Geschiedene Mütter und Väter: Koalition will Unterhalt neu regeln
Mütter und Väter müssen fast den gleichen Kindesunterhalt zahlen – egal wie viel Zeit sie mit dem Kind verbringen. Union und SPD möchten das ändern.
BERLIN taz | Familien- und Rechtsexperten von SPD und Union im Bundestag wollen getrennten Vätern beim Thema Unterhalt helfen. Bisher müssen unterhaltspflichtige Elternteile fast den vollen Kindesunterhalt zahlen, auch wenn sie viel Zeit mit dem Kind verbringen und dabei auch mehr Geld ausgeben, etwa für das Zimmer, Kleidung, Medizin oder Freizeitaktivitäten.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte einem Vater, der 400 Euro im Monat ausgab, nur einen Rabatt beim Unterhalt von 18 Euro gewährt. Sowohl der Verband der Familienrichter als auch das Bundesforum Männer hatten in der taz Nachbesserungsbedarf angemeldet.
„Die Berichterstattung der taz trifft tatsächlich einen wunden Punkt“, erklärt Burkhard Lischka, der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. „Die moderne Gesellschaft entwickelt andere, neue Formen des Zusammenlebens, die wir beobachten und die rechtliche Lage gegebenenfalls anpassen müssen. Das betrifft auch das Unterhaltsrecht.“ Aktuell berieten Rechts- und Familienpolitiker über den Sachverhalt, so Lischka.
Auch der familienpolitische Sprecher der Union, Marcus Weinberg, setzt sich für eine Veränderung ein: „Wenn der umgangsberechtigte Elternteil die Betreuung zu einem Großteil mit übernimmt, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass dies gegebenenfalls auch zu einer Veränderung seiner Barunterhaltspflicht führt.“
Logik des Gerichts
Das Justizministerium verweist darauf, dass die Entscheidung des BGH einer gewissen Logik folgt: Der BGH habe die 400 Euro Ausgaben für den Nachwuchs einfach vom verfügbaren Einkommen des Vaters abgezogen, was bewirkte, das er in der Düsseldorfer Tabelle, die eine Richtschnur für Unterhaltszahlungen ist, etwas niedriger eingestuft wurde. Die Folge: 18 Euro weniger Unterhalt.
Genau diese Logik stellen die Väter infrage. Die Aufwendungen sollten nicht mit dem Gehalt, sondern mit der Unterhaltszahlung verrechnet werden, schließlich handele es sich um Unterhaltsleistungen. „So kann man es nicht sehen“, sagt der familienpolitische Sprecher der Linken, Jörn Wunderlich, der „dringenden Änderungsbedarf“ sieht.
Seines Erachtens muss Paragraf 1606 des Bürgerlichen Gesetzbuches geändert werden. Darin wird im Moment noch davon ausgegangen, dass ein Elternteil das Kind betreut und der andere Unterhalt zahlt. Ein Anachronismus, findet Wunderlich.
Allerdings: Die FrauenpolitikerInnen seiner Fraktion sind dagegen. Sie befürchten eine Schmälerung der ohnehin geringen Unterhaltsleistungen. So meint die frauenpolitische Sprecherin der Linken, im Bundestag, Cornelia Möhring: „Finanzielle Leistungen, die ein Vater während der Betreuungszeiten aufwendet, können nicht lebensblind gegen den gesetzlichen Unterhalt gegengerechnet werden, weil der Unterhalt eben keine Vollversorgung kindlicher Bedürfnisse darstellt. Wenn wir dies trotzdem anstreben, blenden wir damit wesentliche Ungleichheitsstrukturen zwischen den Geschlechtern völlig aus.“ So sei nicht eingerechnet, dass Mütter oft nur Teilzeit arbeiten könnten.
Unterhaltsrecht müsse komplett überarbeitet werden
Der Barunterhalt von Unterhaltspflichtigen ist tatsächlich nicht üppig. Vom Einkommen dürfen 1.000 Euro selbst behalten werden. Die Unterhaltssumme wird mit dem halben Kindergeld verrechnet. So kommt es bei einem Geringverdiener etwa zu Beträgen zwischen 200 und 300 Euro. Das deckt normalerweise gerade mal die Miete für das Kinderzimmer ab.
Deshalb meinen die Grünen auch, dass man das Unterhaltsrecht in seiner Gänze noch einmal diskutieren müsse. „Das neue Unterhaltsrecht von 2008 ist auch noch nicht der Weisheit letzter Schluss“, sagt Franziska Brantner von den Grünen.
Nach dieser Novelle bekommen Mütter keinen nachehelichen Unterhalt mehr, wenn das jüngste Kind drei Jahre alt ist. Sie sind deshalb oft gefordert, Vollzeit zu arbeiten, obwohl die Kinder noch klein sind und sie die einzige Bezugsperson im Haushalt sind. „Ungleichgewichte gibt es in beide Richtungen“, meint Brantner. Im Herbst planen die Grünen eine Anhörung dazu.
Vom Justizministerium ist fürs Erste nichts zu erwarten: „Wir meinen, dass die Rechtsprechung auf die neue Lage bereits reagiert“, sagt Sprecherin Baer-Henny. Die Urteile des BGH würden „beobachtet“.
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