Der sonntaz-Streit: Braucht es fürs Spenden einen Kick?
Spendenkampagnen müssen immer kreativer werden, um erfolgreich zu sein. Aktuell lässt Eiswasser das Geld fließen.
E in Eimer Wasser wird schwungvoll über dem Kopf einer jungen Frau geschüttet. Sie schreit auf, lacht in die Kamera – die Haare, das Gesicht triefend nass. Videos von Menschen, die sich einer eiskalten Wasserdusche aussetzen, gibt es in letzter Zeit auf Facebook und Twitter en masse. Grund dafür: die Ice Bucket Challenge – eine Medienkampagne, die die Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) bekannt machen und Spendengelder für weitere Forschungswege sammeln will.
Die Spielregel ist einfach: Wurde jemand einmal im Internet öffentlich nominiert, hat er die Wahl zwischen Wasserguss oder Spende. Seit einigen Wochen ist diese Art, Aufmerksamkeit auf die Erkrankung der Nervenzellen zu lenken auch in Deutschland angekommen. Sei es SPD-Politiker Sigmar Gabriel, Moderator Günther Jauch oder Schlager-Star Helene Fischer – die Namen der Ice-Bucket-Challenger könnten Seiten füllen.
Wassereimer oder Spende
Das trendfähige Medienevent kommt aus den USA. Im Juli nominierte der Baseballspieler Peter Frates, der selber an ALS erkrankt und mittlerweile vollständig gelähmt ist, bekannte US-Sportler für die Challenge. Seit dem Beginn der Spendenaktion nahm die ALS-Association 79,7 Millionen US-Dollar ein – im Gegensatz zu 2,5 Millionen im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
„Man kann von der Ice Bucket Challenge lernen – nämlich, dass Spenden nicht nur über Mitleid oder negative Botschaften funktionieren“, sagt der Leiter des Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), Burkhard Wilke, gegenüber der Süddeutschen Zeitung.
Die Ice-Bucket-Challenge-Videos erfüllen alle Anforderungen einer Selbstinszeniereung. Mit Spannung erwartet die Internetgemeinschaft die Reaktion der Nominierten, die die dokumentierte Eiswasserdusche als Imageputsch nutzen und ihre Fans so befriedigen können. Nehmen sie die Herausforderung an? Entscheiden sie sich für Wassereimer oder Spende – oder für beides?
2013 wurde in Rekordhöhe gespendet
Laut Angaben des Deutschen Spendenrats waren die Medien im vergangenen Jahr das wichtigste Mittel, um Spenden zu gewinnen. Mit insgesamt 4,7 Milliarden Euro wurde ein Rekordniveau erreicht – 13 Prozent mehr als 2012. Besonders die Flut in Deutschland und der Taifun Haiyan auf den Philippinen bewegte private Geldgeber dazu, helfen zu wollen.
Angesichts der humanitären Katastrophen im Irak, im Gaza-Streifen und in Syrien werden auch aktuell möglichst schnell große Mengen an Spendendeldern benötigt. Die Organisationen sind abhängig von Großherzigkeit – zum richtigen Zeitpunkt.
Die Begeisterung für die Ice Bucket Challenge ließ die Klickzahlen des Wikipedia-Eintrags von ALS zwar in die Höhe schnellen – aber trotzdem scheint die Aufmerksamkeit hauptsächlich den Videobeweisen zu gelten. Spendenaufrufe ohne eine solche Medienpräsenz scheinen hinter dem aktuellen Trubel um die Videobeweise zu verschwinden.
Was regt Sie an, für eine gemeinnützige Organisation zu spenden? Die großangelegte Medienkampagne, die kleine Sammelaktion der Stadt oder der musizierende Bettler in der Fußgängerzone? Sind es die Bilder von Frauen in Krisengebieten oder von weinenden Kindern? Und: Stellt die öffentliche Selbstinszenierung, die aus der Spende gezogen werden kann, eine Motivation für Sie dar?
Wir fragen Sie: Braucht es fürs Spenden einen Kick?
Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der taz.am wochenende vom 30./31. August 2014. Ihr Statement sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns eine Mail an: streit@taz.de
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