Bowie-Ausstellung in Berlin: „Findet Euch selbst!“
David Bowie wird in Berlin präsentiert. Die Pop- und Stilikone ist nun endgültig im Museum angekommen. Aber wie kommt er da wieder heraus?
Major Tom nimmt seine Proteinpillen ein, setzt den Helm auf und blickt zurück auf die Erde. Von seiner Blechdose im All wirkt der blaue Planet seltsam entrückt. Der Kontakt zur Menschheit bricht ab. „There’s something wrong/Can you hear me Major Tom.“ „Space Oddity“ heißt der Song, erschienen 1969, kurz vor der Mondlandung. Er nimmt die Fortschrittsgläubigkeit jener Zeit vorweg, auch Pessimismus kommt darin zum Ausdruck, ob der Auswirkungen von Technologien auf die menschliche Psyche.
Sein Interpret heißt David Bowie und er landet mit „Space Oddity“ einen Hit. Er wird zum ersten Signalsong des gerade 20-jährigen, imagebewussten Sängers, der aus dem psychedelischen Wahnsinn in der Ära von Swinging London unbeschadet herausgekommen ist. Jetzt sehen wir diesen Song mit den Augen von Major Tom, der einen Blick aus dem Fenster seines Shuttles hinunter zur Erde wirft. Denn Bowies Vorstellungswelt ist nun musealisiert. Der „Whole Earth Catalog“ liegt aus, daneben Mondfahrzeuge und Raumschiffe als chinesische Spielzeuge aus Blech, aber auch das Stylophone, jener kleine weiße Minisynthesizer, den der Popstar bei „Space Oddity“ eingesetzt hat.
Der handgeschriebene Songtext ist zu sehen, ein Exemplar von J. G. Ballards „The Atrocity Exhibition“ liegt in einer Vitrine. Ballards Sammlung dystopischer Science-Fiction-Kurzgeschichten sollte wenig später auch für Punk bedeutsam werden. Ein Overall – Le Corbusier soll ihn für Bowie gestaltet haben – hängt in einem Glaskasten. Vis-à-vis einem Gemälde des Grafikers und Künstlers Victor Vasarely, Vorlage für die Coverart von Bowies zweitem Album, auf dem „Space Oddity“ enthalten ist.
„David Bowie is“ war der Titel der Ausstellung, die im vergangenen Jahr zuerst im Londoner Victoria and Albert Museum lief und nun in einer erweiterten Version nach Berlin kommt. „David Bowie is someone else“, „David Bowie is wanting to live“, „David Bowie is Plagiarism or Revolution“ … Bowies viele „Istzustände“, im Martin-Gropius-Bau sind sie als Losungen an die Wände der Ausstellungsräume geworfen, – aber sie fehlen im Titel.
„David Bowie“; 20. Mai – 10. August, Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin.
Täglich 10-20 Uhr, Tickets ab 14 Euro
Mythen gewordene Momentaufnahmen
Stattdessen heißt die Schau „David Bowie“, – sein Nachname in altmodischem Lippenstift-Style. Berlin, das ist hier gleichbedeutend mit dem Spielfilm „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, der auf einem Bildschirm zu sehen ist. Dazu eine Fototapete, die Aufnahmen Bowies aus seiner Zeit im Schöneberg der siebziger Jahre zeigt. Diese längst zu Mythen gewordenen Momentaufnahmen sind in schwarz-weiß gehalten. Ein Bestätigungsschreiben an Produzent Tony Visconti aus den Hansa Studios ist gerahmt, datiert vom 26. August 1977.
Gleich daneben ein expressionistisch anmutendes Porträt, das Bowie von seinem Künstlerfreund Iggy Pop gemalt hat: Es ist einem Selbstbildnis von Erich Heckel gegenübergestellt, das Bowie als Vorlage gedient haben soll. High und low, bei Bowie und seinen Künstlerpersonae fielen diese Pole schon immer zusammen. Seine Einflüsse, seine Imagewechsel, all das klingt aus Lautsprechern und flimmert auf Leinwänden in der Ausstellung, ja es baumelt sogar von der Decke. Die schnell wechselnden Moden und Stile des britischen Pop, David Bowie hat ihre Vergänglichkeit vorgemacht. Noch heute zehrt Berlin von der Hipness dieses Multiplikators avant la lettre.
Aber Berlin ist eben nur eine von vielen Stationen in Bowies mehr als 45-jährigen, äußerst vielfältigen Karriere, die in der Ausstellung ausgeleuchtet werden. Bowie konnte nur zu einer Popikone werden, weil er seine Wandlungsfähigkeit immer Publicity-trächtig zu verpacken wusste. Weil er – getreu Artauds Theater der Grausamkeiten – die Barrieren zwischen Bühne und Publikum beseitigte und bei seinen Fans kreative Potenziale freisetzte. Symbolisiert ist dies etwa in einer Installation der „Starman“-Performance bei der britischen TV-Show „Top of the Pops“ am 5. Juli 1972. Bowie erklärte damals sein futuristisches Ziggy-Stardust-Image für beendet.
„David Bowie“, 20. Mai – 10. August, Martin-Gropius-Bau Berlin, Katalog 34,95 Euro. Die Austellung in Bildern.
Fall ins Bodenlose
Die Bühnensituation ist auf spektakuläre Weise nachgestaltet: Eine Schaufensterpuppe steckt in Bowies gepolstertem Anzug, sie deutet auf die Betrachter und sagt: „Findet Euch selbst!“ Unter der Puppe ist ein Spiegel. Statt auf die Bretter, die die Welt bedeuten, schauen die Betrachter ins vielfach verspiegelte Bodenlose. Bowie, auch das wird in der Ausstellung deutlich, ist ein Wegbereiter für das Spiel mit Geschlechterrollen und sexuellen Zuschreibungen.
Und weil Bowie die Steilvorlagen Andy Warhols und seiner Hausband Velvet Underground in Form von androgynen Images, Glamrock und silberfarbenen Glitter Anfang der Siebziger in die Hitparaden und großen Konzerthallen brachte, bezeichnete ihn der US-Soziologe Van M. Cagle folgerichtig als „Kulturpolitiker“.
Evident wird Bowies strategische Bedeutung in einer spektakulären „Wall of Images“: Unzählige Bühnenoutfits sind aufgetürmt in quadratischen Boxen und verborgen hinter blauen Gaze-Kunststoff aufgereiht, als wären sie Auslagen in einem Nobelkaufhaus. Auch das wird deutlich, Kommerz bereitete Bowie nie Sorgen. Er ist nun also endgültig im Museum angekommen. Aber wie kommt David Bowie da wieder heraus?
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