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Kommentar Dobrindts Maut-PläneDas Abendland ist nicht in Gefahr

Kommentar von Richard Rother

Die vom Verkehrsmisnister favorisierte Vignetten-Lösung setzt keine ökologischen Anreize. Dafür ist sie aber wenigstens praktikabel.

Dass eine Maut-Gebühr für weniger Stau auf den Straßen sorgt, ist eher unwahrscheinlich. Bild: ap

D ie Deutschen sind Reiseweltmeister. Jahr für Jahr zieht es im Sommer Millionen ins europäische Ausland, oft mit dem Auto. Und was erleben sie dort? In fast allen Ländern – außer in den häufig verregneten Beneluxstaaten – müssen sie Autobahngebühren bezahlen, entweder streckenabhängig oder per Zeitkarte.

Auch wenn es viele gute Gründe gegen Streckenmaut- oder Vignettenpläne in Deutschland gibt – sollte die Bundesregierung solche Autobahnbenutzungsgebühren einführen, geht nicht das Abendland unter, sondern Deutschland passte sich schlicht der europäischen Normalität an.

Viele Reisende aus Deutschland – etwa in Polen oder Tschechien, in Slowenien oder Kroatien – zahlen die paar Euro Maut gern. Sie sehen: Dank neuer Autobahnen sind sie dort viel schneller als vor zehn Jahren am Ziel, als sie sich gemeinsam mit Lastern über Landstraßen und durch Dörfer quälen mussten. Infrastruktur kostet eben, und warum sollen die in- und ausländischen Nutzer nicht dazu beitragen? Jeder Bahnfahrer zahlt über seine Fahrkarte einen Teil der Trassennutzungsgebühren der Züge, obwohl er als Steuerzahler schon den Schienenbau finanzierte.

Sicher, die Vignette von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) differenziert nicht zwischen Viel- und Wenigfahrern und schafft so keine ökologischen Anreize. Aber sie ist praktikabel – ganz im Unterschied zur streckenbezogenen Maut, deren Erhebungskosten viel zu hoch wären und die eine Totalüberwachung der Autofahrer nach sich ziehen würde. Dann schon lieber die Vignette.

Aber droht künftig nicht, dass Mautflüchtlinge die unfallträchtigen Landstraßen verstopfen? Gemach: Kein Niederländer, der an die Adria will; kein Pole, der zur Arbeit nach Großbritannien fährt; und kein Franzose oder Italiener, der seinen Umzug ins überfüllte Berlin organisiert, wird auf Landstraßen ans Ziel tuckern.

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
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9 Kommentare

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  • 6G
    677 (Profil gelöscht)

    Der Artikel vergleicht Äpfel mit Birnen und ist somit ziemlicher Unfug.

    Während man sich in den genannten Ländern immer noch aussuchen kann, ob man über die Autobahn oder die Landstraße fährt, gehört die Autobahn z.B. im Ruhrgebiet zum innerstädtischen Verkehr. Somit reden wir hier nicht über irgendetwas was einen Zusatznutzen bringt, sofern man es bezahlt sondern schlicht um eine zusätzliche Steuer.

    • @677 (Profil gelöscht):

      Guter Punkt. Da könnte man ja im Ruhrgebiet die AB mautfrei belassen, und beim Verlassen des Ruhrgebietes stehen dann große Warnschilder: Achtung! Ab jetzt nur noch mit Vignette!"

       

      Im übrigen meine ich, daß wenn schon eine Maut eingeführt wird, dann mit Vignette, denn so ein Erfassungssystem, daß die Nummernschilder liest, fände ich unerträglich. Na ja, und Mautstellen wie in Frankreich oder Südeuropa wären auch recht aufwendig zu bauen; vor allem würde der Platz fehlen, vermute ich.

  • Herr Rother, Sie umgehen geschickt den Zweck der Mauterhebung. Er dient NICHT der Instandhaltung der Strassen. Sondern es geht um MEHREINNAHMEN, sprich dem Griff in die Tasche des Bürgers. Das Geld wird fließen in BER, Elbphilharmonie, S21 und ähnlichen Projekten an denen sich bestimmte Eliten die Taschen füllen. Und vor allem geht es darum die Beamtenpensionen finanzieren zu können. Das hat man nämlich in den letzten 40 (?) Jahren immer vor sich hergeschoben.

    Und man sollte eine Regel nicht vergessen: Eine einmal eingeführte Steuer wird nie abgeschafft, sondern immer nur vergrößert. Denn - der Staat darf das, weil er demokratisch gewählt ist.

