Flugzeugkollision im Sauerland: Wo die Katholiban hausen
Zwei Flugzeuge sind zusammengekracht, zwei Menschen gestorben. Das ist bitter. Dafür kann das Sauerland nichts. Es ist trotzdem ein Hort des Grauens.
Wer einmal zu Fuß in Meschede unterwegs war, weiß, wo die Barbarei zuhause ist. Unfreundliche Menschen, Fachwerkgelumpe, wohin man auch schaut, seit 1952 regiert dort die CDU ohne Unterbrechung.
Ganz in der Nähe haben zwei Eurofighter der Bundeswehr ein Manöver abgehalten, einer kollidierte mit einem Learjet. Zwei Menschen kamen ums Leben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen die Piloten der Kampfjets. Hier muss man laut und deutlich sagen: Daran ist das Sauerland nicht schuld.
An vielem anderen hingegen schon. (Zur Erklärung, warum hier nun eine Sauerland-Suada folgt, sei kurz darauf hingewiesen: Ich bin am Rande des Sauerlands aufgewachsen, musste viel Zeit im Sauerland verbringen – Bekanntenbesuche, Klassenfahrten, Ferienjobs und kenne insbesondere die Diskrepanz zwischen der Selbst- und der Fremdwahrnehmung der Sauerländer gut.)
Vor allem im Herzen des Sauerlandes, dem sogenannten Hochsauerlandkreis, lebt das Bewusstsein fort, dass alles zwischen Sundern und Schmallenberg die einzig wahre Hochkultur sei. Wenn sich aber von anderswo Familien sonntags zum Ausflug mit dem Auto ohne Zentralverriegelung in jenen Landstrich aufmachen, rufen die Eltern entschieden nach hinten zu den Kindern: „Verriegelt die Türen, sonst beißen die uns hier.“
Der deutsche Bible Belt
Drei Regionen in Deutschland konkurrieren seit Jahrzehnten darum, wer für sich den Begriff „German Bible Belt“ in Anspruch nehmen darf. In Württemberg und im westlichen Hessen um Dillenburg, gerade mal 20 Minuten vom Sauerland entfernt, haben sich pietistische Freikirchen und andere evangelikale Sekten in einer Menge erhalten, die Spötter den Begriff „Home of the Pietcong“ wählen ließ.
Absturz im Sauerland
Im Hochsauerlandkreis und angrenzenden Regionen aber haben gewöhnliche wie freikirchliche Protestanten ebensowenig zu melden wie Atheisten oder Agnostiker. Hier ist der Katholizismus so dominant, dass der Vatikan wieder und wieder voller Neid in diese bewaldete Region Westfalens schaut und es ein Wunder ist, dass nicht jeder zweite Papst aus Finnentrop oder Eslohe kommt.
Im „German-Bible-Belt-Casting“ sollten die Pietisten besser den Sauerländern den ersten Platz zugestehen. Es sei denn, sie möchten gerne die Erfahrung machen, irgendwo nördlich von Olpe einen Scheiterhaufen aus der Nähe kennenzulernen oder von rasenden Sauerländerinnen als Ketzer mit der Mistgabel gejagt zu werden.
Wie heißt es so schön im Sauerlandlied? „Wo die Misthaufen qualmen, da gibt‘s keine Palmen. / Sauerland, mein Herz schlägt für das Sauerland, / vergrabt mein Herz im Lennesand, / wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind.“
Zwischen Schlachterplatte und Fachwerkhaus
Man müsste zu diesem Bio- und Soziotop der Katholiban nicht viele Worte verlieren, wären da nicht jedes Jahr Tausende Touristen, die die Eigenheiten des Landstrichs heim in die Zivilisation schleppen. Vor allem erschöpfte Malocher aus dem Ruhrgebiet entdeckten schon früh das Sauerland als Naherholungsgebiet. Im Märkischen Kreis ist daraus eine adrette Dauercamper-Idylle entstanden, die Dortmunder Schnoddrigkeit mit dem Sauerländer Fachwerkprovinzialismus aufs Unerträglichste vereint.
Denn neben dem Katholizismus und zahlreichen 60-Prozent-CDU-Wahlkreisen hat das Zentrum des Sauerlandes vor allem zwei Dinge zu bieten: Fachwerkhäuser und Schlachteplatten. Wo man den Häusern zumindest noch zu Gute halten kann, dass sie ihre Bewohner vor Kälte und Nässe schützen, neben architektonischem Zierat also auch eine funktionale Bedeutung haben, lässt sich von den kulinarischen Spezialitäten nur sagen: Finger weg!
Selbst Freunde der gepflegten Blutwurst haben sich schon angewidert von einer Kirchhundemer Schlachteplatte abgewandt. Und auch wer wie viele Sauerländer die Kartoffel als Gottes letztes Geschenk an die Menschheit verehrt, wird nach einer deftigen Werdohler Potthucke künftig vielleicht doch lieber zur Nudel greifen.
Von Menschen und Bräuchen
Wer könnte Land und Leute besser beschreiben als die regionalen Barden. Aus dem „Sauerlandlied“ ist zum Thema dies zu vernehmen: „In Stachelau tobt die wilde Sau, / da kommen alle Bauern aus Krombach, / und nach der Feier verprügeln sich alle, / da freut man sich schon‘s ganze Jahr drauf. / In einer Baracke in Kalberschnacke, / da übt die Kapelle der Feuerwehr. / Sie machen viele Stunden Radetzkimarsch / und fünf Kisten Warsteiner leer.“
Saufen, prügeln, Freiwillige Feuerwehr – fertig ist das Sauerländer Kulturprogramm an 365 Tagen im Jahr. Die Wikipedia weiß es noch um Schützenfeste, regionalen Karneval und Heimatvereine zu ergänzen. Jenseits von Gelsenkirchen kann sich der FC Schalke 04 vor allem über zahlreiche Fanclubs aus dem Sauerland freuen.
Schalke 04 und das Sauerland, das passt zusammen wie die vielen lokalen Dialekte mit dem Schwund des intervokalischen „d“ ab Mitte des 13. Jahrhunderts; einen Schwund, den die Linguistik zum Begriffswandel vom „Suderlande“ über „Suerland“ zum „Sauerland“ anführt und der die gesamte Sprache zwischen Wickede und Wenden befallen hat. Zum Glück redet der gemeine Sauerländer eh nicht viel.
Genug gelästert übers Sauerland. Am schlimmsten hat es schließlich die Sauerländer selbst getroffen: Die müssen ja jeden Tag dort leben.
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