeutet im schlimmsten Fall: noch mehr Tote.

Wie auch immer der Machtkampf in der Ukraine ausgeht: Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin ist er eine Steilvorlage. Wieder kann Moskau verbal gegen „den Westen“ zu Felde ziehen. Die ukrainischen Demonstranten sind von den USA und der EU ferngesteuerte und finanzierte Provokateure. Ergo sind die wochenlangen Proteste in der Ukraine eine Einmischung des Westens in die inneren Angelegenheiten des Landes.

Gezielter Druck

Wie fern derartiges Tun Moskau ist, konnte man im vergangenen Jahr besichtigen. Gezielt setzte Russland die Republik Moldau, Georgien und die Ukraine wirtschaftlich unter Druck - drei Ex-Sowjetrepubliken, die sich der Europäischen Union annähern wollten beziehungsweise wollen.

Gleichzeitig nutzt Putin die Proteste beim Nachbarn Ukraine, um zu Hause die Daumenschrauben noch mehr anzuziehen. So verschäfte die Duma dieser Tage Gesetze vom Ausland finanzierte Medien und Extremismus.

Das alles passiert fast unbemerkt, denn alle schauen bereits nach Sotschi. Doch es gilt, sich nicht täuschen zu lassen: Nach den Spielen ist Schluss mit lustig.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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17 Kommentare

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  • Ich halte Putins Worte an sich nicht mal für falsch, sondern eher für - in der Natur der Sache liegend - parteiisch und einseitig. Klitschko etwa ist als Politiker de facto eine Kreatur der CDU, Jazenjuk steht für eine Integration der Ukraine in EU und NATO, und Tjagnibok ist mit seinem fanatischen Russenhass irgendwie auch ganz sympathisch für die westlichen Eliten. Darüber hinaus ist die radikale und eindeutige Parteinahme der EU-Granden für die Demonstranten und gegen die Moskowiter und ihren "Agenten" Janukowitsch auch kaum zu übersehen. Allerdings verschweigt Putin natürlich, dass auch Russland die Ukraine wie eine Kolonie behandelt und dass es genug Dinge gibt, die die Demonstranten mit Recht kritisieren.

  • E
    Elitär14

    Wahrheit, Wirklichkeit, Wertigkeit

     

    http://www.taz.de/Folgen-der-ukrainischen-Proteste/!131761/

     

    "Die Gefahr lauert in der Provinz"

     

    "Das größte Problem sind jetzt die Regionen in der Ukraine, die gegen die Macht in Kiew aufbegehrt haben."

     

    "Immer öfter geben ukrainische Politologen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine Mitschuld an der Eskalation des Konflikts in der Ukraine, denn eine demokratische und unabhängige Ukraine würde vor allem ihm nicht ins Konzept passen. Sollte es nämlich dem ukrainischen Volk gelingen, die Macht des Janukowitsch-Klans zu brechen, so könnte das auch Beispiel für die russische Bevölkerung sein, gegen ihre Regierung aufzubegehren."

     

    Hier ist ja nur der Satz hinzuzufügen:

     

    Das Regime Putins und seine

    Vasallenherrscherkollegen müssen zittern vor einer großen Kraft aus dem ukrainischen Volk, die von ihren Zielen her auf die gesamten GUS Staaten und insbesondere Russland wirkt und eine noch breitere Bewegung erzeugen könnte, wobei insgesamt der Beweis einer Fremdsteuerung aus Europa ungemein schwer sein müsste.

     

    Die Zitate aus ihrer selbst produzierten Übersetzung bedenkend wirkt ihr Kommentar wie absurdes Theater.

    Zittern vor Putins Repressionen ist sicherlich kein Grund über den Sinn oder Unsinn des historischen Schubs aus der Ukraine nachzudenken. Es ist ein großer Einschnitt in die 10jährige Diktaturentwicklung der "eurasischen Runde" und wird für ein Dauerbrodeln sorgen, das die Diktatorenpläne desavouieren wird.

    Naschi, die Jugendorganisation der Staatspartei Russlands wurde vorbeugend gegenüber orangenen Tendenzen gegründet. Was kann das russische Regime gegen den Einfluss auf die eigene russische Bevölkerung denn jetzt noch angemessen machen?

    Bei den zu registrierenden Haltungen in einer neuen Dimension in der Ukraine, einer Dimension, die sich jetzt ganz deutlich von russischem Einfluss und den damit verbundenen Werten abwenden will, was gar nichts sagt über Annäherungswünsche an Europa.

  • E
    Elitär14

    Ei jei jei - da liegt ja nicht nur logisch Einiges quer:

     

    soll die Essenz des Kommentars im Endeffekt heißen: Nu ja nicht das Bärlein reizen, sonst wird es noch richtig böse zu zeigt seine Krallen im Rundumschlag allen Nachbarn, die es gerne usurpatorisch als GUS Vasallen sähe.