    • @MussManNichtWissen:

      Den Beamten wird seid Jahrzehnten bei jeder Lohnerhöhung 0,2 % für die Pansionsrückstellung abgezogen! Auch haben diese statt der tariflichen 38,5h Woche die 41 h Woche. Gleichfalls wurde ihnen das Urlaubsgeld ersatzlos gestrichen und die früheren AZV Tage als Ausgleich für den halben Tag zu Weihnachten und Silvester.

      Das waren frühere gewerkschaftliche Erungenschaften.

      Das einzige warum keine Rücklagen für die Beamten mehr das sind ist weil diese durch die Politik geplündert wurden!

      Auch werden Beamte deshalb eingestellt weil sich der Staat somit den Arbeitgeberanteil spart. Er schiebt die notwendigen Pensinsausgaben in die Zukunft für spätere Generationen.

      Ein weiteres hübsches Beispiel:

      Die Schaumweinsteuer wurde damals zum Aufbau der kaiserlichen Flotte eingeführt.....wir zahlen sie noch heute!

      Also bitte nicht immer auf die Beamten einschlagen, diese könne dafür gar nichts. 90% der laufenden Arbeiten werden vom einfachen , mittleren und unteren gehobenen Dienst A5-A9 gemacht.

      Das sind Netto keine 1500€. Die tolle private Krankenversicherung ist für alle gleich, witzigerweise tut ein monatlicher Betrag von 500 € mit einem Einkommen von 5000 € weniger weh als mit 1800€.

  • Wenn eine Pkw Plakette 100 € kosten soll, ein Schwerbehinderter aber bisher nur 70€ Steuern bezahlt und die Verrechnung der Steuer nicht EU konform ist......dann haben wir hier eine Gerechtigkeislücke! Welche genau den Personenkreis trifft der eigentlich durch die Steuervergünstigung entlastet werden soll.

  • Leider, Richard Rother, muss ich sehr deutlich werden: Ihr Artikel strotzt von Inkompetenz.

     

    Sie verschwenden kein Wort an die eigentliche Gretchenfrage, nämlich die EU-Kompatibilität der CSU-Mautpläne. Sie versäumen sogar, diesen genialen, fleißigen Herrn Dobrindt dafür zu loben, dass er schon sechs (!) Monate nach Amtsantritt der staunenden Öffentlichkeit ein Konzept präsentieren konnte, das genau - nicht mehr und nicht weniger - das enthält, was sein nicht minder genialer Chef schon im Wahlkampf präsentiert hatte. Zur EU-Kompatibilität noch immer - NICHTS.

     

    Seine Vorstellung (die Sie, Richard Rother, sich beflissen zu eigen machen), auf so lästige Details wie "Nutzungsbezogenheit" zugunsten einfacher Handhabung einfach zu verzichten, verleitet mich zu dem Vorschlag, auch die Nutzung anderer Ressourcen (öffentliche Verkehrsmittel, Energie, Wasser u.ä.) ab sofort nicht mehr entsprechend tatsächlicher Nutzung, sondern über Jahrespauschalen entgelten zu lassen. Wie viele technische Einrichtungen und Arbeitsplätze, die derzeit für die möglichst verursachungsgerechte Abrechnung eingesetzt werden könnten dabei eingespart werden!

    • @Bitbändiger:

      Sie sagen, eine Ausländermaut verstößt gegen EU-Recht. Kann sein. ich bin dagegen. Wir sollten ein gastfreundliches Land sein. In Holland, Belgien oder GB habe ich bisher nie für die AUtobahn bezahlt. Das verlangen die Länder, die erst ein AB-System aufbauen mussten.

      • @Gabriel Renoir:

        Man darf hier aber nicht vergessen, dass die Benelux-Staaten und GB nur einen Bruchteil der Autobahnkilometer besitzen, die wir in D haben, deshalb ist der Unterhalt natürlich viel leichter zu handhaben.

  • 70 Mrd. Euro zahlt der Deutsche Autofahrer bereits im Jahr - eigentlich Zeit ihn zu ent- nicht belasten! Gehen doch nur 15 Mrd. zurück in die Verkehrswege.

    Ausserdem gehört geklärt was die Straßen am meisten zerstört und damit Kosten verursacht, der LKW. Bevor man auch noch Gigaliner plant, sollte man die an den Kosten gerecht beteiligen, die diese Kosten verursachen. Das ist die Deutsche Industrie und der LKW Transitverkehr.

    Früher hatte die Industrie eine Lagerhaltung bei der Produktion die aus Kostengründen auf die Straße verlagert wurde. Die Lagerkosten also dem Steuerzahler aufzwang.

    Zeit dieses Rad der Kostenverlagerung auf die Allgemeinheit zu beenden!