Hamburg vs. Berlin II: Die Hertha, Menetekel für den HSV
Hertha, HSV, St. Pauli, Union: Fußballtechnisch haben beide Städte viel zu bieten. Das Ergebnis des Städtduells ist in diesem Fall dennoch eindeutig.
Es fängt ja schon bei den Spitznamen an: der „Dino“ und die „alte Dame“. Mehr gestern geht nicht. Den Hamburger SV und Hertha BSC verbindet vor allem das stete Beschwören der Tradition. Daraus leiten die beiden Gründungsmitglieder der Fußball-Bundesliga den Anspruch auf Zugehörigkeit zur höchsten deutschen Spielklasse ab.
Oder leiteten, muss es im Fall der Hertha heißen. Denn sie ist schon ein paar Schritte weiter als der HSV: Seit dem Zwangsabstieg 1965 ging es immer mal wieder abwärts, in den Achtzigerjahren sogar bis in die dritte Liga.
Insofern ist der Fall der Hertha ein Menetekel für den HSV: Viele Anhänger fürchten, wenn der aktuell drohende Abstieg tatsächlich einträte, würde der HSV eine Fahrstuhlmannschaft werden – wie Hertha BSC. Dabei könnten die Hamburger aus dem Berliner Beispiel durchaus Hoffnung schöpfen: Dass die Hertha immer wiedergekommen ist, ist auch der Beleg dafür, dass der Abstieg aus der Bundesliga nicht das Ende der Geschichte sein muss. Und dass, wenn einem dann unverdientermaßen nach all den Schwätzern, Blendern und Schleifern ein Konzepttrainer zuläuft, wie mit Jos Luhukay nun schon zum zweiten Mal geschehen, sogar mit bescheidenen Mitteln ansehnlicher Fußball möglich ist.
Den Anspruch auf Erstklassigkeit kann man auch auf die schiere Größe der Stadt gründen: „Eine Stadt wie … muss doch einen Erstligisten haben!“, heißt es dann gern. Dabei denkt kaum einer an Union Berlin oder den FC St. Pauli, obwohl beide gerade in dieser Saison wieder lange im Kampf um den Aufstieg mitmischten. Union verkörpert das, was man gemeinhin mit dem FC St. Pauli assoziiert: einen Verein, in dem die Fans die Macht haben und der sich im Zweifel auch mit dem DFB anlegt. Beim FC St. Pauli dagegen ist das Widerständige vor allem perfekt vermarktete Folklore, und die Betriebswirte aus der Chefetage geraten immer mal wieder mit den Fans aneinander. JAN KAHLCKE
Dieser Text ist Teil der gemeinsamen Wochenendausgabe der taz.nord und der taz.berlin. Mehr über den Wettstreit der einzigen beiden Städte Deutschlands in der Printausgabe - in Ihrem Briefkasten und am Kiosk!
Leser*innenkommentare
Rainer B.
Na ja,- der FC St. Pauli wird in dieser Saison nicht mehr aufsteigen. Die Fußball-Fans kommen damit sicherlich besser zurecht, als die Vereinsführung. Beim letzten Abstecher in die Erstklassigkeit ist den Fans auch klar geworden, dass damit zwangsläufig zahlreiche unangenehme atmosphärische Veränderungen verbunden sind, auf die man auch ganz gut verzichten kann. Von einem "Anspruch auf Erstklassigkeit" aufgrund der "Größe der Stadt" kann beim FC St. Pauli überhaupt keine Rede sein. Einen solchen Dünkel gibt es dort nicht.
Hilfsbuchhalter
Blöder Drübersteher-Spruch!: Den FC St. Pauli als "perfekt vermarktete Folklore" bezeichnen kann nur jemand, der noch nie am Millerntor auf der Gegengeraden gestanden hat, vorher beri der AFM und den Fanräumen vorbei geschaut hat und hinterher noch mit auf ein Bier ins Jolly Roger geht. Sorry, wer so etwas schreibt, weiß nicht, wovon er redet. Was ist mit der Unterstützung für die Lampedusa-Flüchtlinge, mit den Veransataltungen zum Holocaust-Gedenktag, alles Aktionen an denen z.T. auch Spieler der Profi-Mannschaft teilnehmen. Die abschätzig als Folklore bezeichnete linke, antifaschistische Fanszene exitiert nicht nur, sie ist sehr aktiv und auch im Verein verwurzelt. Was spricht dagegen, wenn Fans und Geschäftsleitung Konflikte haben und austragen? Das dürfte in den meisten Vereinen gar nicht stattfinden.