    Der Schluss ist dann nahezu markant und beruht auf welcher Logik?

    Schon während der Sotschi Näherungsphase verschärfte Gesetzte - soll es heißen, weil die Ukrainer selbst bestimmen wollenh, wo es mit ihnen lang geht, muss der Russe innenpolitisch leiden.

    Was ist das denn für ein Quatsch.

    Und natürlich kommen nach Sotschi wieder alle ins Gefängnis, die die Tatze des Bärleins nicht streicheln wollen.

    Und dann sieht ja, um dem Topf den Deckel drauf zu setzen die Realität nun wirklich ganz anders aus.

    Nicht nur des Boxers Durchhaltevermögen - er ist ja nunmal zäh - sondern das der vielen Maidaner und der Provinzverwaltungsstürmer im ganzen Land zeigen dem Despoten, der gesetzesbeugend seine Bürger in die Knie zwingen will, sie als Extremisten verjagen und am liebsten "niedermetzeln würde, wo es lang geht: nix mit Regierungsbeteiligung ohne jegliche Parlamentsstütze - der Hohn auf Strümpfen; es geht da lang, wo die Oppositionen lang wollen, zu Neuwahlen ganz bald und weg mit der Bande um diesen Präsidenten Janukowitsch, der sich kaum graduell vom Bärlein-Zar unterscheidet.

    Welch kryptisch-abstruse Logik und Handlungsmotivation bei der doch eigentlich intelligenten T.A.Z.

  • S
    Stulle

    Die Anmerkung von "Ruhender" ist genau eine merkwürdige Geschichte ganz nebenbei. Ich habe nun schon von mehreren (unabhängig) einheimischen Seiten gehört, dass Klitschko in der Ukraine nicht so beliebt sei, wie dies in den Medien hier dargestellt wird. Ist da vielleicht ein grosser Hype im Gange? Er wird ja hier mittlerweile schonm als "Revolutionsführer" gehandelt. Das gefällt dem Sportvolk!!

  • D
    D

    Die Lage in der Ukraine ist traurig (Regierung (unabhängig davon was man von dieser Regierung hält) hat versucht zwei potenziellen Partner (EU/Russland) gegenseitig auszuspielen und dabei das Volk oder ein Teil des Volkes vergessen/vernachlässigt). EU und Russland handeln im eigenen wirtschaftspolitischen Interesse (so wie es im internationalen Geshäft (Politik) nun mal üblich ist. Man muss naiv sein wenn mal glaubt, dass irgendein Land einem anderen Land „nur aus reine Liebe zur Menschheit“ helfen wird - leider! Das war und bleibt ein Spiel für erwachsene mit ziemlich grausamen Speilregeln (inkl. Lügen / Kriegen/u.s.w.) und die werden leider von allen Mitspielern aktive genutzt (keiner ist Heilig)). In diesem Spiel ist Ukraine wohl für Russland wichtiger als für EU (sonst hätte EU bei der Verhandlung mehr (in EUR) geboten- auch Ukrainer (zumindest Regierung im Interesse ihrer „Wähler“) können mittlerweile rechnen). Das ist nun mal die zynische Seite der internationalen Beziehungen. Diese Seite scheint nicht so „attraktive“ für die Presse zu sein, man spricht lieber über irgendwelche Werte/Feinde. In diesem Spiel (Ukraine/EU/Russland) sind drei Marktwirtschaften (es gibt keine „Kommunisten“ mehr) verwickelt, es geht leider nur um $. In der Ukraine selbst geht es momentan um mehr.

  • "verantwortungslos und grob fahrlässig"?

     

    Ist denn "Gewaltbereitschaft" per se ein Negativum? Hier in Ägypten wäre Mubarak nicht entmachtet worden, wenn die anfangs friedlichen (!) Demonstranten nicht auch im Laufe weniger Tage "gewaltbereit" geworden wären - nachdem die Polizei, die State Security und die Central Security angefangen haben scharf zu schießen.

    In der Ukraine waren die Demonstranten zwei Monate friedlich - und jetzt haben sie die ersten Toten zu beklagen, ohne dass der Präsident irgendein Einlenken zeigte. Ist das nicht nachvollziehbar, dass man in der Situation sagt: 'Dann holen wir uns, was man uns nicht gewähren will'?

  • VO
    Vor Ort

    Es ist sehr bequem, auf der Couch zu liegen und andere zu beurteilen, besonders wenn Sie wirklich nichts über die Situation wissen. Wissen Sie eigentlich, dass seit dem 21. Januar sogar friedliche Demos verboten sind? Dass man sich nicht mehr, als zu zehnt versammeln darf? Dass man nicht mehr als 5 Autos hintereinander fahren darf? Dass jeder, der mit der Regierung nicht einverstanden ist, für einige Jahre im Knast landen kann?

