piwik no script img

Klettern in Norddeutschlandrd„Ich wollte immer schon hochkommen“

Alpiner Sport? Dank künstlicher Kletterwände ist das Sportklettern inzwischen auch in Norddeutschland beliebt - zur großen Freude des Alpenvereins.

Erst 16, aber schon fast ganz oben: die Hamburgerin Helene Wolf. : Nils Hauck

HAMBURG taz | Zunächst ist da noch ein leichtes Zögern zu erkennen. Sachte tasten sich die Fußspitzen seitlich entlang der Steilwand, auf der Suche nach einem kleinen Vorsprung. Noch ein Stück, noch ein paar Zentimeter – dann ist der Halt gefunden. Und plötzlich ist alles im Fluss. Die Arme schnellen voraus, finden scheinbar mühelos die richtigen Griffe.

Der Körper scheint für Sekundenbruchteile spinnenartig zu schweben, wenn er durch die Kraft der Muskeln nach oben gezogen wird. Flugs das Halteseil nachgezogen. Der Kiefer schnappt zu, die Zähne halten das Seil für einen winzigen Moment fest, um es vor dem Hinabfallen zu bewahren, und dann ist es auch schon in der nächsten Halterung eingeklinkt.

Ein Griff auf den Rücken, die Hand taucht hinein in einen kleinen, trichterartigen Behälter. Schnell etwas Magnesium für die geröteten Handinnenflächen. Dann geht es weiter. Manchmal über die rechte Flanke, dann wieder über die linke, aber immer nach oben. Der Schweiß perlt auf der Stirn. Und von unten, aus dem Zuschauerbereich, steigt immer dann Szenenapplaus empor, wenn eine schwierige Passage gemeistert ist.

Das ist nicht anders als beim Fußball, wenn ein kluger Pass den Adressaten gefunden hat, oder wenn sich die Mannschaft mit spielerischen Mitteln aus einer Umklammerung zu lösen versteht. Das „Spielfeld“ beim Sportklettern weist aber eine vertikale Richtung auf.

Bei den Norddeutschen Meisterschaften im Kletterzentrum Hamburg des Deutschen Alpenvereins ging es darum, innerhalb von möglichst kurzer Zeit eine 16 Meter hohe Steilwand zu meistern, an der sich Vorsprünge und Klippen auftun. Wer das Halteseil ganz oben an der Steilwand, am Top-Griff einklinkt, hat es geschafft. Dann wird die Musik, die aus dem guten alten Plattenspieler erklingt, etwas lauter gedreht. Und der Beifall der anderen Kletterer und Zuschauer am Fuß der Steilwand brandet auf.

„Im Sportklettern ist einfach alles drin, das macht für mich die Faszination aus“, sagt die 16 Jahre alte Hamburgerin Helene Wolf, die zu den größten Talenten Norddeutschlands zählt.

„Da ist das dynamische Element, das statische, die ganze Bewegung. Und ich mag einfach die Atmosphäre beim Sportklettern. Da gibt es nicht so die harte Konkurrenz. Man freut sich füreinander.“ Es war schließlich ihre größte Konkurrentin, die Hannoveranerin Lena Herrmann, die sie einst für diesen Sport begeistert hat.

Acht Jahre alt war Helene Wolf, als sie das erste Mal eine Kletterwand in Angriff nahm. Nun ist sie 16, und sie bezeichnet sich selbst als Leistungssportlerin. „Ich bin wohl ein bisschen ehrgeiziger als viele andere Kinder. Ich wollte immer schon hochkommen“, sagt Helene, die es neben den Anforderungen in der Schule auf vier bis fünf Trainingstage in der Woche bringt. Eine Übungseinheit dauert drei bis vier Stunden. Und die Erfolge stellen sich ein.

Jüngst hat sie in Frankfurt im Deutschlandcup in der Disziplin Boulder, dem Klettern in Absprunghöhe ohne Seil, den Sieg errungen. Bei den Norddeutschen Meisterschaften im Sportklettern in Hamburg belegt Helene Wolf in der spannenden Frauenkonkurrenz am Ende den zweiten Rang. Lena Herrmann war ein klein wenig schneller am Top-Griff angekommen.

Das Sportklettern erfreut sich im Norden immer größerer Beliebtheit. „Outdoor boomt einfach“, sagt Katrin Ruppel, Geschäftsführerin der Sektion Hamburg und Niederelbe im Alpenverein. Dem tut offenbar auch keinen Abbruch, dass Wettbewerbe wie die Norddeutschen Meisterschaften in der Halle stattfinden. „Bei uns ist es so, dass wir im August, also nach der Sommerurlaubszei

t, schon mal hundert Mitgliedsanträge in der Woche bekommen.“ Innerhalb der kommenden Wochen werde man wohl die Marke von 20.000 Mitgliedern knacken, vermutet sie. Ein Trend, von dem die Verbände in vielen anderen Sportarten nur träumen können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen