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Tour de FranceDie Flucht des Ersatzmanns

Rafal Majka gewinnt eine Alpen-Etappe und verwirrt die Fachwelt: Eigentlich hätte der Pole nicht dabei sein sollen. Seinen russischen Teamchef freut's.

Rafal Majka, Sieger der 14. Etappe. Bild: dpa

NÎMES taz | Vincenzo Nibali staunte nicht schlecht. Ein Mann, der gar nicht bei der Tour sein sollte, fügte ihm bei der zweiten Alpenetappe am Samstag eine Niederlage zu. Der Pole Rafal Majka war schon beim ersten Alpenritt nahe daran, eine Überraschung zu bereiten. Das Pikante daran: Majka sprang als Ersatzmann für den wegen Dopingverdacht vorsorglich ausgemusterten Tschechen Roman Kreuziger ein.

Zu allem Überfluss heulte auch noch Oleg Tinkoff. Bei dem bulligen Biermillionär aus Russland war aber pures Glück der Auslöser des Flüssigkeitsverlusts. Denn Majka, der gerade dem Übermann der aktuellen Tour, Vincenzo Nibali, den Tagessieg vermasselt hatte, trägt Tinkoffs Namen auf der Lycra-Haut.

Und der machte am Samstag alles richtig. Rechtzeitig begab er sich in die Fluchtgruppe des Tages. Und rechtzeitig verließ er sie auch wieder. „Ich wusste, dass ich attackieren musste, um zu gewinnen“, sagte der Pole im Ziel. Sein Angriff brachte ihm auch genügend Vorsprung auf Nibali und sorgte so für seinen ersten Profisieg überhaupt – und den großen emotionalen Auftritt seines Brötchengebers aus dem Nachbarland.

„Ich bin sehr bewegt“, sagte Tinkoff in die Kameras. Tränen flossen über die Wangen des Mannes, der sein Vermögen in den Raubtierzeiten des Postsozialismus im russischen Reich gemacht hatte und dann in den Radrennsport investierte, aktuell in das Team Saxo-Tinkoff. Der Mann der den Anlass gab für Tinkoffs Tränen, Majka, sollte ja gar nicht bei dieser Tour de France starten. Erst in letzter Minute wurde er ins Aufgebot berufen.

Verdächtig: Roman Kreuziger

Der Grund: Teamkollege Roman Kreuziger, nominell der wichtigste Helfer des Tourfavoriten Alberto Contador, war von der Antidoping-Einheit der UCI zur Klärung seiner Blutpassdaten einbestellt worden. Die Experten hatten dort Unregelmäßigkeiten festgestellt, aus einer Zeit, als er noch für das Team Astana gefahren war.

Team Tinkoff Saxo suspendierte den Tschechen vorsorglich und wies auf „bevorstehende disziplinarische Maßnahmen der UCI aufgrund von Verletzungen der Antidopingbestimmungen“ hin. Der Beweisprozess gegen Kreuziger ist schon recht weit gediehen. Auf die verdächtigen Blutpassdaten aus den Jahren 2011 und 2012 wurde der Tscheche bereits im Juni 2013 hingewiesen. Er hatte daraufhin Zeit, Erklärungen beizubringen und eigene Experten zur Analyse der Daten zu berufen. Das tat er im Oktober 2013. Die Erklärungen überzeugten die neuerdings unabhängigen UCI-Experten allerdings nicht. Davon wurde er Ende Mai unterrichtet.

Kreuziger bemühte nun nach Angaben des gewöhnlich gut unterrichteten Radsportblogs „the inner ring“ einen weiteren Experten, der neuerliche Gründe für eine nicht durch Doping bedingte Veränderung der Werte bemühte. Der nächste Schritt wäre, dass entweder diese Erklärung so neue Ansätze bringt, dass die UCI-Experten ihre Einschätzung revidieren – oder dass die UCI den tschechischen Verband zur Einleitung eines formellen Strafverfahrens auffordert.

Verdächtige Astana-Zeiten

Geschieht Letzteres, wird sich Team Astana erneut Fragen nach der Rennstallpolitik in Sachen unterstützender Mittel stellen lassen müssen. Die Vergangenheit war bekanntlich düster, es gab Verurteilungen wegen Doping unter anderem der Profis Alberto Contador – jetzt wie Kreuziger bei Tinkoff –, Matthias Kessler (einst T-Mobile) und Alexander Winokurow. Der wiederum fungiert gegenwärtig als Manager des Rennstalls.

Da mag es denn als schräge Volte der Geschichte erscheinen, dass der Ersatzmann des aus seiner Astana-Zeit verdächtigten Contador-Helfers Kreuziger nun dem neuen Astana-Kapitän Nibali den Sieg wegschnappte. Den Toursieg wird dem Italiener aber wohl niemand nehmen können. „Nibali ist eine Klasse für sich“, sagte respektvoll der aktuelle Gesamtzweite Alejandro Valverde.

Den kennt man als Verurteilten von der Operación Puerto. Im angeblich neuen Radsport steckt noch manches alte Element.

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