    Wissen Sie, dass dieses Gesetz PER HAND abgestimmt wurde (Verletzung der Verfassung) und einige SEKUNDEN später wurde sie Anzahl der Befürworter genannt - 235. Ukrainische Politiker können so schnell zählen, anscheinend...

     

    Rufen Sie doch die deutsche Botschaft in Kiev an und bekommen WAHRE Infos aus der ersten Hand! Alles andere ist eine Beleidigung für ein Volk, das einfach keine Kraft mehr hat, die Missachtung ALLER Gesetze von der Regierung zu dulden.

  • VO
    Vor Ort

    Schauen Sie sich einfach das Video an, und Sie verstehen, WOGEGEN wirklich die Ukrainer stehen:

    http://intv.ua/important/77902-poloneniy-pokazht-ce-yevrop-vdeo.html Es sind Polizisten und innere Truppen.

     

    Alle wissen, dass Mediziner sogar im Krieg unantastbar sind. In der Ukraine ist es anders: Berkut (Spezialpolizisten) hat einen Medizinarbeiter auf ihre Seite geschleppt. Als der Andere kam, um zu erklären, dass sie nicht demonstrieren, sondern ein Leben retten, hat der Polizist ihm ins Bein geschossen.

  • R
    Ruhender

    Klitschko ist nicht der Führer der "Bewegung", genausowenig ist "die Bewegung" überhaupt ein homogenes Gebilde, das irgendwie zentral gesteuert wird. Wie kommt man nur dazu, so einen Quatsch zu behaupten? Wenn nicht mal "linke" Journalisten das begreifen, wer dann?

  • Z
    zweifler

    schwerer landesfriedesnbruch,schwere eingriffe in den strassenverkehr,wiederstand gegen die staatsgewalt,aufruf zum gewaltsamen umsturtz und gegen die verfassung,was würde die deutsche polizei tun und welche strafe würde klitschko hier erwarten.0,025 prozent der ukrainer sind den aufrufen klitschkos gefolgt,ich weiß nicht ob das eine representative anzahl ist um den rücktritt einer RECHTMÄßIG gewählten regierung zu fordern.

  • Warum steht hier nichts darüber, dass es Ultranationalisten und Neonazis sind, die den harten Kern derjenigen Demonstranten stellen, die sich mit der Polizei prügeln?

    • VO
      Vor Ort
      @Andrea Schubert-Wolff:

      Weil es nicht so ist. Weil da standen Leute zwei Monate lang OHNE dass eine einzige Vitrine oder ein Auto kaputt gegangen ist. Sie standen, weil eine friedliche Demo am 30.11. von den Spezialkräften der Polizei brutal geschlagen wurde. Es waren bloß paar Hundert Studenten. Für SIE ist dann mehr als eine Million rausgegangen. Und erst nach den diktatorischen Gesetzen von 21.10.14 kam der Kampfaspekt ins Spiel, nach ZWEI MONATEN nicht gehört zu werden.

    • R
      Ruhender
      @Andrea Schubert-Wolff:

      Vermutlich, weil es nicht den Tatsachen entspricht.

  • DS
    David Schmid

    Empfehlung an alle, die an einer linken Position aus der Ukraine interessiert sind:

    http://www.criticatac.ro/lefteast/support-ukrainians-but-not-far-right/

     

    Volodymyr Ishchenko hat gestern auch einen Artikel im Guardian veröffentlicht.

  • G
    GÖG

    Hi !

    Holen Sie Bitte den wilden Hanf in die Städte ,um die bösen Geister wegzuräuchern !

  • PT
    Prima T.

    Wo rohe Kräfte sinnlos walten,

    Wo Boxer ihre Faust hoch halten,

    Da kann sich kein Gebild gestalten

    (nach F.Schiller)

  • V
    volki

    Der versuchte Putsch gegen eine demokratisch gewählte Regierung die der CIA/Nato/ EU zu pro Putin war ist nicht weiter als eine agressive Einmischung in die innere Angelegenheit der Ukraine.

     

    Vitali Klitschko wurde von der Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert und für diesen westlichen Putsch vorbereitet. Auch wurden Gespräche mit der rechtsradikalen allunkrainische Allukrainische Vereinigung „Swoboda“ geführt.

     

    Es geht darum die Ukraine für die Nato zu erschließen und Russland was über bedeutende Rohstoffe verfügt mehr in die Zange zu nehmen.

     

    Aber die TAZ findet mittlerweile ja auch gefallen an US Imperialismus....man merkt das ihr habt euch leider auch dem System sehr angepasst....anstatt eine Zeitung des kritischen linken Spektrums zu sein.....