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Kommentar über AfD-EinladungKeine kluge Idee

Simone Schnase
Kommentar von Simone Schnase

Es ist gefährlich, eine politische Kraft zu ignorieren, die den Nerv vieler Nichtwähler trifft. Aber deshalb muss man sie nicht gleich auf Kosten der Linken hofieren.

K ommendes Jahr wird in Bremen gewählt – auch die AfD ist dabei. Bloß: Bislang weiß niemand so recht, wofür die überhaupt steht; ein landespolitisches Programm hat sie noch nicht. In Sachsen erreichte die AfD freilich fast zehn Prozent, in Thüringen und Brandenburg zweistellige Ergebnisse.

Dafür haben die Eurokritiker schamlos am rechten Rand geangelt mit Slogans wie „Keine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme“ und „Einwanderung braucht klare Regeln“. Eine kluge Idee also vom Nordwestradio, sie frühzeitig unter ihrer stillen Treppe hervorzuholen, um sie beim Thema „Flüchtlinge“ auch in Bremen als das zu entlarven, was sie sind?

Nein, denn dort gibt es mit der Wählervereinigung „Bürger in Wut“ (BIW) eine rechtspopulistische Kraft, die schon mit zwei Vertretern in der Bürgerschaft sitzt. Und obwohl die BIW außerhalb Bremens keine Rolle spielt, sind das bereits zwei Wutbürger zu viel. Es hätte also nicht Not getan, den Populisten-Platz auf dem Podium ausgerechnet jenen zu bieten, die auf Landesebene trotz der baldigen Wahlen wenig Eile haben, ihre Existenz mit Inhalt zu füllen.

Wenn CDU, SPD und Grüne in Bremen sagen, die AfD dürfe nicht ignoriert werden, haben sie zwar durchaus recht: Es ist gefährlich, eine politische Kraft links liegen zu lassen, die den Nerv vieler Nichtwähler und Unzufriedenen trifft. Sie zu pushen, ist damit aber sicher auch nicht gemeint.

Der Protest der Linksjugend gegen das Nordwestradio ist nachvollziehbar – nicht aber ihre Forderung, die Podiumsdiskussion abzusagen. Das hätte nur die regelmäßig von der AfD in die Welt gesetzte Mär von der Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Deutschland unterfüttert.

Nein, vielmehr hätte sie hinterfragen müssen, warum kein Vertreter der bremischen Linken eingeladen war. Damit hätte das Nordwestradio wenigstens der politischen Ausgewogenheit Genüge getan. So muss es sich nun zu Recht den Vorwurf gefallen lassen, Rechtspopulisten zu hofieren.

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Simone Schnase
Jahrgang 1971, war von 2012 bis 2021 Redakteurin und CvD für taz bremen und taz nord. Hat davor erst in Osnabrück und dann im Emsland fürs Radio gesprochen und gebloggt sowie für die Magazine „Stadtblatt“ und „Emskopp“ geschrieben. Erhielt 2012 den zweiten Alternativen Medienpreis für den Emskopp-Beitrag „Die Emslandlager und ihre Folgen – eine Geschichte von 1933 bis in die Gegenwart“
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11 Kommentare

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  • Die Afd löst keine Probleme, aber sie bennet wenigsten einige die den Menschen auf dem Herzen liegen.

     

    Es gibt nun mal massive Probleme mit dem Euro, und auch die Kriminalität ist leider nicht unbedeutend.

    • @DD:

      Nicht der Euro ist ein Problem, sondern die Verteilung der Euro's, die fehlende demokratische Kontrolle der EU und ihr ausufernder Expansionsdrang, ohne bisher überhaupt ein gesamtstaatliches Konzept aufzuweisen, das über einen angedachten "gemeinsamen Wirtschaftsraum" hinausgehen würde.

      • @Rainer B.:

        Sicherlich, der Euro ist eine Recheneinheit mehr nicht.

         

        Nur zwängen wir mit dem Euro Länder wie Spanien oder Portugal und Italien zusammen mit Ländern wie Deutschland und Finnland.

         

        Natürlich kann der Euro aufrecht erhalten werden, und das noch sehr lange, aber um den Preis des wirtschaftlichen Zusammenbruchs der südlichen Länder oder der ganzen Eurozone.

         

        Hinzu kommen in der EU noch die fehlende demokratische Kontrolle und ich sehe nicht wo die herkommen soll.

  • Die AfD wird hier ja immer als Partei der "Eurokritiker" verkauft. Worin den nun tatsächlich die "Eurokritik" bei denen liegt und welche politischen Konsequenzen sich daraus ergeben sollen, kann und will leider bis heute niemand aus der Truppe beantworten.

    • @Rainer B.:

      Das stimmt natürlich. Jeder weiß, die bessere Alternative für Deutschland ist in Punkto Eurokritik und Europapolemik in Form der Partei Die Linke zu finden.

      • @Arcy Shtoink:

        Das Problem mit der Linken ist das sie etwas reformieren wollen (die EU) was nicht zu reformieren ist.

         

        Dafür sitzen die Lobbyisten viel zu tief in der EU fest.

         

        Ebenso existiert keine demokratische Kontrolle, da es keine EU-weite Öffentlichkeit gibt.

         

        Ebenso sind sämtliche Demokratien in Europa nationale Demokratien. Übernationale Demokratien gibt es schlicht nicht.

         

        Wie soll das bitte zu lösen sein? Und ich meine reelle Lösungen, keine imaginären.

  • "Mär von der Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Deutschland unterfüttert. "

     

    Das ist doch keine Mär. Deutschland fördert mit öffentlichen Geldern Projekte "gegen Rechts" und die Mächtigen - seien es etablierte Parteien, Gewerkschaften oder sonstige Vereine - nutzen allzu oft ihren Einfluss um rechte oder angeblich rechte Gruppen zu behindern. Da wird Rednern die Nutzung eines Raumes versagt, den andere Parteien nutzen können. Da werden Kundgebungen niedergeschrien oder blockiert. Das kann man durchaus Meinungsdiktatur nennen.

    • 1G
      10130 (Profil gelöscht)
      @DerKommentator:

      Richtig. Die AfD sollte sich für die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU stark machen und die Menschenrechte. Wie wäre es wenn die AfD mit dem Slogan wirbt: Stoppt Antidiskriminierung! Oder ein Aktionsbündnis ins Leben ruft mit diesem Inhalt. OK dann dürften auch keine Alleinerziehenden, LGBT, Moslems, Behinderte, Menschen mit Migrationshintergrund und so weiter diskriminiert werden und eine sofortige rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften müsste erfolgen.

      Ich freue mich, wenn auch Frau von Storch für die sofortige hundertprozentige rechtliche Gleichstellung ist.

      Sie haben natürlich recht, wer andere diskriminiert sollte nicht selbst diskriminiert werden, wo kommen wir denn da hin, wenn man in Deutschland sofort die Einstellung hat: Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz.

      Die CDU/CSU sollte diese Richtlinien übrigens besser auch unterstützen! Nicht das auch noch der CDU/CSU Diskriminierungsverhalten unterstellt wird.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @DerKommentator:

      Es gibt Meinungen, die eindeutig die Unterdrückung verdient haben. Unglücklicherweise stimmen sie manchmal mit dem "gesunden Volksempfinden" zusammen.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Unterdrückung löst keine Probleme, sie gibt dir neue hinzu.