Verwaltungsgericht urteilt: Kein Gewinner, kein Verlierer
Im Streit über Zuschusszahlungen zwischen dem Land Berlin und der Jüdischen Gemeinde haben jetzt beide Seiten teilweise Recht bekommen.
Jahrelang hielt der Streit über Höhe und Verwendung der vom Senat gezahlten Zuschüsse die Jüdische Gemeinde zu Berlin (JG) in Atem und führte zu heftigen inneren Konflikten. Nun hat das Berliner Verwaltungsgericht über fünf von der Gemeinde gegen das Land eingereichte Klagen bezüglich der Staatsgelder quasi salomonisch entschieden: Kurz zusammengefasst lautet das Urteil: „teils, teils“.
Es ging zwischen dem Land und der rund 10.000 Mitglieder starken Gemeinde um Teile der etwa 18 Millionen Euro, mit der Berlin die JG jährlich unterstützt. Diese Zahlungen, die auf einem 1993 zwischen der JG und Berlin geschlossenen Staatsvertrag beruhen, sind zum Teil zweckgebunden, etwa für die Schulen der Gemeinde oder ihre Sicherheitsvorkehrungen. Knapp 6 Millionen Euro aber sind pauschale Zuschüsse, mit denen die JG etwa Beschäftigte bezahlt. Um die ging es nun vor allem vor dem Verwaltungsgericht.
Denn das Land hatte die Zahlungen an die Gemeinde im Jahr 2012 gekürzt – um nach seiner Ansicht zu viel gezahltes Geld ratenweise einzubehalten. Dagegen legte JG-Vorsitzender Gideon Joffe vor dem Verwaltungsgericht Beschwerde ein und forderte zugleich erheblich höhere Zahlungen vom Senat – unter anderem wegen gestiegener Personalkosten. Die Landesregierung wiederum lehnte das wegen fehlender Verwendungsnachweise für die Gelder ab.
Nun entschied das Gericht, dass der Senat der Gemeinde tatsächlich höhere pauschale Zuschüsse zahlen muss. Nicht 5,5, sondern 6,6 beziehungsweise knapp 6,7 Millionen Euro stünden der JG für 2013 und 2014 zu. Das entspricht zwar nicht der Forderung Joffes, der jährlich rund 2 Millionen mehr verlangt hatte, ist aber dennoch ein Erfolg für die JG.
Allerdings habe die Gemeinde keinen Anspruch darauf, dass tatsächlich beim Senat angehäufte Schulden durch zu hohe Pensionszahlungen an ehemalige Mitarbeiter in Höhe von 4 Millionen Euro erlassen würden, so das Gericht. Das Land dürfe für diese Schulden jedoch keine Zinsen verlangen. Die hatte der Senat mit knapp 4,4 Millionen Euro geltend gemacht.
Das Urteil habe „in der Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen dem Land Berlin und der Jüdischen Gemeinde mehr Rechtsklarheit geschaffen“, begrüßte der zuständige Kulturstaatssekretär Tim Renner die Entscheidung des Gerichts. Öffentlich mit der größten jüdischen Gemeinde Deutschlands zu streiten, auf deren Wiedererstarken nach dem Holocaust die Stadt mit Stolz verweist, war für die Politiker durchaus heikel.
Der Sprecher der Jüdischen Gemeinde, Ilan Kiesling, wertete das Urteil positiv. Es sei mehr als ein Teilsieg: Der Gemeinde stehe künftig mehr Geld zur Verfügung als bisher. Micha Guttmann, Mitglied der Joffe-Gegner in der Repräsentantenversammlung der JG, kündigte an, die Opposition wolle das Urteil des Verwaltungsgerichts zunächst genau prüfen, „um zu sehen, was die Jüdische Gemeinde davon hat“. Dann könne man sagen, ob sich das auf die „sachlichen Differenzen“ zwischen Vorstand und Opposition und damit auf die gemeindeinternen Zerwürfnisse auswirke.
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